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Bundesumweltminister Trittin: Ökologische Modernisierung schafft Arbeitsplätze
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Meine Damen und Herren,
die Bundesregierung bekennt sich zum Leitbild einer nachhaltigen, umweltgerechten Entwicklung, die ökonomische, soziale und ökologische Anforderungen miteinander in Einklang bringt.
Dazu gehört als zentrale Aufgabe die ökologische Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft.
Ängste, dass sich dabei die ökonomischen Rahmenbedingungen verschlechtern, sind unbegründet.
Anspruchsvolle Umweltpolitik schafft Arbeitsplätze und ist positiv für die Wettbewerbsfähigkeit.
Dabei geht es nicht darum, hier eine beschäftigungspolitische Legitimation für den Umweltschutz zu suchen.
Der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und der Ressourcen für kommende Generationen ist als Begründung zum Handeln wohl ausreichend.
Ich bin davon überzeugt, dass Arbeit und Umwelt zusammengehören und dass eine ökologische Modernisierung der Wirtschaft positive Auswirkungen auf Umfang und Qualität der Beschäftigung hat.
Bereits heute haben wir in Deutschland rund 1 Million Beschäftigte im Umweltschutz. Und diese Zahlen stellen die Untergrenze dar, weil bei ihrer Ermittlung sehr vorsichtige Annahmen und Abgrenzungen zugrunde gelegt wurden.
3. Globalisierung und Umweltschutz
Ein Stichwort, das uns heute ständig begleitet, heißt „Globalisierung”.
Sie wird häufig als eine Gefahr betrachtet, denn Globalisierung der Wirtschaft ermöglicht die volle Ausschöpfung standortbedingter Kostenvorteile.
Aber mit ihr ist auch eine erhebliche weltweite Wohlstandsmehrung verbunden.
Die Weltwirtschaft wächst derzeit schneller als je zuvor in der Geschichte.
Seit Mitte der 80er Jahre — also in gerade einmal 15 Jahren — hat sich das Welthandelsvolumen verdreifacht.
Zugleich haben der Verbrauch von Energie und Rohstoffen, der Ausstoß von Schadstoffen, Treibhausgasen und Industrieabfällen, das Verkehrsaufkommen und der Anteil der bebauten Flächen teilweise dramatisch zugenommen.
Die Umweltkrise droht zu einer Wachstumsbremse zu werden.
Gerade deshalb muss Globalisierung einhergehen mit einer umweltgerechten, nachhaltigen Entwicklung.
Und gerade hier liegt die Chance, denn nur jene Volkswirtschaften und jene Unternehmen werden erfolgreich sein, denen es gelingt, die natürlichen Ressourcen wie Rohstoffe, Energie und Wasser möglichst effizient zu nutzen.
Umweltschutz ist „Langfrist-Ökonomie”.
Umweltschutz muss als aktives Element unserer „Globalisierungsstrategie” begriffen werden.
Nur solche Unternehmen werden auf Dauer Erfolg haben, die Produkte und Produktionsverfahren anbieten, die den ökologischen Erfordernissen Rechnung tragen.
Kurzfristige, rein betriebswirtschaftlich motivierte Überlegungen, bleiben kurzsichtig.
Und nur eine Gesellschaft, der es gelingt, das Prinzip „Nachhaltigkeit” durchzusetzen, ist zukunftsfähig.
Das Ziel liegt in der Zukunft, aber die Weichenstellungen dafür, dass die Entwicklung in diese Richtung geht, müssen heute geschaffen werden.
Der in diesem Ansatz liegende Innovationsschub für die Wirtschaft ist nicht hoch genug einzuschätzen.
Hier existieren weltweit Märkte, die sich mit einer außerordentlich hohen Dynamik entwickeln.
Unsere Chancen, auf den internationalen Märkten ganz vorne mitzuspielen, sind gut.
Bereits heute ist Deutschland gemeinsam mit den USA mit 18,2 % Welthandelsanteil Exportweltmeister bei Umweltschutzgütern.
Es zeigt sich allerdings, dass angesichts der weltweit zunehmenden Verflechtung der Wirtschaftsbeziehungen ein kohärenter ökologischer Ordnungsrahmen für die Weltwirtschaft erforderlich ist.
Ein Rahmen, der sicherstellt, dass die Globalisierung eine nachhaltige Entwicklung fördert.
Globaler Wettbewerb darf nicht zu einem Wettlauf um den niedrigsten Umweltstandard ausarten.
„Umweltdumping” kann nicht akzeptiert werden.
Vielmehr müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, ökologische Standards und Normen ständig zu verbessern.
Dafür ist eine verstärkte internationale Umwelt- und Entwicklungspartnerschaft unabdingbar.
Dies wird eine der Herausforderungen sein, der wir uns in der neuen WTO-Runde stellen müssen, die mit der Konferenz in Seattle zum Ende diesen Jahres gestartet werden soll.
Gerade in den die Globalisierung steuernden internationalen Handelsabkommen gilt es, Umweltakzente zu setzen, um so einerseits die international gesteckten Umweltziele, wie die Bekämpfung des Treibhauseffekts, zu erreichen und andererseits, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft mit ihren anspruchsvollen Umweltstandards zu stärken.
Die Bundesrepublik ist eine Exportnation auch bei Umweltschutzgütern. Dass Ökonomie und Ökologie zusammengehen, zeigt sich allerdings nicht nur in den Chancen auf internationalen Märkten.
Es gibt auch handfeste ökonomische Zwänge dafür, dass wir den ökologischen Strukturwandel im eigenen Land vorantreiben müssen.
So schätzt die Bundesdeutsche Arbeitsgemeinschaft für umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) ein, dass sich 2 – 5 % der Gesamtkosten in einem Unternehmen durch gezieltes Umweltmanagement einsparen lassen.
Daraus ergibt sich laut B.A.U.M. ein Gesamteinsparpotenzial von rund 150 — 200 Mrd. DM pro Jahr in Deutschland.
Angesichts der verstärkten Konkurrenz auf den Märkten ist doch die eigentliche Frage: Können wir es uns leisten, kann es sich ein Unternehmen leisten, dieses Potential nicht zu nutzen?
Besteht nicht gerade im unterlassenen Umweltschutz die Gefahr für den Standort und damit für Arbeitsplätze in Deutschland?
Übrigens wird in diesem Zusammenhang häufig übersehen, dass eine moderne Umweltinfrastruktur auch bei ausländischen Unternehmen ein wichtiges Kriterium für die Auswahl von Investitionsstandorten ist.
Noch einmal: Es geht nicht darum, Umweltschutz wirtschaftlich zu legitimieren.
Es geht darum, zu begreifen, dass Umweltschutz in unser aller Interesse liegt.
Ich will damit die Unternehmer motivieren, Umweltschutz als Chance zu begreifen, auch, um im Bündnis für Arbeit zu Ergebnissen zukommen.
Erst wenn die Chancen, die die Gespräche bieten, für alle Partner deutlich sind, wird ein Erfolg möglich.
Erst dann wird es möglich, über den Austausch bekannter Positionen hinauszukommen. Erst dann können wir zur eigentlich erfolgversprechenden Fragestellung kommen, die nicht lautet: „Brauchen wir den ökologischen Strukturwandel?” sondern: „Wie gestalten wir ihn?”
4. Beschäftigungswirkung von Umweltschutzmaßnahmen
Meine Damen und Herren,
der Umweltschutz hat bereits heute zu deutlichen Veränderungen in unserer Arbeitswelt geführt.
In nahezu allen Berufen gibt es inzwischen mehr oder weniger starke Berührungspunkte zum Umweltschutz.
In Ausbildung und Berufsleben spielen Umweltaspekte eine wichtige Rolle, egal ob beim Automechaniker oder beim Schornsteinfeger, beim Tankwart oder beim Ingenieur.
Kenntnisse und Qualifikationen im Umweltschutz werden auf dem Arbeitsmarkt verstärkt nachgefragt.
Darüber hinaus haben sich spezielle Berufsbilder entwickelt, die unmittelbar auf Umweltschutz ausgerichtet sind. Als Stichwort seien hier die Umweltdienstleistungen, wie z. B. das Contracting genannt.
Gerade der Bereich der ökologischen Dienstleistungen hat ein enormes Wachstumspotential und ist der beschäftigungspolitische Hauptgewinner.
Der Anteil der Erwerbstätigen im Umweltbereich nimmt stetig zu.
Die von mir bereits erwähnte Zahl von 1 Million Beschäftigten im Umweltbereich entspricht
2,7% der Erwerbstätigen in Deutschland. Auch in anderen Staaten sind analoge Entwicklungen zu verzeichnen.
Die OECD hat z. B. für die USA für das Jahr 1992 ermittelt, dass ca. 4 Millionen Beschäftigte direkt oder indirekt im Umweltschutz arbeiteten. Das sind ca. 3% der Erwerbstätigen.
Für das Jahr 2005 werden in diesem Bereich 5,3 Millionen Beschäftigte prognostiziert.
Das heißt, man erwartet für die USA einen Zuwachs von 1,4 Millionen Arbeitskräften im Umweltbereich.
Auch Prognosen zu den wichtigsten Zukunftstechnologien sehen z.B. ökologisches Bauen, Energieeffizienz und ökologische Produktentwicklung an der Spitze.
Natürlich sind solche Prognosen mit Unsicherheiten behaftet.
Zwei ganz entscheidende Motoren, die das Tempo der Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs bestimmen, sind:
— die Entwicklung der nationalen Umweltgesetzgebung und
— das Umweltbewusstsein der Unternehmen.
Es wird deutlich, wie wichtig die Betrachtung aller Rahmenbedingungen ist, um zu den erforderlichen Erfolgen für Umweltschutz und den Arbeitsmarkt zu kommen.
Die optimale Verbindung von anspruchsvollen Umweltschutzanforderungen mit kreativen Umsetzungsstrategien und -instrumenten, das ist die Aufgabe, vor der wir stehen; eine Aufgabe, die nur gemeinsam gelöst werden kann.
Das ist der „Königsweg” zur Verbesserung der Umweltbedingungen, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes.
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6. Vorschläge im Energiesektor
Die ökologische Steuerreform als erster Teil einer umfassenden Energiewende ist aus meiner Sicht ein wichtiger Beitrag zur ökologischen Modernisierung mit positiven Beschäftigungseffekten.
Die Verteuerung der Energie kommt fast vollständig der Senkung der Lohnnebenkosten zugute. Energie wird teurer, Arbeit wird billiger.
In Bezug auf den Effekt für den Arbeitsmarkt geht das RWI in Essen davon aus, dass bereits die erste Stufe der Ökosteuer rund 100.000 Arbeitsplätze bewirkt.
Auch ein laufendes Forschungsvorhaben des Bundesumweltministeriums, in dem Beschäftigungswirkungen des Klimaschutzes untersucht werden, deutet darauf hin, dass Klimaschutz insgesamt Arbeitsplätze erhält und neue Beschäftigungschancen schafft.
Arbeitsmarktpolitik und Klimaschutz/Energiewende stehen also im Einklang.
Ein Beispiel für konkrete Initiativen für Umwelt und Arbeit, wie ich sie mir auch als Ergebnis des Themendialogs wünsche, ist die, unter gemeinsamer Schirmherrschaft von Bundeskanzler Schröder und mir laufende „Solarkampagne 2000”.
Im Trägerkreis der Kampagne sind Wirtschafts- und Umweltverbände vertreten. Auch die Umweltministerien der Bundesländer sowie Verbände und Firmen tragen zur Unterstützung bei.
Den größten Beitrag liefert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt.
Ziele der Kampagne sind:
— Installation von zusätzlichen 2 Millionen m2 Solarkollektoren bis zum Jahr 2003, was etwa 400.000 neuen Solaranlagen entspricht,
— Minderung der CO2-Emissionen um ca. 0,3 Millionen Tonnen pro Jahr,
— Schaffung von rund 100.000 Arbeitsplätzen bis 2010.
Für eine weitere gemeinsame Initiative im Energiebereich bietet sich aus meiner Sicht die Senkung des Energieverbrauchs im Wohngebäudebestand an.
Die Verwirklichung ökologischer Ziele ist gerade in diesem Bereich mit einem erheblichen Auftragsvolumen für Handwerk und Zulieferindustrie verbunden.
Maßnahmen im Gebäudebestand sind zudem besonders arbeitsintensiv.
Ein solches Programm schafft also direkt Arbeitsplätze und trägt dazu bei, dass Sozialversicherungsbeiträge, Mehrwertsteuer, Einkommens- und Körperschaftssteuer in die öffentlichen Kassen fließen.
Die bisher durch die Bundesregierung über die Kreditanstalt für Wiederaufbau finanzierten bzw. initiierten Kreditprogramme zur Förderung wohnungswirtschaftlicher Investitionen wie
— das KfW-Wohnraum-Modernisierungsprogramm in den neuen Bundesländern und
— das KfW-Programm zur CO2-Minderung in den alten Bundesländern,
haben bisher sehr wirkungsvoll den Zusammenhang zwischen Ökologie und der Schaffung bzw. dem Erhalt von Arbeitsplätzen demonstriert.
Mit dem Auslaufen des Programms in den neuen Ländern zum Jahresende verbleibt jedoch allein dort ein Investitionsbedarf von weiteren 170 Mrd. DM.
Es bietet sich also an, diese Maßnahme weiterzuführen und gleichzeitig bundesweit auszubauen.
Unter Zugrundelegung der aktuellen Kostenrelationen könnten durch eine Sanierung von 500.000 Häusern mit einem Gesamtkreditvolumen von rund 15 Mrd. DM knapp 900.000 Arbeitsplätze erhalten bzw. geschaffen werden.
Wir haben hierzu bereits erste, sehr konkrete Gesprächen mit der KfW und dem Wirtschaftsminister geführt, die allerdings, das will ich hier ganz offen sagen, bislang noch kein befriedigendes Ergebnis gebracht haben.
Gleichwohl wird der Ansatz vom Bundesumweltministerium und mir persönlich konsequent weiterverfolgt.
Dabei muss allen Beteiligten klar sein: Die Identifizierung von guten Vorschlägen im Umweltdialog ist das eine, die Umsetzung der Vorschläge das andere, das Schwierigere.
Vorschläge, die einfach zu verwirklichen sind, von denen alle Beteiligten bzw. Betroffenen begeistert sein werden, sind kaum zu erwarten.
Aber gerade die Zusammensetzung des Dialogs bietet die Chance, gemeinsam eine schlagkräftige Lobby für gute Vorschläge zu bilden.
Das Ergebnis des Umweltdialogs muss jedenfalls über die bloße Benennung von Handlungsfeldern hinaus gehen. Ich betone noch einmal: Wir brauchen gemeinsame Vorschläge, gemeinsame Umsetzungsstrategien und ein gemeinsames Handeln.
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Quelle: Jürgen Trittin, „Ökologische Modernisierung schafft Arbeitsplätze“, www.bmu.de/124/js/reden/rede_trittin991021/main.htm