Quelle
Ich bin entschlossen, zur Verbesserung der Lage der deutschen Arbeiter die Hand zu bieten, soweit die Grenzen es gestatten, welche Meiner Fürsorge durch die Nothwendigkeit gezogen sind, die deutsche Industrie auf dem Weltmarkte konkurrenzfähig zu erhalten und dadurch ihre und der Arbeiter Existenz zu sichern. Der Rückgang der heimischen Betriebe durch Verlust ihres Absatzes im Auslande würde nicht nur die Unternehmer, sondern auch die Arbeiter brotlos machen. Die in der internationalen Konkurrenz begründeten Schwierigkeiten der Verbesserung der Lage unserer Arbeiter lassen sich nur durch internationale Verständigung der an der Beherrschung des Weltmarktes beteiligten Länder, wenn nicht überwinden, doch abschwächen. In der Überzeugung, daß auch andere Regierungen von dem Wunsche beseelt sind, die Bestrebungen einer gemeinsamen Prüfung zu unterziehen, über welche die Arbeiter dieser Länder unter sich schon internationale Verhandlungen führen, will Ich, daß zunächst in Frankreich, England, Belgien und der Schweiz durch Meine dortigen Vertreter amtlich angefragt werde, ob die Regierungen geneigt sind, mit uns in Unterhandlungen zu treten Behufs einer internationalen Verständigung über die Möglichkeit, denjenigen Bedürfnissen und Wünschen der Arbeiter entgegenzukommen, welche in den Ausständen der letzten Jahre und anderweit zu Tage getreten sind. Sobald die Zustimmung zu Meiner Anregung im Prinzip gewonnen sein wird, beauftrage Ich Sie, die Kabinette aller Regierungen, welche an der Arbeiterfrage den gleichen Antheil nehmen, zu einer Konferenz Behufs Berathung über die einschlägigen Fragen einzuladen.
Wilhelm I. R. [König und Kaiser]
Quelle: Erlaß Kaiser Wilhelms II. an den Reichskanzler vom 4. Februar 1890, Reichs- und Staatsanzeiger, Nr. 34 (5. Februar 1890); abgedruckt in Ernst Rudolf Huber, Hrsg., Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, 3. bearb. Ausg., Bd. 2, 1851–1900. Stuttgart: Kohlhammer, 1986, S. 510–11.