Kurzbeschreibung

War die höhere Schulbildung für Jungen als Vorbereitung zum Universitätsstudium (zu dem Frauen in Deutschland erst Anfang des 20. Jahrhunderts zugelassen wurden) konzipiert, so vermittelte die Schulbildung für Mädchen gewöhnlich wenig mehr als Grundkenntnisse. Den Erinnerungen einer privilegierteren Schülerin zufolge, die die Geselligkeit eines protestantischen Gymnasiums ihrer örtlichen katholischen Schule vorzog, vermittelte lediglich der Unterricht in deutscher und französischer Grammatik nützliches Wissen für das praktische Leben.

Katholische und protestantische Mädchenschulen (Ende 1880/90er Jahre)

  • Else Strack

Quelle

Mit 6 Jahren kam ich in die städtische katholische Schule in der Sankt-Apern-Straße, ganz in unserer Nähe gelegen. Es war ein großer, dunkler Ziegelsteinbau, der Schulhof von hohen Mauern umgeben. Dunkelbraune Bänke, alte mürrische Lehrer, keinerlei Turnen oder Sport, alles freudlos. Es bleibt mir aus den Jugendjahren in Schule und Elternhaus der Eindruck übergroßer Ängstlichkeit um die Gesundheit. Wir Kinder mußten Watte in den Ohren tragen, zur Verhütung von Erkältungen. Waren wir einmal gefallen, so sollten wir nicht mehr laufen und springen. Eine Halsentzündung brachte mir das Verbot fürs geliebte Schwimmen in der Deutzer Badeanstalt.

Voller Bereitschaft strömte ich in den ersten Schuljahren den Gefährtinnen zu. Es wurden oft Enttäuschungen. Zudem verbot der Vater, für meinen Sinn in überschätzender Bedeutung seiner Familie, jeden Verkehr mit Kindern von Handwerkern oder Kleinbürgern. So blieb ich in dieser Schule isoliert. In Einsicht, daß Kameraden mir Lebensbedürfnis waren, gab die gute Mutter mich nach wenigen Jahren in die evangelische Schule in der Antoniterstraße. Dort herrschte eine freundliche, lebensfrohe Atmosphäre. Wir konnten turnen und spielen auf dem freien, hellen Schulhof. Der Schulweg war weiter. Ich eilte und kam trotzdem meist zu spät. Die damalige Beförderungsmöglichkeit, die Pferdebahn[1], fuhr nur in einem Rundkreis durch die Stadt. Das arme Pferd! Jeder Beliebige, der einsteigen wollte, winkte. Das Pferd mußte halten und schwer wieder anziehen. Überraschte ein Schneegestöber die Fahrt, so wurde das Pferd ausgeschirrt und zum Stall gebracht. Die Menschen stapften mühsam und beschwerlich heim, und es gab damals weit öfter Schnee und Eis in Köln als heute.

[] Was ich in den Schuljahren [auf dem Lyzeum] lernte, obgleich ich als eine der Besten galt, war minimal. „Raumlehre ist die Lehre vom Raum“, so begann jede Physikstunde. [] In der Geschichte erlernte und erlebte ich nur zwei Perioden: Die alten Griechen und in späteren Klassen die Zeit Friedrichs des Großen. Von einem Welt- oder Kulturbild keine Rede. Ebenso lernte ich Geographie erst im späteren Leben an der Seite meines gebildeten Mannes und durch Reisen mit ihm. In der Deutschstunde die Aufsätze – „Der Apfelbaum“, „Die Weinlese“ – noch heute stehen mir die kindlichen Bilder, die vor der Klasse aufgehangen wurden, vor Augen. In den oberen Klassen war die Zerpflückung Schiller’scher Dramen die Forderung. Was ich fürs Leben lernte, sind die Kenntnisse der deutschen und der französischen Grammatik.

Anmerkungen

[1] Von Pferden gezogener, auf Schienen laufender Wagen—das erste öffentliche Nahverkehrsmittel, das seit Mitte der 1890er Jahre durch die elektrischen Straßenbahnen mit festen Haltestellen abgelöst wurde. [Kommentar aus Flemming, Saul und Witt, Hrsg. (1977). Siehe Quellenangabe am Ende dieses Dokuments.]

Quelle: Else Strack, Ein Leben aus der Erinnerung erzählt für Familie und Freunde. Als Manuskript gedruckt. Köln, 1959, S. 6–8; abgedruckt in Jens Flemming, Klaus Saul und Peter-Christian Witt, Hrsg., Quellen zur Alltagsgeschichte der Deutschen 1871–1914. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1977, S. 190–91.