Kurzbeschreibung

Dieser Bericht in der Deutschen Zeitung vom 15. Oktober 1847 fasst die Ergebnisse der Diskussionen süddeutscher und rheinisch-preußischer Liberaler zusammen, die in Heidelberg am 10. Oktober 1847 zusammenkamen und als Antwort auf das Offenbacher Programm der radikalen Demokraten vom 12. September 1847 eine Umgestaltung der politischen Ordnung, nämlich die Schaffung eines deutschen Nationalstaats auf der Grundlage des preußisch dominierten Zollvereins forderten. Sie plädierten zudem für erweiterte Bürgerrechte und die Abschaffung von Leibeigenschaft und Feudalismus.

Die Liberalen: Das Heppenheimer Programm der südwestdeutschen Liberalen (10. Oktober 1847)

Quelle

Was nun zunächst die Förderung der Nationalanliegen durch gemeinsame Leitung und Vertretung betrifft, so war man darüber einig, daß von der Bundesversammlung, wie sie gegenwärtig besteht, nichts Ersprießliches zu erwarten sei. Dieselbe hat ihre in der Bundesakte vorgezeichnete Aufgabe, soweit sie die Herstellung landständischer Verfassungen, freien Handels und Verkehrs, der Flußschiffahrt, des freien Gebrauchs der Presse, usw. betrifft, nicht gelöst; die Bundesmilitärverfassung hat weder eine allgemeine Volksbewaffnung, noch ein gleichmäßig organisiertes Bundesheer geliefert. Dagegen ist die Presse unter Zensurzwang gestellt, sind die Verhandlungen der Bundesversammlung in Dunkel gehüllt, aus welchem von Zeit zu Zeit Beschlüsse zutag kommen, welche jeder freien Entwicklung Hindernisse in den Weg legen. Das einzige Band gemeinsam deutscher Interessen, der Zollverein, wurde nicht vom Bunde, sondern außerhalb desselben, durch Verträge zwischen den einzelnen Staaten geschaffen; auch die Verhandlungen über ein deutsches Wechselrecht und einen Postverein werden nicht vom Bunde, sondern von Bevollmächtigten der Einzelregierungen gepflogen. An diese und ähnliche Betrachtungen knüpfte sich die Frage: ob eine Vertretung der Nation bei der Bundesversammlung Besserung bewirken und daher als Strebeziel der Vaterlandsfreunde aufzustellen sei? Für die Bejahung sprach die Empfänglichkeit der Gemüter für den erhebenden Gedanken, die Erwägung, daß nur bei dem gegebenen Organ der Bundesregierungen eine Vertretung aller Bundesstaaten zu begründen möglich sei, und die Erwartung, daß die erstarkende öffentliche Meinung auch die Verwirklichung erzielen und damit die Bahn zu einer deutschen Politik und einer kräftigen Entwicklung aller geistigen und materiellen Hilfsquellen der Nation eröffnet werde. Dem entgegen wurde ausgeführt, daß, bei aller Erhabenheit des Gedankens, doch eine Aussicht auf Verwirklichung nicht vorhanden sei. Der Bund enthalte Glieder, die als zugleich auswärtige Mächte, wie Dänemark und Niederland, sich mit einer deutschen Politik und der Stärkung deutscher Macht niemals befreunden würden; andere, die wenigstens nicht ausschließlich deutsche Mächte sind, und wieder Gebietsteile enthalten, die zwar, wie Ostpreußen, deutsch sind, aber nicht zum Bunde gehören. Ferner bedinge eine Nationalvertretung auch eine Nationalregierung, ausgerüstet mit den Befugnissen der obersten Staatsgewalt, die bei dem völkerrechtlichen Bunde nicht vorhanden ist. Das Ziel der Einigung Deutschlands zu einer deutschen Politik und gemeinsamer Leitung und Pflege nationaler Interessen werde wohl eher erreicht, wenn man die öffentliche Meinung für die Ausbildung des Zollvereins zu einem deutschen Vereine gewinne. Hier habe man schon eine, wenn auch mangelhafte, Verwaltung, welche die Verbesserungen, deren sie dringend bedarf, und eine Vertretung von Notabeln, die von den Kammern und andern Körperschaften der Vereinsstaaten zu wählen seien, zur Seite erhalten könnte. Jetzt schon habe der Zollverein die Leitung einer Reihe wichtiger gemeinschaftlicher Interessen in Händen und stehe auch in Vertragsverhältnissen zu auswärtigen Staaten. Hier liege sonach der Keim einer Vereinspolitik, durch keine fremden Glieder gestört, und den Zoll- und Handelsverhältnissen würden sich andere verwandte Interessen anreihen, z. B. das Transportsystem von Land- und Wasserstraßen, gleiche Besteuerung, besonders für Verbrauchssteuern, Gewerbeverfassung, Marine, Konsulate, Handelsgesetz u. dgl. Durch solche Ausbildung zur Macht geworden, werde der deutsche Verein eine unwiderstehliche Anziehungskraft für den Beitritt der übrigen deutschen Länder üben, endlich auch den Anschluß der österreichischen Bundesländer herbeiführen und somit eine wahre deutsche Macht begründen. Dieser Gedankengang, den wir natürlich hier nur andeuten können, der aber bis ins einzelne besprochen und erörtert wurde, vereinigte endlich alle Meinungen, doch mit der Erweiterung, daß zwar vorzugsweise auf die Ausbildung des Zollvereins und eine Vertretung seiner Bevölkerung im Zollkongreß durch Notable hinzuwirken, aber auch keine andere Gelegenheit, welche Zeit und Ereignisse bringen mögen, unbenutzt zu lassen sei, um die Idee der deutschen Einigung zu stärken. Unbestritten blieb, daß die Mitwirkung des Volkes durch gewählte Vertreter hierbei unerläßlich, und unbezweifelt, daß bei dem Entwicklungsgang des Jahrhunderts und Deutschlands die Einigung durch Gewaltherrschaft unmöglich, nur durch die Freiheit und mit derselben zu erringen sei. So wie nach dieser Verständigung jeder Anwesende in sich die Verpflichtung fühlte, in diesem Sinne sowohl persönlich in seiner öffentlichen Stellung als bei Freunden nach Kräften und bei jedem Anlaß zu wirken, ebenso ergab sich eine erfreuliche Übereinstimmung der Gesinnungen bezüglich auf die Anträge, welche in allen deutschen Kammern möglichst gleichlautend, doch mit Rücksicht auf die eigentümlichen Verhältnisse der einzelnen Staaten, zu stellen seien. Die Entfesselung der Presse, damit die Deutschen der ungehemmten Wirksamkeit dieses mächtigsten Bildungsmittels teilhaftig und von der Schmach befreit werden, die ihnen das Ausland so häufig ins Gesicht wirft, weil sie eines der höchsten Güter freier Völker, das ihnen längst verheißen ist, noch nicht errungen haben; öffentliches und mündliches Gerichtsverfahren mit Schwurgerichten, Trennung der Verwaltung von der Rechtspflege, Übertragung aller Zweige der Rechtspflege, der Administrativjustiz und der Polizeistrafgewalt an die Gerichte und Abfassung zweckmäßiger Polizeistrafgesetze, Befreiung des Bodens und seiner Bearbeiter von mittelalterlichen Lasten, Selbständigkeit der Gemeinden in der Verwaltung ihrer Angelegenheiten, Minderung des Aufwandes für das stehende Heer und Einführung einer Volkswehr u. a. kamen zu ausführlicher Besprechung; ebenso die verfassungsmäßigen Mittel, welche geeignet sind, den gerechten Ansprüchen des Volkes Nachdruck zu geben. Vorzugsweise aber nahmen auch die Mittel gegen Verarmung und Not, sowie das damit im Zusammenhang stehende Steuerwesen Zeit und Aufmerksamkeit der Versammlung in Anspruch. Da jedoch so wichtige und umfassende Gegenstände nicht in wenigen Stunden zur Vereinigung über bestimmte Vorschläge, wie sie über Leitung des Armen- und Unterrichtswesens, über Einkommensteuer usw. vielfach gemacht wurden, geführt werden konnten, so wurde aus Abgeordneten verschiedener Länder eine Kommission ernannt, um im nächsten Jahre über das Steuerwesen und die Zustände der ärmeren Klassen im Zusammenhang zu berichten und Anträge zu bringen, wobei besonders die gerechte Verteilung der öffentlichen Lasten zur Erleichterung des kleineren Mittelstandes und der Arbeiter zu berücksichtigen ist.

Quelle: Deutsche Zeitung, Heidelberg, 15. Oktober 1847; abgedruckt in Ernst Rudolf Huber, Hrsg., Deutsche Verfassungsdokumente 1803–1850, Band 1, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, dritte neubearbeitete und vermehrte Auflage. Stuttgart: W. Kohlhammer, 1978, S. 324–26. Wiedergabe auf dieser Website mit freundlicher Genehmigung des Kohlhammer Verlags.