Quelle
I. Rede Bismarcks zur Indemnitätsvorlage im Abgeordnetenhaus (1. September 1866)
Je aufrichtiger die Königliche Regierung den Frieden wünscht, um so mehr fühlen ihre Mitglieder die Verpflichtung, sich jedes Eingehens auf retrospektive Kritik zu enthalten, sei es Abwehr, seien es Angriffe. Wir haben in den letzten vier Jahren unseren Standpunkt von beiden Seiten häufig mit mehr oder weniger Bitterkeit oder Wohlwollen vertreten, keiner hat es in den vier Jahren vermocht, den andern zu überzeugen. Jeder hat geglaubt, recht zu handeln, wenn er so handelte, wie er es that. Ein Friedensschluß würde auch in den auswärtigen Verhältnissen schwerlich jemals zu Stande kommen, wenn man verlangte, daß ihm von einem von beiden Theilen vorhergehen sollte das Bekenntniß: „Ich sehe es jetzt ein, ich habe unrecht gehandelt“. Wir wünschen den Frieden, nicht weil wir kampfunfähig sind in diesem innern Kampf, im Gegentheil, die Fluth fließt in diesem Augenblick mehr zu unsren Gunsten als vor Jahren; wir wünschen ihn auch nicht, um einer etwaigen künftigen Anklage auf Grund eines künftigen Verantwortlichkeits-Gesetzes zu entgehen; ich glaube nicht, daß man uns anklagen wird, ich glaube nicht, daß, wenn es geschieht, man uns verurtheilen wird, und wie dem auch sein möge, man hat dem Ministerium viele Vorwürfe gemacht, den der Furchtsamkeit noch nicht.
Wir wünschen den Frieden, weil unserer Meinung nach das Vaterland ihn im gegenwärtigen Augenblicke in höherem Grade bedarf, als früher; wir wünschen ihn und suchen ihn namentlich deshalb, weil wir glauben, ihn im gegenwärtigen Moment zu finden; wir hätten ihn früher gesucht, wenn wir früher hätten hoffen können, ihn zu finden; wir glauben ihn zu finden, weil Sie erkannt haben werden, daß die Königliche Regierung den Aufgaben, welche auch Sie in Ihrer Mehrzahl erstreben, nicht so fern steht, wie Sie vielleicht vor Jahren gedacht haben, nicht so fern steht, wie das Schweigen der Regierung über Manches, was verschwiegen werden muß, Sie zu glauben berechtigen konnte.
Aus diesem Grunde glauben wir den Frieden zu finden, und suchen ihn ehrlich; wir haben Ihnen die Hand dazu geboten und der Kommissionsvortrag giebt uns die Bürgschaft, daß Sie in diese Hand einschlagen werden. Wir werden dann die Aufgaben, die uns zu lösen bleiben, mit Ihnen in Gemeinschaft lösen; ich schließe von diesen Aufgaben Verbesserungen der inneren Erfüllung der in der Verfassung gegebenen Zusagen keineswegs aus. Aber nur gemeinsam werden wir sie lösen können, indem wir von beiden Seiten erkennen, daß wir von beiden Seiten demselben Vaterlande mit demselben guten Willen dienen, ohne an der Aufrichtigkeit des Andern zu zweifeln.
In diesem Augenblick sind aber die Aufgaben der auswärtigen Politik noch ungelöst, die glänzenden Erfolge der Armee haben nur unsern auf dem Spiele stehenden Einsatz gewissermaßen erhöht, wir haben mehr zu verlieren, als vorher, aber gewonnen ist das Spiel noch nicht; je fester wir im Innern zusammenhalten, desto sicherer sind wir, es zu gewinnen.
[…]
Wenn man oft gesagt hat: Was das Schwert gewonnen hat, hat die Feder verdorben, so habe ich das volle Vertrauen, daß wir nicht hören werden: Was Schwert und Feder gewonnen haben, ist von dieser Tribüne vernichtet worden.
Quelle: Verhandlungen des preußischen Abgeordnetenhauses, 1866/67, Bd. 1, S. 173–74; abgedruckt in Ernst Rudolf Huber, Hrsg., Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, 3. bearb. Aufl., Bd. 2, 1851–1900. Stuttgart: W. Kohlhammer, 1986, S. 101–2.
II. Indemnitäts-Gesetz (14. September 1866)
Artikel I
Die dem gegenwärtigen Gesetz als Anlagen
beigefügten Übersichten der Staats-Einnahmen und Ausgaben sollen
für die Jahre 1862, 1863, 1864 und 1865 statt des
verfassungsmäßigen und alljährlich vor Beginn des Etatjahres zu
vereinbarenden Staatshaushalts-Gesetzes als Grundlagen für die
Rechnungslegung und die Entlastung der Staatsregierung dienen.
Artikel II
Der Staatsregierung wird in Bezug auf die seit
dem Beginn des Jahres 1862 ohne gesetzlich festgestellten
Staatshaushalts-Etat geführte Verwaltung, vorbehaltlich der
Beschlußfassung des Landtages über die Entlastung der
Staatsregierung nach Vorlegung der Jahresrechnungen, Indemnität
ertheilt, dergestalt, daß es rücksichtlich der Verantwortlichkeit
der Staatsregierung so gehalten werden soll, wie wenn die
Verwaltung in der erwähnten Zeit auf Grund gesetzlich
festgestellter und rechtzeitig publizirter Staatshaushalts-Etats
geführt worden wäre.
Artikel III
Die Staatsregierung wird für das Jahr 1866 zu
den Ausgaben der laufenden Verwaltung bis zur Höhe von 154
Millionen Thaler ermächtigt.
Artikel IV
Die Staatsregierung ist verpflichtet, eine
Nachweisung über die Staats-Einnahmen und Ausgaben des Jahres 1866
im Laufe des Jahres 1867 dem Landtage vorzulegen.
Wilhelm.
Graf v. Bismarck-Schönhausen. Freiherr v. d.
Heydt. v. Roon.
Graf v. Itzenplitz. v. Mühler. Graf zur
Lippe. v. Selchow.
Graf zu Eulenburg.
Quelle: „Gesetz betreffend die Ertheilung der Indemnität in Bezug auf die Führung des Staatshaushalts vom Jahre 1862 ab und die Ermächtigung zu den Staatsausgaben für das Jahr 1866, 14. September 1866“, in Preußische Gesetzsammlung, 1866, S. 563; abgedruckt in Ernst Rudolf Huber, Hrsg., Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, 3. bearb. Aufl., Bd. 2, 1851–1900. Stuttgart: W. Kohlhammer, 1986, S. 102–3.