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Rente in Deutschland massiv unter Druck
Die Konditionen für künftige deutsche Rentner werden sich verschlechtern. Unvermeidbar ist eine Erhöhung des Rentenalters auf 69. Zudem muss Berlin die Prognosen laut Bundesbank endlich aktualisieren.
Es gibt Probleme, für die gibt es keine schmerzlose Lösung. Dazu gehört die Sicherung der Rente. Langfristig steuert Deutschland auf ein grosses Problem bei der Alterssicherung zu. Das umlagefinanzierte Rentenversicherungssystem in Deutschland gerät aufgrund des demografischen Wandels, also der steigenden Lebenserwartung und der zugleich sinkenden Geburtenrate, an seine Grenzen.
Die wechselnden Regierungen schieben die Lösung des Problems auf die lange Bank, weil sie es sich derzeit noch leisten können. Wichtige Vorausberechnungen enden zudem an der kritischen Grenze im Jahr 2030. In diese Wunde legt nun die Deutsche Bundesbank in ihrem am Montag erschienenen Monatsbericht den Finger.
Zu kurzer Prognose-Zeitraum
Die Experten der Frankfurter Behörde weisen darauf hin, dass das deutsche Rentenversicherungssystem massiv unter Druck steht. Unangenehme Änderungen in einem der drei wichtigen Parameter für die Alterssicherung seien in den kommenden Jahren unausweichlich. Vor allem ab dem Jahr 2030 steuert die gesetzliche Rentenversicherung auf grosse Probleme zu.
Im Prinzip gibt es drei Stellschrauben, mit denen man bei der Alterssicherung hantieren kann: erstens den Beitragssatz, den derzeitige Arbeitnehmer bezahlen müssen, zweitens das Renteneintrittsalter sowie drittens das Versorgungsniveau der derzeitigen Rentner. Darüber hinaus gibt es weitere Optionen, wie eine Ausweitung des Bundeszuschusses für die Rente oder den Einbezug von Selbständigen in das System, doch diese reichen bei weitem nicht aus, um das Grundproblem zu lösen.
Probleme werden in die Zukunft verschoben
Nach derzeitigen Planungen soll das Renteneintrittsalter bis zum Jahr 2030 auf 67 Jahre steigen, der Beitragssatz soll nicht über 22% (derzeit 18,7%) gehen, und das Versorgungsniveau soll 43% (47,7%) nicht unterschreiten. Viele der derzeitigen Vorausberechnungen bis zum Jahr 2030 fussen auf dem Jahr 1989 und betrafen damals einen Zeitraum von 50 Jahren. Seither wurden die neuen Vorausberechnungen aber nie über das Jahr 2030 verlängert, so dass der Prognose-Zeitraum inzwischen lediglich 14 Jahre beträgt.
Damit drückt sich die Politik davor, wichtige Informationen zur Kenntnis zu nehmen und Transparenz zu schaffen, denn ab 2030 verschärft sich das demografische Problem, weil die Babyboomer-Generation dann in Rente gehen wird.
Leute leben immer länger
Das Verhältnis der Dauer des Rentenbezugs zur Dauer der Beitragszahlung steigt immer mehr. Es würde von gegenwärtig etwa 43% auf rund 53% im Jahr 2060 klettern, wenn das Renteneintrittsalter bei 65 Jahren bleiben würde. Würde das Eintrittsalter bis 2030 auf 67 Jahre und bis 2060 auf 69 Jahre erhöht, könnte der Quotient stabil gehalten werden.
Dies würde aber noch nicht ausreichen, um die Rente zu stabilisieren. Zu rechnen wäre darüber hinaus mit einem weiteren erheblichen Anstieg des Beitragssatzes auf eine Grössenordnung von derzeit 18,7% auf 24%, was sich vermutlich deutlich auf das Wirtschaftswachstum auswirken würde und einem Rückgang des Versorgungsniveaus von derzeit 48% auf etwa 44% entspräche.
Indexierung des Rentenalters
Auch um die private Vorsorge könnte es in Deutschland besser stehen, besonders in Sachen Vereinfachung und höherer Transparenz. Derzeit bestehen rund 16,5 Mio. sogenannte Riester-Verträge, mit denen der Staat die private Vorsorge etwa über fondsgebundene Lebensversicherungen fördert, wobei es 40 Mio. Berechtigte für die Förderung gibt.
Allerdings existieren in Deutschland unterschiedliche Wege der privaten Vorsorge, viele Menschen haben eine Immobilie, und 60% der Arbeitnehmer bekommen später eine betriebliche Altersvorsorge.
Die Bundesbank hält dennoch weitere Anpassungen für unvermeidlich, um die finanzielle Tragfähigkeit der Rente sicherzustellen. Eine längere Lebensarbeitszeit, etwa ab 2030 bis 67 und ab 2060 bis 69 Jahre, ist dabei nahezu unvermeidlich.
Länder wie Dänemark, Estland oder Italien haben das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt. Dies könnte auch für Deutschland ein Weg sein, um die politisch schwierige Entscheidung zu automatisieren und somit zu erleichtern.
Quelle: Michael Rasch, „Rente in Deutschland massiv unter Druck“, Neue Zürcher Zeitung, 15. August 2016. Online verfügbar unter: https://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschaftspolitik/bundesbank-sieht-renteneintrittsalter-langfristig-bei-69-jahren-rente-ist-massiv-unter-druck-ld.111020