Kurzbeschreibung

Trotz der konservativen Opposition reformiert die rot-grüne Regierung das Staatsangehörigkeitsrecht, indem sie in Deutschland dem Prinzip der ethnischen Abstammung (jus sanguinis) das Geburtsrecht (jus soli) hinzufügt und das Verfahren zur Erlangung der Staatsbürgerschaft erleichtert, vorausgesetzt bestimmte Bedingungen, wie die Kenntnis der deutschen Sprache, werden erfüllt.

Die Bestimmungen des neuen Staatsangehörigkeitsrechts (August 1999)

  • Otto Schily

Quelle

Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Otto Schily, Bundesminister des Innern

Am 21. Mai 1999 stimmte der Bundesrat dem Gesetz zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts zu. Das Gesetz gilt in seinen wesentlichen Teilen ab dem 1. Januar 2000.

Kern der Reform ist die Ergänzung des traditionellen Abstammungsprinzips durch den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt. Dies erleichtert den in Deutschland geborenen Kindern ausländischer Eltern die Identifizierung mit ihrem Heimatland Deutschland. Sie erhalten die Chance, als Deutsche unter Deutschen aufzuwachsen.

Im neuen Gesetz wird ein weiteres wichtiges Integrationsangebot verankert: die Verkürzung der Einbürgerungsfrist für die seit langem in Deutschland lebenden Ausländer. Da Integration keine Einbahnstraße ist, sind mit diesem Angebot bestimmte Mindesterfordernisse verbunden. Wer auf Dauer in Deutschland leben will, muss unsere Verfassung und unsere Rechtsordnung achten. Ebenso selbstverständlich ist das Erlernen der deutschen Sprache. Integration gelingt nur, wenn der Wille dazu auf beiden Seiten – bei den Deutschen und den in Deutschland lebenden Ausländern – vorhanden ist.

Die Neuregelung des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts kann Integration gewiss nicht „verordnen“. Sie gibt den hier auf Dauer lebenden ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern jedoch ein deutliches Zeichen unserer Zuwendung und unseres Willens, das friedliche Zusammenleben aller Menschen, unabhängig von ihrer kulturellen Herkunft, zu fördern.

Quelle: Vorwort zur Broschüre „Staatsangehörigkeitsrecht“, Herausgeber: Die Beauftragte der Bundesregierung für Ausländerfragen, Bundesministerium des Innern, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, August 1999.

Das Gesetz ab 1. Januar 2000

Deutsche/r durch Geburt

Wie bisher gilt der Grundsatz: Ein Kind wird mit der Geburt Deutsche oder Deutscher, wenn zumindest ein Elternteil deutscher Staatsangehöriger ist (Abstammungsprinzip).

Ab 1. Januar 2000 gilt zusätzlich das Geburtsrecht. Ab diesem Zeitpunkt werden in Deutschland geborene Kinder von ausländischen Eltern mit der Geburt automatisch Deutsche, wenn ein Elternteil sich bei der Geburt seit mindestens acht Jahren dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland aufhält und eine Aufenthaltsberechtigung oder seit mindestens drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis hat.

Diese Kinder werden mit Geburt deutsche Staatsangehörige – mit allen Rechten und Pflichten. Zusätzlich erwerben sie durch Geburt zumeist die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern.

Das „Optionsmodell“

Personen, die nach dem Geburtsrecht Deutsche werden und gleichzeitig die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern erwerben, müssen sich nach der Volljährigkeit bis zum 23. Lebensjahr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden:

– Erklären sie, dass sie die ausländische Staatsangehörigkeit behalten wollen, verlieren sie die deutsche. Gleiches gilt, wenn sie bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres gar keine Erklärung abgeben.

– Entscheiden sie sich für die deutsche Staatsangehörigkeit, so müssen sie grundsätzlich bis zum 23. Lebensjahr nachweisen, dass sie die andere Staatsangehörigkeit verloren haben.

– Ist eine Aufgabe der anderen Staatsangehörigkeit nicht möglich oder zumutbar, kann Mehrstaatigkeit hingenommen werden. Dann muss spätestens bis zum 21. Lebensjahr eine Beibehaltungsgenehmigung beantragt sein, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar ist, ob ein Verfahren zur Entlassung aus der anderen Staatsangehörigkeit nicht doch noch erfolgreich sein könnte.

Die jungen Menschen werden mit Volljährigkeit von den Behörden über das Optionsmodell informiert.

Übergangsregelung für Kinder

Kinder bis zu 10 Jahren haben ab dem 1. Januar 2000 einen besonderen Anspruch auf Einbürgerung, der den Voraussetzungen des neuen Geburtsrechts entspricht:

– Bis zum 31. Dezember 2000 muss ein Antrag auf Einbürgerung gestellt werden.

– Das Kind hat am 1. Januar 2000 das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet.

– Das Kind ist in Deutschland geboren.

– Zum Zeitpunkt der Geburt hat sich ein Elternteil seit mindestens acht Jahren rechtmäßig in Deutschland aufgehalten und hatte eine Aufenthaltsberechtigung oder seit mindestens drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

– Der Status des rechtmäßigen und unbefristeten Aufenthalts der Eltern muss nicht nur bei der Geburt, sondern auch noch bei Einbürgerung des Kindes vorliegen.

Auch für diese Kinder gilt mit der Volljährigkeit das Optionsmodell.

Deutsche/r durch Einbürgerung

Der Weg zur deutschen Staatsangehörigkeit ist für die dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländer die Einbürgerung. Im Unterschied zum Geburtsrecht erfolgt die Einbürgerung nicht automatisch, sie muss beantragt werden.

Die gesetzlichen Regeln über die Ermessenseinbürgerung bleiben im Wesentlichen unverändert. Verbessert wurde die Anspruchseinbürgerung nach dem Ausländergesetz.

Anspruchseinbürgerung nach dem Ausländergesetz

Der Anspruch auf Einbürgerung hat ab dem 1. Januar 2000 folgende wesentlichen Voraussetzungen:

– acht Jahre rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland

– Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung

– Bekenntnis zum Grundgesetz

– keine verfassungsfeindlichen Betätigungen

– in der Regel Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Sozial- oder Arbeitslosenhilfe

– Straflosigkeit, ausgenommen Bagatelldelikte

– ausreichende deutsche Sprachkenntnisse

Mehrstaatigkeit

In der Regel muss die ausländische Staatsangehörigkeit aufgegeben werden. Ausnahmen gelten wie bisher, wenn die Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonderen Schwierigkeiten aufgegeben werden kann. Neue oder erweiterte Ausnahmen gelten unter anderem

– für ältere Personen, wenn die Entlassung aus der ausländischen Staatsangehörigkeit auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt,

– für anerkannte Flüchtlinge,

– bei unzumutbaren Bedingungen für die Entlassung aus der ausländischen Staatsangehörigkeit (unter anderem zu hohe Entlassungsgebühren oder entwürdigende Entlassungsverfahren) und

– bei erheblichen Nachteilen insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art.

Für den Regelanspruch auf Einbürgerung von Ehegatten Deutscher gelten die gleichen Ausnahmen.

Quelle: „Staatsangehörigkeitsrecht“, Broschüre der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen, Bundesministerium des Innern, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, August 1999.