Kurzbeschreibung

Durch den Wirtschaftsaufschwung nach der Währungsreform im Sommer 1948 nehmen endlich die Sorgen über die Versorgung mit Lebensmitteln und Konsumgütern spürbar ab. Die Währungsreform stößt auf breite Zustimmung, obwohl nun für viele die Sorge um ein ausreichendes Einkommen wächst. Die Skepsis hinsichtlich der Demokratiefähigkeit der Deutschen bleibt bestehen, und mehr als die Hälfte der Befragten würde wirtschaftliche Sicherheit, wie sie z.B. die sozialistische Planwirtschaft in Aussicht stellt, höher einstufen als politische Freiheit. Andererseits unterstützt die große Mehrheit den 1947/48 eingeschlagenen Kurs in Richtung auf eine westdeutsche Teilregierung. Das Interesse an Politik und die Informationsbereitschaft darüber bleiben aber eher niedrig. Beide großen Parteien haben zusammen massiv an Zustimmung verloren. Der Prozentsatz derjenigen, die den Nationalsozialismus nicht grundsätzlich ablehnen, bleibt hoch, aber es wächst auch wieder die Bereitschaft, die Verantwortung Deutschlands für den Krieg anzuerkennen. Deutlich zugenommen hat im Westen die Ablehnung des Kommunismus. Durch den Marshall-Plan wächst das Vertrauen in die amerikanischen Bemühungen um den Wiederaufbau Deutschlands, aber auch das Vertrauen in die eigenen deutschen Kräfte nimmt allmählich zu. Angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen Ost und West favorisieren die Deutschen eine Einbindung in eine westeuropäische Union. Die meisten erwarten, dass die USA in den kommenden Jahren die einflussreichste Macht der Welt sein werden und erwarten mittelfristig einen neuen Weltkrieg. Obwohl Berlin sich als ein besonderer Konfliktherd erwiesen hat, unterstützt die große Mehrheit das dortige Engagement der Westalliierten.

OMGUS-Umfrage: Trends in der deutschen öffentlichen Meinung (1945–49)

Quelle

Trends in der deutschen öffentlichen Meinung

Befragte: eine unspezifische Anzahl von Personen in der Amerikanischen Zone, in Westberlin und in Bremen.

Untersuchungszeitraum: von Oktober 1945 bis Februar 1949; in dieser Periode wurden 67 Erhebungen großen Stils durchgeführt (71 Seiten).

Dieser Bericht fasst anschaulich die großen Trends der deutschen öffentlichen Meinung in den von den Amerikanern besetzten Gebieten zusammen, wobei zehn große Fragenkomplexe abgedeckt wurden: Sorgen und Nöte, Neuorientierung, Politik, Wirtschaftslage, Ernährung, internationale Beziehungen, Berlin, die Besatzung, Medien und Vertriebene.

Sorgen und Nöte. Bis Juni 1948 war die wachsende Sorge um die Ernährung Spitzenreiter. Im April 1948 nannten 54 Prozent der AMZON-Bewohner dies als ihre größte Sorge. Danach folgte die Sorge um angemessene Kleidung und Schuhe, 1948 äußerten sich bereits vier von zehn in diese Richtung. Die Sorge um Kriegsgefangene und Vermisste schwächte sich 1947 auf circa zehn Prozent ab. Die Kategorie „Arbeitslosigkeit und kein Lebensunterhalt“ sank 1947 auf etwa 12 Prozent.

Die Währungsreform löste eine bemerkenswerte Verlagerung aus. Der Höchststand der Sorgen um die Lebensmittelversorgung von 54 Prozent im April 1948 ging im Juli 1948 auf 19 Prozent zurück und erreichte 1949 nur noch zehn Prozent. Die Sorgen um Kleidung und Schuhe sank ebenfalls drastisch von 40 Prozent im April 1948 auf einen Prozentpunkt im Februar 1949. Ab Juli 1948 standen Geldsorgen an erster Stelle. Über 60 Prozent sprachen von finanziellen Problemen, was den Höchststand von 54 Prozent, die sich um ihre Ernährung Sorgen gemacht hatten, weit übertraf.

Neuorientierung. Eine Mehrheit der Deutschen schien Zweifel an ihrer Fähigkeit zu hegen, eine demokratische Selbstverwaltung auf die Beine zu stellen. Wären sie gezwungen, sich zwischen einer Regierung, die wirtschaftliche Sicherheit bietet und einer, die die Bürgerrechte garantiert zu entscheiden, würden sechs von zehn Deutschen für erstere optieren. Genauso viele sagten allerdings, sie wären nicht bereit, auf die beiden Bürgerrechte Wahlrecht und Pressefreiheit zu verzichten; vier von zehn wären dazu bereit.

1946 betrug der durchschnittliche Anteil jener, die der Meinung waren, der Nationalsozialismus sei eine gute Idee gewesen, die nur schlecht umgesetzt wurde, 40 Prozent. 1947 stieg er auf 52 Prozent und 1948 lag er bei 55,5 Prozent. Bei der Frage, für welche Regierung sie sich, hätten sie die Wahl, entscheiden würden, eine kommunistische oder eine nationalsozialistische, bewegte sich der Trend von „weder noch“ zum Nationalsozialismus: Im November 1946 entschieden sich 17 Prozent für den Nationalsozialismus; im Februar 1949 waren es bereits 43 Prozent, und nur zwei Prozent optierten für den Kommunismus. Während dieser Periode gingen die „weder-noch“-Stimmen von 66 auf 52 Prozent zurück.

Zwischen November 1946 und Januar 1948 war die Mehrheit dafür, den Kommunisten Sendezeiten im Radio einzuräumen. Danach veränderte sich der Trend, und im Februar 1949 waren sechs von zehn Personen dagegen, den Kommunisten zu ermöglichen, im Radio ihre Meinung zu verbreiten.

Auf die Frage nach der Verwantwortung für den Krieg gaben mehr Deutsche im Januar 1949 Deutschland die Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs als im November 1947.

Politik. Die Zahl der Deutschen, die sich über Politik informiert gaben, ging zwischen 1947 und 1949 zurück, und das Interesse an Politik blieb bei vier von zehn gering. Desinteresse bedeutete jedoch nicht, keine Meinung zu haben. Die positive Einstellung zur Bildung einer westdeutschen Regierung blieb hoch, und die meisten Menschen glaubten nicht, dass sich dies als eine permanente Hürde für die Vereinigung erweisen würde. Obwohl das Vertrauen in die lokalen Amtsträger nicht sehr hoch war, konnte man einen eindeutigen Aufwärtstrend beobachten.

Unter den politischen Parteien verzeichnete in der Amerikanischen Zone die SPD weiterhin stärkeren Zuwachs als die CDU/CSU, wenn auch der Zuwachs marginal war. In West-Berlin schnitt die SPD viel besser ab als in der Amerikanischen Zone. Seit 1945 verloren beide Parteien in der Gunst der Bevölkerung.

Wirtschaftslage. Die öffentliche Meinung zu Wirtschaftsfragen spiegelte die ökonomische Erholung Deutschlands. Das Vertrauen in die D-Mark wuchs und legte zwischen Juli 1948 und Februar 1949 zwanzig Punkte zu. Die Zustimmung zu Maßnahmen der Währungsreform blieb anhaltend hoch, im Durchschnitt neun von zehn. Obwohl Geld und hohe Preise im Allgemeinen zu großer Sorge Anlass gaben, war doch nach Juni 1948 die Mehrheit davon überzeugt, dass die Preise wieder sinken würden. Im Januar 1949 meinten 52 Prozent der AMZON-Deutschen, es würde ihnen nun besser gehen als im Jahr zuvor, als 57 Prozent der Befragten ihre Lage für schlechter als im Jahr davor einschätzten. Trotzdem behaupteten im Februar 1949 noch 57 Prozent, dass sie mit ihrem Einkommen nicht zurecht kämen.

Im Januar 1948 waren mehr Menschen der Meinung, die Lebensbedingungen würden sich eher verschlechtern als verbessern, doch schon unmittelbar nach der Währungsreform erwarteten fast drei Viertel der Menschen einen baldigen Aufschwung. Im Januar 1949 war dieser Optimismus zurückgegangen, aber nur auf das Niveau von circa zwei Drittel.

Mehr als die Hälfte der Befragten hatte weiterhin das Gefühl, dass es einen ernst zu nehmenden lokalen Schwarzmarkt gebe, und eine Mehrheit sah die Notwendigkeit eines stärkeren Eingreifens der lokalen Behörden.

Ernährung. Im Frühjahr 1946 behaupteten sechs von zehn AMZON-Deutschen, nicht genügend zu essen, um ihre Arbeit gut zu verrichten. Bis Januar 1949 hatte sich die Lage umgekehrt, sodass sich nur noch vier von zehn auf diese Weise äußerten. Auch das Vertrauen in die Gerechtigkeit der Lebensmittelrationierung schien anzusteigen, nach einem Rückgang des Höchststandes, der im Herbst 1945 und im Frühjahr 1946 gemessen wurde.

Internationale Beziehungen. Seit Februar 1948 sprachen sich Mehrheiten unterschiedlicher Größe für eine Westeuropäische Union aus. Das gleichbleibend hohe Niveau von Befragten ohne Meinung verwies auf ein mangelndes Vertrauen in die künftigen Auswirkungen der WEU auf Krieg und Frieden; innerhalb einer Periode von acht Monaten neigte die Mehrheit zur Annahme, dass sich die Kriegsgefahr verringern würde, gleichzeitig aber gab es immer mehr Menschen, die einen möglichen Krieg nicht ausschlossen. Im Verlauf des Jahres 1948 gab es immer mehr Menschen, die über den Marshallplan Bescheid wussten; bis Dezember war diese Zahl in der Amerikanischen Zone auf 83 Prozent angestiegen. Eine Mehrheit war gleichbleibend davon überzeugt, dass das Hauptmotiv für die amerikanische Hilfe an Europa darin bestand, die Ausbreitung des Kommunismus zu verhindern, obwohl 1948 der Glaube an altruistische Motive um neun Punkte anstieg. Die Hälfte der Bevölkerung befürchtete, dass die Vereinigten Staaten den künftigen Bedürfnissen Europas nicht angemessen entsprechen würde; nur sehr wenige (etwa vier Prozent) glaubten jedoch an die Einstellung jeglicher Hilfsleistungen. Fast sieben von zehn waren der Meinung, dass in den kommenden zehn Jahren vor allem die Vereinigten Staaten die Geschicke der Welt beeinflussen würden. Zwischen August 1948 und Februar 1949 stieg aber trotzdem der Anteil jener, die meinten, die Sowjetunion würde sich zur dominierenden Weltmacht entwickeln, von 11 auf 16 Prozent. Im Jahr davor hielten sechs von zehn Personen einen weiteren Weltkrieg in den kommenden 25 bis 30 Jahren für denkbar, drei von zehn Personen jedoch gaben sich optimistisch und meinten, es würde möglich sein ihn zu vermeiden.

Berlin. Während circa sieben von zehn AMZON-Deutschen erwarteten, die Amerikaner würden in Berlin bleiben, glaubten in West-Berlin neun von zehn daran. Im Gegensatz meinten mehr AMZON-Bewohner als West-Berliner, die Westmächte würden alles in ihrer Macht stehende tun, um die Notlage der West-Berliner zu erleichtern. Sowohl AMZON-Bewohner als auch West-Berliner Bürger glaubten mit überragender Mehrheit (über 90 Prozent) an die Korrektheit westlicher Politik in Bezug auf West-Berlin.

Die Besatzung. Bis Januar 1948 herrschte die Meinung vor, die Vereinigten Staaten sollten den Wiederaufbau Deutschlands beschleunigen, um zu verhindern, dass es vom Kommunismus überrollt werde. Im Februar 1949 war dieser Wert von 57 auf 49 Prozent zurückgegangen; gleichzeitig stieg der Anteil jener, die meinten, die Deutschen sollten ihr Land selbst aufbauen, von 16 auf 20 Prozent.

Während im November 1947 nur 39 Prozent der Meinung waren, die Vereinigten Staaten hätten den Wiederaufbau Deutschlands gefördert, waren es im August 1948 63 Prozent. 1946 waren sieben von zehn Personen davon überzeugt, die Alliierten würden zusammenarbeiten, um vor ihrem Abzug ein vereintes Deutschland herbeizuführen. Im Februar 1948 glaubten acht von zehn nicht daran.

Medien. Im Januar 1947 hielten drei Viertel der Bevölkerung die Nachrichten für vertrauenswürdiger als während des Krieges; im Januar 1948 war die Zahl auf 47 Prozent zurückgegangen, wobei jene, die sie für weniger vertrauenswürdig hielten, gleichbleibend bei fünf Prozent lagen, der Anteil jener, die keine Meinung hatten, aber wuchs stetig. Während der gesamten Nachkriegszeit gaben mehr als sieben von zehn AMZON-Bewohnern an, regelmäßig oder gelegentlich Zeitung zu lesen. Das Radiopublikum variierte kaum während der gesamten achtzehn Monate. Und ungefähr ein Viertel der AMZON-Bewohner gab an, Zeitschriften zu lesen.

Vertriebene. Sowohl Einheimische als auch Vertriebene waren sich anhaltend und fast einhellig einig, dass die Vertreibungen ungerecht gewesen seien. Im Vorjahr hatten die Einheimischen die Möglichkeit einer Integration der Vertriebenen tendenziell positiver gesehen. Eine ähnliche Einstellung fand sich auch unter den Vertriebenen selbst, die ihre Aufnahme in Deutschland nun positiver bewerteten. Wenig Veränderung gab es in der Haltung der Einheimischen hinsichtlich des Wunsches der Vertriebenen, in ihre Heimat zurückzukehren; etwa neun von zehn waren davon überzeugt, dass sie zurück wollten. Die Vertriebenen selbst drückten ebenfalls den Wunsch nach Rückkehr aus, obwohl bei ihnen die negative Einstellung anhaltend höher lag als bei den Einheimischen.

Quelle: A. J. und R. L. Merritt, Public Opinion in Occupied Germany, The OMGUS Surveys. Urbana, IL, 1970, S. 294–98.

Übersetzung: Erica Fisher