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Wolfgang Schäuble – der Zurückkämpfer
Trotz Spendenaffäre, trotz Attentat: Wolfgang Schäuble hat sich immer wieder zurückgekämpft. Als Bundesinnenminister machte er als Hardliner von sich reden, später im Finanzministerium als Verfechter der Schwarzen Null. Dafür wurde Schäuble von den einen bejubelt und von den anderen verachtet, er polarisiert. Doch im neuen Bundestag ist seine Autorität gewollt. Er geht dem neuen Job gelassen entgegen, jeder Abgeordnete sei dem Rechtsstaat verpflichtet. Keine Angst also.
Die Wahl von Wolfgang Schäuble zum Bundestagspräsidenten ist für den 75-Jährigen die Krönung einer politischen Karriere, die vor zwanzig Jahren eigentlich schon zu Ende war. Es geht hoch her im Bundestag an diesem 2. Dezember 1999 – am Rednerpult der CDU-Chef zur Hochzeit der Spendenaffäre. Seit Wochen machen Gerüchte die Runde, Schäuble habe Kontakt zum Waffenhändler Karlheinz Schreiber gehabt.
Spendenaffäre nahm ihm Kanzlerkandidatur
Schäuble dementiert es öffentlich. Doch später muss er einräumen, dass er Geld von Schreiber angenommen hat. Der Staatsanwalt ermittelt, stellt das Verfahren schnell ein. Dennoch wird die Spendenaffäre seine politische Karriere vorerst ruinieren. Es müssen harte Zeiten für einen Mann gewesen sein, der sein Leben lang Politik gemacht hat. „Die Beschäftigung mit Politik und das Engagement in und für die Politik, hat mich immer fasziniert.“
Bereits 1972 wurde Schäuble in den Bundestag gewählt – damals als jüngster Abgeordneter. Die Politik bestimmte von da an sein Leben. Seine Familie sah ihn häufig im Fernsehen, selten zu Hause. Und wenn dann immer auch mit Akten, erzählt seine Ehefrau Ingeborg. „Ich habe schon lange resigniert. Mein Mann interessiert sich nun mal am meisten für Politik, das ist seine große Leidenschaft, inzwischen habe ich dafür auch mehr Verständnis.“
Detailversessenes Arbeitstier
Das Verständnis seiner Familie war gefordert: Schäuble gilt als detailversessenes Arbeitstier. Sein Aufstieg in der CDU war langsam, aber stetig. Wegbegleiter beschreiben ihn als loyalen Mann und diskreten Politikmanager. Mehr zufällig wird er im Wendejahr Innenminister und wurde zu einem der Architekten der deutschen Einheit. 25 Jahre später wird er sagen, das war der bewegendste Moment in meinem politischen Leben.
Doch Wende und Einheit sind für Schäuble immer auch mit einem großen persönlichen Tiefschlag verbunden. Am 12. Oktober 1990 schießt ein psychisch kranker Mann Schäuble bei einer Wahlkampfveranstaltung nieder. Eine Augenzeugin erinnert sich: „Er hat den Kopf gehoben, mich angeblickt und gesagt, er fühlt seine Füße nicht.“
Verfechter der Schwarzen Null
Schäuble selbst spricht wenig über diese Erfahrung. Er will nicht Opfer sein, sondern Macher. Gerne wäre er Bundespräsident geworden, doch die Kanzlerin hat das verhindert. Doch sie holt ihn 2005 zurück in die erste Reihe: Schäuble wird Bundesinnenminister, macht als Hardliner von sich Reden. Klare Worte, die manche als demütigend empfinden, bezieht er auch danach. Als Finanzminister wird er Merkels Manager der Euro-Krise, fordert Griechenland unermüdlich zum Sparen auf. Und bleibt doch ein glühender Verfechter Europas. „Ein jeder kehrt vor seiner Tür und sauber ist das Stadtquartier. Wir Europäer haben einen Haufen zu kehren.“
Schäubles Autorität wird gebraucht
Immer wieder mahnt er Reformen an. Und hütet den Staatshaushalt mit badischer Disziplin. Die schwarze Null ist auch sein Verdienst. Geschätzt wird Schäuble über die Parteien hinweg, auch ob der Autorität des Alters. Er wird sie brauchen in einem Parlament, in dem erstmals rechte Abgeordnete sitzen. Schäubles Job besteht darin, die Sitzungen neutral zu leiten. Er selbst gibt sich gelassen, sagt: Jeder Abgeordnete ist dem Grundgesetz verpflichtet. Der Rechtsstaat gelte für alle. Keine Angst also. So wie er immer Politik gemacht hat.
Quelle: Martin Mair, „Wolfgang Schäuble – der Zurückkämpfer“, MDR Aktuell Online, 24. Oktober 2017. Online verfügbar unter: https://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/schaeuble-wird-bundestagspraesident-100.html.