Quelle
Das deutsche Parlament ist das einzige in der Welt, in welchem die Minister und ihre Vertreter mit dem Säbel an der Seite erscheinen und mit der Hand auf dem Degenknauf ihre Reden halten. Bei etwas lebhaften Regungen in der Debatte geschieht es auch, daß unwillkürlich diese Stützung der Hand auf dem Schwertgriff sich zu einer charakteristischen Geberde gestaltet. Auch diese Eigentümlichkeit unserer repräsentativen Zustände entbehrt nicht des tiefen Sinnes. Im Gegenteil, sie ist noch viel bedeutungsvoller als der Stucco di lustro, von dem man behauptet, daß er sich leicht loslöse und bei Erschütterungen den Abgeordneten auf die Köpfe fallen könne.
Es ist viel darüber geklügelt worden, warum Fürst Bismarck seiner Erscheinung in Staatsgeschäften die stereotype Gestalt des Reiteroffiziers gegeben habe. Er selbst hat gelegentlich in Privatgesprächen allerhand untergeordnete Zweckmäßigkeitsgründe dafür angeführt. Aber er wußte sehr wohl, warum er es in Wirklichkeit that. Trotzdem der Zauber seiner Kraft gewiß nicht in der Uniform lag, hat diese ihm doch Dienste dabei geleistet. Und diese Äußerlichkeit hat, wie Alles, was von ihm ausging, auch ihre Wirksamkeit über das Ganze erstreckt.
Quelle: Ludwig Bamberger, Gesammelte Schriften, Bd. 5, Politische Schriften von 1879 bis 1892. Berlin: Rosenbaum & Hart, 1897, S. 333; abgedruckt in Gerhard A. Ritter, Hrsg., Das Deutsche Kaiserreich 1871–1914. Ein historisches Lesebuch, 5. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1992, S. 110.