Kurzbeschreibung
Das Gründungsdatum des Deutschen Reiches, MDCCCLXXI (d.h. 1871) und
die Worte „Der deutschen Kunst“ sind als Inschrift am Giebel der Alten
Nationalgalerie in Berlin angebracht. Tatsächlich war dieser „Tempel“
für eine geeinte deutsche Nationalkunst vor der Reichsgründung entworfen
– und beinahe errichtet – worden, obwohl er erst am Geburtstag Kaiser
Wilhelms I. im März 1876 eingeweiht wurde. Erbaut nach Plänen von
Friedrich August Stüler (1800–1865), der seinerseits nach einer Skizze
des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. arbeitete, wurde die
Nationalgalerie zwischen 1865 und 1876 errichtet. (Stüler war ein
Schüler eines weiteren großen Architekten der klassischen Berliner
Stadtmitte, Karl Friedrich Schinkel.) Die Entstehungsgeschichte der
Sammlungen in der Galerie ging der Reichseinigung zeitlich ebenfalls
erheblich voraus, denn sie waren das Resultat eines Vermächtnisses aus
dem Jahr 1861 von 262 Gemälden des 19. Jahrhunderts, die der Bankier
Konsul Joachim Wagener 1815 zu sammeln begonnen hatte.
Nichtsdestoweniger war es die Absicht hinter der Errichtung der
Nationalgalerie – sowohl vor als auch nach 1871 und von Liberalen und
Künstlern gleichermaßen geteilt –, der staatlichen Pflicht zur
Ausstellung nationaler Kunst nachzukommen, sie der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen sowie Deutschlands größten lebenden Künstlern
Aufträge und Anerkennung zu verschaffen. Dieses Mandat wurde dem ersten
Direktor der Nationalgalerie, dem Kunsthistoriker Max Jordan,
aufgegeben, auf den im Februar 1896 Hugo von Tschudi folgte. Preußens
klare Entschlossenheit, die Führungsrolle bei der Glorifizierung der
„deutschen“ Kunst zu übernehmen, wurde 1886 signalisiert, als eine
Reiterstatue Friedrich Wilhelms IV. auf der zum Museumseingang führenden
doppelten Freitreppe aufgestellt wurde. Heute sind diese Statue und die
Galerie selbst ein Teil der berühmten Berliner „Museumsinsel“. Das hier
gezeigte Foto stammt aus dem Jahr 1974.