Kurzbeschreibung
Gegen Ende der 1880er Jahre hatte Max Liebermann (1847–1935) sich
daran gewöhnt, von Kunstkritikern wegen der seinerseits über Jahre
hinweg demonstrierten Sympathien für soziale Belange angegriffen zu
werden. Obwohl seine ersten naturalistischen Gemälde aus den 1870er
Jahren in Hamburg, Berlin und Paris weithin ausgestellt wurden, waren
sie kritisiert worden, weil sie trostlose und „unwesentliche“
Alltagsszenen in ländlichem Rahmen darstellten. Wenn solche Kritiker zur
Wertminderung seiner Werke beitrugen, schmerzte der Stachel noch mehr.
Dieses Bild beispielsweise erwarb Alfred Lichtwark 1889 für die
Hamburger Kunsthalle um nur 1.000 Mark – nachdem es auf der Berliner
Freilichtmalerausstellung im Februar und auf der Pariser Weltausstellung
im Sommer desselben Jahres gezeigt worden war. Während die enge
Freundschaft der beiden Männer diese Transaktion erleichtert haben mag,
enttäuschte der niedrige Preis Liebermann gewiss dennoch.
Erinnerungen an François Millets
Ährenleserinnen (1857) wachrufend,
präsentiert das Gemälde eine windgepeitschte Landschaft, in der arme
Holländerinnen Fischernetze flicken. Ihre zermürbende Arbeit,
widergespiegelt in der Körperhaltung und dem Gesichtsausdruck der Figur
im Vordergrund, nötigt Liebermann Sympathie und Respekt ab, besonders
wenn man bedenkt, dass Frauen aus der Unterschicht damals gewöhnlich in
melodramatischen, komischen oder tragischen Situationen dargestellt
wurden. Die Kraft der Natur ist hier ebenfalls offenkundig. Großzügige
Pinselstriche vermitteln einen Eindruck von Wind und Licht, die von den
wogenden Wolken herab die ganze Leinwand durchfluten. Bestimmte Details,
die das Auge ablenken und den Gesamteindruck beeinträchtigen könnte,
werden bewusst vermieden, obwohl die Gesichter alles andere als
undeutlich sind. Dieser Stil wurde kritisiert, weil er dem Werk
Liebermanns (und anderer deutscher Impressionisten) eine skizzenhafte,
„unvollendete“ Qualität verlieh – die für die traditionalistischen
deutschen Bürger schwer zu verstehen oder zu akzeptieren war. Liebermann
beabsichtigte jedoch nicht, die Natur selbst zu malen; vielmehr war er,
wie er es einmal ausdrückte, daran interessiert, die Ideen und Gefühle,
die er aus der Natur ableitete, so überzeugend wie möglich
darzustellen.