Kurzbeschreibung

Der außerhalb Deutschlands kaum bekannte Carl Blechen (1798–1840) gehört zu den am meisten unterschätzten Künstlern in der Geschichte der Malerei des 19. Jahrhunderts. Zu spät geboren, um ein Pionier der romantischen Malerei zu sein, machte ihn sein Temperament zu dessen größtem Ironiker. Als Folge einer Kombination typisch „romantischer“ Leiden—einschließlich Depressionen, Alkoholismus und vermutlich Syphilis—lebte er unglücklicherweise nicht lang genug, um den ganz Europa umfassenden Triumph des malerischen Realismus über den romantischen Mythos des Vorrangs der künstlerischen Imagination zu erleben. Blechen, ein Autodidakt und sehr wechselhafter Künstler, war zuerst stark von den dunkleren Aspekten der Werke Caspar David Friedrichs beeinflusst, in denen er seine Themen von der Kontemplation und Melancholie zum Furchterregenden und Grotesken verschob. Einen weiteren Einfluss stellte Schinkel dar, der dem aufsteigenden Künstler half, eine Anstellung als Bühnenbildner beim Königsstädtischen Theater—einem 1824 gegründeten Theater für Boulevardkomödien—zu erhalten. Es war die perfekte Aufgabe für einen Maler, der die gesamte Welt von Natur aus als eine Bühne betrachtete und der angesichts der meisten romantischen Themen—sei es gotische Architektur oder die italienische Landschaft—niemals der Versuchung unterlag, den Betrachter in eine illusionäre Welt zu versetzen oder die Leinwand als Fenster zu einer dahinter liegenden Welt zu benutzen.

Obwohl Blechen später, wie Menzel, hauptsächlich für den Teil seines Werkes gerühmt wurde, der aufgrund seiner flüchtigen Ausführung und alltäglichen Authentizität den post-impressionistischen Geschmack ansprach, steht seine erstaunliche Modernität tatsächlich in der besten Tradition des großen romantischen Experiments. Wie viele deutsche Schriftsteller (z.B. E. T. A. Hoffman und Jean Paul Richter)—jedoch wenige deutsche Maler—der Spätromantik war Blechen sehr reserviert gegenüber der Behauptung der Hochromantiker, Kunst könne der Schöpfung gleichkommen. Seine Kompositionen mit ihren unüberwindbaren Felsvorsprüngen, bühnenbildartigen hohen Mauern, christlichen Pilgern, die schlafen anstatt zu meditieren und italienischen Bauern, die als Maria und Josef verkleidet sind, zeugen allesamt von einem skeptischen Spott (den der zeitgenössische Kunstkritiker Gustav Schöll als seinen „poetischen Zynismus“ bezeichnet hat) angesichts der Möglichkeit einer nahtlosen romantischen Darstellung, die in der Lage sei, den vollkommenen, erhabenen Glanz einer künstlerischen Vision einem anderen Geist mitzuteilen.

Der ironische Unterton der spätromantischen Literatur ist in Blechens Das Innere des Palmenhauses auf der Pfaueninsel (1832–34) deutlich zu erkennen. Das Gemälde (eines von mehreren Versionen) wurde von Friedrich Wilhelm III. in Auftrag gegeben und stellt ein Gewächshaus dar, das 1831 von Schinkel entworfen wurde, um die große Sammlung exotischer Pflanzen zu beherbergen, die der König kurz zuvor in Paris erworben hatte. Der Ankauf der Pflanzen selbst ist beispielhaft für zwei wichtige Impulse jener Ära: wissenschaftliche Neugier und das Verlangen nach exotischen Erlebnissen außerhalb der Sphäre des Gewöhnlichen. Blechen verbindet beides perfekt: seine fast übermäßig detailreiche Darstellung der Flora dient der Dokumentation der Sammlung, während die stark sinnliche Atmosphäre einschließlich träger Haremsdamen einen orientalischen Zauber verbreitet, der an Tausend und Eine Nacht erinnert (das um diese Zeit von Christian Maximilian Habicht ins Deutsche übersetzt wurde). Allerdings sind die Tontöpfe und gusseisernen Gitter der Heizungsschächte die am meisten hervorstechenden Elemente des Vordergrundes—womit Blechen deutlich macht, dass trotz aller berauschenden Atmosphäre und üppigem Pflanzenwuchs das bildliche Paradies von Menschenhand gemacht und sehr begrenzt ist. Der wahre Romantiker ist in sich widersprüchlich: was er mit der einen Hand erschafft, zerstört er mit der anderen.

Carl Blechen, Das Innere des Palmenhauses auf der Pfaueninsel (1832–34)

  • Carl Blechen

Quelle

Quelle: Original: Hamburger Kunsthalle, Inv.-Nr.: HK-1324. Online verfügbar unter: https://online-sammlung.hamburger-kunsthalle.de/en/objekt/HK-1324

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