Quelle
Du wirst wohl zurück sein und meinen Brief erhalten haben. Wir sind hier jetzt in großem Telephontrubel! [Generalpostdirektor Heinrich von] Stephan erhielt gleichzeitig mit den unsrigen ein Paar amerikanische durch den Engländer (Deutsch-Engländer, der hergeschickt ist), welches leider besser geht als das von Euch gefertigte und auch besser als die unsrigen. Es sind kleine Konstruktionsdetails! Damit wurden neulich bei einem Diner bei Stephan Versuche gemacht, mit den unsrigen im Saal und mit den amerikanischen zwischen seinem Hause und der Hauptstation. Letzteres ging mit zwei unterirdischen Leitungen sehr gut. Darauf ist nach Potsdam, dann nach Brandenburg noch recht schön und deutlich gesprochen, gesungen worden usw. Nach Magdeburg wollte es nicht mehr gehen. Faktum, daß man mit unterirdischer Doppelleitung noch auf 10 deutsche Meilen deutlich sprechen kann! Das ist allerdings sehr überraschend. Stephan ist ganz wild und seine Beamten auch. Wir arbeiten gleich tüchtig darauf los, da alle Welt welche haben will! Ich habe auch schon Verbesserungen in Arbeit, von denen ich mir viel verspreche. Es beginnt damit eine neue Ära für unterirdische Leitungen, und es wäre sehr gut, wenn Ihr der Konstruktion billiger (dünner) Leitungen Eure ganze Aufmerksamkeit zuwendetet. Übermorgen geht es mit Stephan und seiner Suite (worunter auch ein englischer Ingenieur des post office und Millitzer aus Wien) nach Kiel, um Sprechversuche zwischen Kiel, Berlin und Frankfurt a.M. zu machen. Dann ein von uns gegebenes Diner in Bellevue von etwa 40 Gedecken. Oberpräsident und alle ersten Beamten! Der Rußschreiber und der neue Doppelstift (Schwarzschreiber) arbeiten brillant. Ersterer gibt ganz sicher und schön 1400 Worte per Stunde. Erfolg wird gut sein.
Stephan hat vor, jedem Berliner Bürger womöglich ein Telephon zu jedem anderen zur Disposition zu stellen!
Quelle: Werner von Siemens, Brief an seinen Bruder Karl von Siemens in London (30. Oktober 1877), in Wolfgang Piereth, Hrsg., Das 19. Jahrhundert. Ein Lesebuch zur deutschen Geschichte 1815–1918, 2. Aufl. München: C.H. Beck, 1997, S. 70–71.