Kurzbeschreibung

Die Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866 war das entscheidende Gefecht im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 und brachte Preußen einen folgenschweren Sieg. Vor dem Krieg war die öffentliche Meinung in Deutschland nicht auf Bismarcks Seite. Er war in einen Verfassungskonflikt mit den liberalen Abgeordneten im preußischen Landtag verwickelt, und sein Kurs wurde von einigen als zu reaktionär und von anderen als zu liberal angesehen. Man meinte zudem, er setze Preußens Schicksal leichtsinnig aufs Spiel, weil Österreich als die stärkere Militärmacht eingestuft wurde. In dem folgenden Text kann man nachlesen, wie die öffentliche Meinung sich durch Preußens überwältigenden Militärerfolg praktisch über Nacht zu ändern schien. Lediglich zwei Tage nach Königgrätz verfasst, stammt diese Schilderung aus einem Brief Wilhelm von Kügelgens (1802–1887), eines Künstlers und Kammerherrn im kleinen deutschen Herzogtum Anhalt-Bernburg, an seinen Bruder Gerhard. Kügelgen erwähnt Ludwig August von Benedek (1804–1881), den Kommandeur der österreichischen Nordarmee im Preußisch-Österreichischen Krieg.

„Bismarck ist jetzt der populärste Mann in Preußen“: Wilhelm von Kügelgen nach der Schlacht von Königgrätz (5. Juli 1866)

  • Hartmut Kaelble

Quelle

[Ballenstedt, Anhalt-Bernburg]. Am 5. Juli. [] Benno war gestern durch lauter flaggende Städte gekommen mit unermeßlichem Jubel, weil sich die Nachricht von einem neuen entscheidenden Siege bei Königgrätz verbreitet hatte. Auch soll die Post noch gestern Abend amtlich davon benachrichtigt worden sein, daß 8 Armeecorps an der Schlacht theil genommen und Benedek aufs Haupt geschlagen sei. Prag soll in preuß. Händen sein. Wenn das wahr ist – So eben die Zeitung; telegraphische Depesche des Königs an die Königin vom 3. Juli: „Großer Sieg über die Oestreicher [sic]. Alle 8 Corps 8 Stunden lang im Feuer; Oestreicher total geschlagen. Massen von Trophäen noch nicht zu übersehen. Unsere Verluste bedeutend. Wir sind Alle wohl; Gottes Gnade walte ferner über uns.“ – Es ist eine unerhörte Kraftentwicklung. Seit dem 27sten Juni alle Tage Schlachten, endlich dieser Sieg, der dem Kampfe vielleicht wesentlich ein Ende macht. Die Armee hat eine Vortrefflichkeit gezeigt wie man sie nicht geahnt hatte, von keiner Seite. Selbst die gerühmte oestreich. Cavallerie von der preußischen bei jedem Zusammentreffen geworfen. Bismarck ist jetzt der populärste Mann in Preußen. Alles schwärmt für ihn, auch die Demokraten. Ich hoffe er bringt uns ein einiges Deutschland zu Stande. Daneben Geheul und Wehklagen in den meisten Familien. Leicht waren diese Siege nicht; viel, sehr viel Blut geflossen. Aus Ballenstädt müssen noch 6 Offiziere an den Schlachten bei Gitschin und Königgrätz theil genommen haben, außerdem viele nächste Verwandte hiesiger Familien – von allen diesen noch keine Nachricht. Unser Haus ist den ganzen Tag überströmt von theilnehmendem Besuche aus allen Ständen. Das thut ja wohl; aber – ach unser Gerhard! – Drei liebe Kinder sind nun weg. O Herr mein Gott! wie es so bitter weh thut! – und die arme Braut, die immer so heldenmüthige Briefe schrieb – wie wird sie nun geknickt sein. Ich kann nicht weiter schreiben. Seid alle herzlich umfangen.

Wilhelm

Quelle: Wilhelm von Kügelgen an seinen Bruder Gerhard, 5. Juli 1866, in Wilhelm von Kügelgen, Bürgerleben. Die Briefe an den Bruder Gerhard 1840–1867, herausgegeben und eingeleitet von Walther Killy. München: C. H. Beck, 1990, S. 999–1000; abgedruckt in Wolfgang Piereth, Hrsg., Das 19. Jahrhundert. Ein Lesebuch zur deutschen Geschichte 1815–1918, 2. Aufl. München: C. H. Beck, 1997, S. 134–35.