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Einige Mittel, mit denen man heutzutage Deutschland helfen kann.
Unter andern Mißständen, die jetzt nach dem verderblichen „Evangelium“ Luthers in Deutschland um sich greifen, stehen folgende nicht an letzter Stelle, durch welche die Zahl der Katholiken von Tag zu Tag kleiner wird, nämlich eine völlige Unwissenheit im Glauben, die Unkenntnis der Kirche und deren Verachtung. Ferner ist nicht nur das Leben der Laien verderbt, sondern auch das des ganzen Klerus und vor allem der Prälaten und der Ordensleute. Diese Mißstände zerstören neben der Häresie den Rest der Kirche wie „Eber aus dem Walde“ (Ps 79, 14), so daß es ohne rechtzeitige Gegenmaßnahmen unmöglich wird, die Katholiken vor dem Abfall zurückzuhalten oder die Häretiker wieder zu gewinnen.
Dadurch wird dieses Übel fast unheilbar, daß der niedere und höhere Klerus die römische Kirche nicht als Mutter und Oberhaupt aller Kirchen anerkennen und nicht auf ihre Mahnung und Lehre hören will; wenn die ganze Gemeinschaft auf sie hörte, wie es recht wäre, und auf ihr Geheiß hin alles geordnet würde, dann würden sicher die Mauern Jerichos zusammenstürzen und der Sieg würde für Israel errungen. Zwar hat nun diese Wunde wie ein Krebs gewuchert, so daß man scheinbar keine Gegenmaßnahmen mehr dulden will; aber man muß doch Mittel dagegen suchen und versuchen, mit denen man so vielen und großen Mißständen begegnen kann, damit das Unkraut ausgerissen werde und die Frucht wachse und überreich in die Scheunen des Herrn geborgen werde. Von diesen Gegenmitteln will ich nur jene ganz kurz anführen, die man vielleicht eher hinnimmt, weil sie leichter sind, die aber doch einmal sicher große Frucht hervorbringen.
1. Das erste und nächstliegende Mittel ist – damit hat unser Heiliger Vater ja schon den Anfang gemacht –, daß er weiterhin für einen guten Unterricht der deutschen Jugend in verschiedenen Seminarien sorgt, die er auf seine Kosten bauen lassen möge. Zwar hilft das bereits errichtete Deutsche Kolleg in Rom schon viel zu diesem Ziel. Weil aber die Kosten dort höher sind und viele das Klima nicht ertragen und immer wieder krank werden, und wegen anderer Ungelegenheiten scheint es ratsamer zu sein, in Rom selbst nur eine kleine Zahl von Deutschen zu behalten und mehrere Seminarien in Deutschland selber zu errichten. Denn so könnten viel mehr Studenten untergebracht werden, viel leichter wäre die Erziehung zur wahren christlichen Haltung, in der wissenschaftlichen Ausbildung würden sie rascher vorwärtskommen, und der Apostolische Stuhl würde in Deutschland mehr bekannt und mehr geehrt. Aus derartigen Seminarien würden sicher nicht nur gelehrte, sondern auch in jeder Hinsicht erprobte junge Leute hervorgehen. So würden die Unwissenheit und die Sorge für materielle Vorteile und die Sittenlosigkeit verschwinden, und die übrigen darauf folgenden Übelstände würden abgestellt. Wenn diese einmal behoben sind, was darf man dann nicht für Deutschland erwarten! Die unscheinbaren Anfänge des Wiener Seminars sind dafür ein Beispiel.
2. Das zweite Mittel ist, daß der Heilige Vater mit den deutschen Bischöfen über die Errichtung solcher Seminare verhandelt, bis sie endlich etwas in Angriff nehmen. Wenn die Prälaten keine ganzen Seminarien bauen können oder wollen, dann sollte jeder wenigstens für acht, zehn oder mehr Studenten in einem der päpstlichen Seminare aufkommen. Diese sollen neben der scholastischen Theologie und den aktuellen Kontroversfragen besondere Vorlesungen über Gewissensfälle hören; hier ist ja die Unwissenheit am größten. Besondere Sorge soll man auch auf den Lebenswandel haben, und daß die Trunksucht, eine Wurzel vieler Mißstände in Deutschland, beseitigt werde. Denn was für eine Tragödie ist gewöhnlich ein schlechtes Leben mit dem Schein von Gelehrsamkeit!
3. Ein anderes Mittel ist, die Männerklöster in ihren früheren Stand zurückzuführen und zu reformieren; denn sie bringen ja in guter Ordnung viel Gutes hervor, aber ebenso viele Mißstände, wenn sie in Unordnung sind. Aber um das fertigzubringen – besonders bei den derzeitigen unruhigen Verhältnissen – wird es viel Arbeit kosten. Man könnte aber damit in einer Provinz Deutschlands den Anfang machen, indem von anderswoher gute Ordensleute dorthin geschickt würden mit Zustimmung der weltlichen Fürsten. Außerdem würde es ganz entsprechend sein, wenn man den Alumnen der Seminare nicht nur die Möglichkeit gäbe, sondern sie auch dazu anhielte, in einen Orden einzutreten. Denn da sie ja gut erzogen und ausgebildet aus den Seminarien kommen, können sie leicht die Klöster, in die sie eintreten, wenn auch nicht sofort, so doch im Laufe der Zeit reformieren. Das scheint ein ziemlich wirksames Mittel zu sein, was auch die gemachten Erfahrungen bestätigen.
4. Die meisten Bischöfe sind infolge ihrer Unkenntnis des Kirchenrechts kirchlichen Zensuren verfallen; davon will ich gar nicht reden, daß ein guter Teil von ihnen nicht durch die Türe, sondern anderswie sich eingeschlichen hat. […] Daher wird es am besten sein, wenn der Papst sie einmal von allen Zensuren freispräche oder wenigstens anordnete – da sie ja doch wieder bald in die gleiche Lage zurückfallen werden –, was jene tun sollen, die sich nicht von einem Bischof, der – wie sie wissen – mit kirchlichen Zensuren behaftet ist, weihen oder andere Sakramente spenden lassen wollen, da sie ja sonst denselben Strafen verfielen.
5. Vor allem in Österreich und Böhmen gibt es sehr viele Äbte und Ordensobere, die nie Mönche waren noch rechtmäßig gewählt sind. Als Laien werden sie von einem weltlichen Fürsten eingesetzt, ziehen sich ein Ordensgewand an und legen am gleichen Tag die Profeßgelübde ab, ohne vom Apostolischen Stuhl eine Bestätigung oder Dispens zu erbitten oder zu erhalten. Die Fürsten nehmen den größten Teil der Einkünfte für sich, und die als Obere eingesetzten Laien leben wie die Weltleute und erlauben auch ihren Untergebenen, so zu leben, und daher entstehen so viele Ärgernisse, die man kaum aufzählen kann. Ob es nicht ratsam wäre, daß der Heilige Vater mit den Fürsten verhandelte, damit sie in Zukunft derartige Ernennungen bleiben lassen oder daß wenigstens das Präsentationsrecht nur unter der Bedingung zugestanden werde, daß sie sich an die Forderungen des Trienter Konzils halten?
6. Selten visitieren die Bischöfe ihre Diözesen, noch seltener erreicht eine Visitation einen Nutzen. Dies kommt vor allem daher, daß sie nicht wissen, was zu verbessern und was anzuordnen ist, oder weil ihnen der nötige Eifer und die geistige Schwungkraft zur Erreichung des Notwendigen fehlt. Daher wäre es gut, wenn der Heilige Vater darüber wenigstens mit einigen Bischöfen verhandelte und gelehrte Männer auswählte, die der Aufgabe einer Visitation gewachsen und voll Eifer für Gott sind und sich durch Lauterkeit ihres Lebens auszeichnen. Diese sollten die Vollmacht des Apostolischen Stuhles haben, von den meisten Zensuren und kirchlichen Strafen loszusprechen, und mit den Bischöfen oder deren Generalvikaren die Diözesen und möglichst auch die Klöster visitieren, eingeschlichene Mißbräuche abstellen und die außer Übung gekommenen heiligen Gewohnheiten und Gebräuche bezüglich Kleidung und Tonsur der Geistlichen, Schmuck der Kirchen, Feier der heiligen Messe und der Spendung der Sakramente wieder einführen. Daraus wird man lernen, wie die Visitation einer Diözese durchzuführen ist, und in Zukunft werden dann öfters derartige Visitationen mit Erfolg abgehalten. Viel wird zu diesem Ziel beitragen, wenn auf Befehl des Papstes eine Anleitung zur Visitation einer Diözese verfaßt würde, die man dann den einzelnen Bischöfen Deutschlands zuschicken sollte. Um die Visitation durchzuführen und die Anleitung zu verfassen, ist es aber vorher notwendig, von erfahrenen Männern sich vollständige Kenntnis über die verderblichen Mißbräuche zu verschaffen, die sich in die Ordenshäuser und den Klerus eingeschlichen haben. Es ist nicht leicht, diese alle aufzuzählen.
7. Großer Schaden erwächst daraus, daß allenthalben ohne jede Auswahl ganz Unwürdige geweiht und als Pfarrer eingesetzt werden. Grund dafür ist der Mangel an Geistlichen und die Unwissenheit und Nachlässigkeit der Prälaten. Der ersten Wurzel des Übels wird leicht mit der Errichtung der Seminare begegnet, die zweite wird dadurch behoben, daß auf Geheiß seiner Hlt. eine Prüfungsordnung für Weihekandidaten und für solche, die als Pfarrer eingesetzt werden sollen, herausgegeben und den Bischöfen übersandt wird.
8. Da wir aus der Werkstätte Satans täglich viele Bücher erscheinen sehen, die mit ihrem Gift das arme Volk verführen, wird es von großem Nutzen sein, wenn vom Apostolischen Stuhl einige ausgezeichnete Männer ausgewählt werden, die die Bücher der Häretiker, die größeren Schaden anrichten, vor allem die Institutionen Calvins und die Verurteilung des Trienter Konzils durch Chemnitz widerlegen und bekämpfen sollten. Zu diesem Zweck wird es auch ganz entsprechend sein, wenn vom Papst eine Druckerei errichtet oder mit der Herausgabe betraut würde.
9. So viele verfallen Zensuren und dem Apostolischen Stuhle vorbehaltenen Strafen, daß man dies kaum mehr für eine läßliche Sünde hält. Da es sehr schwer ist, diese dazu zu bringen, vom Apostolischen Stuhl – man hat oft direkt einen Schrecken vor ihm oder man will gar nicht mehr mit ihm in Verbindung treten – die Absolution oder Dispens zu erbitten, scheinen zwei Hilfsmittel notwendig, um den Seelen vieler, die das Joch des Gehorsams noch nicht ganz abgeschüttelt haben, zu helfen. Zunächst sollen die päpstlichen Nuntien beim Kaiser sich in den Kontroversfragen auskennen, mehr als nur mittelmäßig die lateinische Sprache beherrschen, klug, milde und eifrig sein und von tadellosem Lebenswandel und ohne jeden Anschein von Habsucht. Ihnen sollen weitgehende Vollmachten für die Absolution und zur Gewährung von Dispensen erteilt werden, und sie sollen auch befugt sein, diese Vollmachten anderen zu übertragen. Zweitens, weil es schwer und beinahe unmöglich ist, die Leute hier dazu zu bringen, daß sie sich, wenn schon nicht nach Rom, so doch an den Apostolischen Nuntius wenden, müßte der Papst in verschiedenen Gegenden Deutschlands einige bewährte und gelehrte Männer als Vertreter haben, denen er ebenfalls weitgehende Vollmachten erteilen sollte. Denn den Bischöfen, die an einer nicht zu überbietenden Unwissenheit in all diesen Fragen leiden, die Vollmachten zu geben, hieße nicht dispensieren, sondern Gnaden vergeuden.
10. Nicht leicht kann einer den elenden Zustand Deutschlands und seine Notlage überschauen und verstehen, wenn er sie nicht mit eigenen Augen gesehen und aus Erfahrung sie kennengelernt hat. Deshalb wäre es nützlich, um viele Fragen richtig zu entscheiden und die deutschen Angelegenheiten beim Apostolischen Stuhl rascher und leichter abzuwickeln, wenn der Papst aus dem Kardinalskollegium einen, der sich in den Verhältnissen Deutschlands auskennt, als Sekretär für die Angelegenheiten der nördlichen Länder bestimmte. An diesen sollten dann die Nuntien und andere schreiben und sich an diesen wenden und so eine schnellere Erledigung der Geschäfte erlangen, damit sie nicht so lange auf Antwort vom Staatssekretär, der sonst schon genug Arbeit hat, warten müssen.
Anhang zum Brief vom Sommer 1576 an Giovanni Kardinal Morone.
Der Heilige Vater, dem Deutschland so viel verdankt, wird sich offensichtlich um Deutschland noch mehr verdient machen, wenn er weiterhin – wie ich oben schon ausführte – wenigstens drei Apostolische Nuntien dort beläßt. Diese können sicher viel dazu helfen, daß die durchweg schlafmützigen Bischöfe aus ihrem tiefen Schlaf aufgeweckt und die katholischen Fürsten in ihrer Glaubenstreue bestärkt werden. Allerdings sähen es die deutschen Bischöfe und Fürsten gerne, wenn öfters Nuntien aus ihrem eigenen Land zu ihnen entsandt würden; denn einerseits würden sie lieber in deutscher als in lateinischer Sprache sich mit ihnen besprechen und ihre Meinung äußern – viele können nämlich kaum mehr lateinisch reden – und andererseits schenken sie gewöhnlich andern Nationalitäten weniger Vertrauen. Vielleicht könnte es mit der Zeit möglich gemacht werden, daß wenigstens „geheime Nuntien“, die Deutsche sind, die Fürsten und Bischöfe aufsuchen oder als Berater den andern Nuntien beigegeben werden.
Meines Erachtens muß man das Hauptaugenmerk darauf richten, daß die schweren Mißstände abgestellt werden, die von den Kathedralkirchen ausgehen und den ganzen deutschen Klerus anstecken. Wenn diese Ursache so vieler Mißstände nicht behoben wird, besteht keinerlei Hoffnung mehr, in Deutschland gute Bischöfe und Prälaten zu finden, die man ja jetzt aus dem ganz verkommenen Adel nehmen muß.
Manche sind sogar der Meinung, der Apostolische Stuhl hätte jetzt entschieden mehr Grund, die Privilegien, die dem deutschen Adel für die Besetzung der Stellen an den Kathedralkirchen gewährt wurden, zu widerrufen, als er früher zur Gewährung dieser Privilegien hatte. Denn diese machen den ganzen Klerus im Volke verhaßt. Die Domherren maßen sich aufgrund dieser Privilegien unerträgliche Rechte an, vagabundieren wie Kriegsleute ohne jede Zucht und Ordnung und erregen so überall Ärgernis über Ärgernis.
Wenn aber die mißliche Zeitlage es augenblicklich nicht gestattet, daß die Adeligen aus den Domkapiteln entfernt oder doch von Grund her reformiert werden, so verlangt doch die besondere Notlage jetzt nach Maßnahmen, damit in Zukunft keine häretischen Adeligen mehr in die Domkapitel der Kathedralkirchen zugelassen werden und daß die, die bereits in den Domkapiteln sitzen, bei den Bischofswahlen kein aktives oder passives Wahlrecht haben. Um das zu erreichen, sollte man nach meiner Meinung die Vorschläge der kaiserlichen Majestät und der Erzbischöfe anhören. Die Wahl guter Bischöfe wird auch dadurch sehr erleichtert, daß sie ungehindert und nach dem Kanonischen Recht vonstatten geht und nicht mit Abmachungen und Klauseln belastet wird, wie sie jetzt gang und gäbe sind und sich so ungünstig auswirken. Dadurch werden ja die Bischöfe wie mit Ketten gefesselt und sind in ihrem Amt bei Visitationen und bei der Reform des Klerus allzusehr gebunden.
Außerdem wäre es notwendig, diesen adligen Domherren klarzumachen, welche Eigenschaften die zu wählenden Bischöfe haben müssen, und daß in Zukunft eine Wahl von Rom nur dann bestätigt wird, wenn sie vorschriftsmäßig stattfindet. Die Unwissenheit der Neugeweihten ist nämlich besonders kraß in den Fragen des Kanonischen Rechtes und der Kirchendisziplin.
Wie gesagt, werden die Bischöfe gewöhnlich aus der verkommenen Adelsschicht gewählt; vor der Bestätigung der Wahl durch den Apostolischen Stuhl sollte also nicht bloß das Votum der Domherren, sondern auch das Urteil anderer Priester berücksichtigt werden. Und bei der Bestätigung sollten die Neugeweihten auf folgende Punkte hingewiesen und geradezu darauf verpflichtet werden:
Sie dürfen niemanden weihen und niemandem eine Pfründe übertragen, der nicht zuvor das Glaubensbekenntnis abgelegt hat.
Ebenso müssen sie das Glaubensbekenntnis von ihren Räten und Beamten verlangen. Und jeder muß in seiner Umgebung einen in der Theologie und im Kirchenrecht bewanderten Geistlichen haben, dessen Rat er in schwierigen Fällen und bei Entscheidungen in Anspruch nehmen kann.
Sie dürfen keinen verheirateten oder häretischen Priester in ihrem Klerus dulden; eine besondere Sorgfalt müssen sie bei der Zulassung von Beichtvätern anwenden, die nur dann die Absolution geben dürfen, wenn der Pönitent seine Sünden einzeln gebeichtet hat.
Die Spendung der Firmung und der Krankenölung soll in den Sprengeln wieder aufgenommen werden, in denen sie außer Übung gekommen sind. Nirgendwo darf die Kommunion unter beiden Gestalten eingeführt werden, und, wo sie bereits üblich ist, soll sie nach Möglichkeit wieder abgeschafft werden.
Wo kein eigenes Priesterseminar ist, soll ein neues errichtet werden, oder der Bischof soll wenigstens acht bis zehn Alumnen an einer katholischen Universität studieren lassen.
Häretiker dürfen nicht auf dem Kirchhof beigesetzt werden.
Unser Heiliger Vater muß meines Erachtens die neugeweihten Bischöfe auf diese und noch viele andere Punkte vor allem deshalb hinweisen, weil man in Deutschland darauf nur mehr wenig Wert legt und alles hingehen läßt. Die Kirchenzucht liegt hier ganz im argen, und eine kanonische Visitation der Pfarreien wird kaum mehr durchgeführt.
Die Kirche kann vonseiten der Universitäten große Hilfe erfahren, wofern diese reformiert werden. Deshalb soll der Heilige Vater die maßgebenden Männer auffordern, damit besonders die theologischen Fakultäten und Priesterseminarien Berücksichtigung finden. Damit würde sich auch der Mangel an Seelsorgsgeistlichen und Ordensleuten, der in Deutschland besonders groß ist, leicht beheben lassen, wenn wenigstens einige freigewordene Pfründen und andere Einkünfte zu diesem guten Zweck verwendet würden. Es ist ja wirklich traurig, daß die Katholiken in Deutschland nur mehr so wenige und noch dazu ganz armselige Universitäten haben.
Was nun die katholischen Fürsten angeht, so ist vor allem dafür zu sorgen, daß sie sich mit den Bischöfen vertragen und daß endlich die Streitereien zwischen kirchlicher und weltlicher Verwaltung aufhören, wie sie in mehreren Städten seit langem üblich sind. Dadurch wird nämlich nicht nur die Freiheit der Kirche und ihre Jurisdiktion in ganz beträchtlichem Ausmaß behindert, sondern das Anliegen der Religion überhaupt erleidet dadurch großen Schaden, und die Sekten und Häresien ziehen daraus ihren Nutzen. Bei diesem Anliegen könnte auch die kaiserliche Majestät viel helfen, oder man müßte im Einverständnis mit beiden Parteien die Streitfragen einem Schiedsgericht übertragen.
Beklagenswert ist ferner die Willkür katholischer Fürsten und Adliger, die Kirchengut und Klerus über alle Maßen besteuern und bedrängen, wie man es allenthalben erleben kann. Aber darin kann man vielleicht die Strafe Gottes sehen, durch die der Klerus wegen seiner Ausschweifung und anderer Mißstände gemaßregelt werden soll. Die Fürsten suchen sich mit der althergebrachten Gewohnheit zu entschuldigen, die aber eher ein Mißbrauch ist, und entziehen sich, wo sie nur können, der Autorität der Bischöfe, auch in Fragen, die der kirchlichen Gewalt unterliegen.
Weil der Ordensstand in Deutschland unmittelbar vor dem Ruin steht, sind meines Erachtens die höchsten Ordensobern in Rom mit allem Nachdruck darauf hinzuweisen: wenn sie nicht in einem bestimmten Zeitraum die sich in Auflösung befindenden Klöster unterstützen und die notwendigen Ordensleute schicken, haben sie sich darüber klar zu sein, daß diese Klöster mit allen ihren Einkünften anderen guten Zwecken zugeführt werden. Es ist eine Schande und ein Verhängnis für die katholische Kirche, wenn Ordensleute in derartiger Üppigkeit leben und sich nicht um die Pflichten ihres Standes kümmern und für alles andere, nur nicht für das Ordensleben Zeit haben. Es wäre besser, rechtzeitig diese der Frömmigkeit geweihten Stätten für Priesterseminarien zu verwenden, als daß sie von den Häretikern übernommen oder von der weltlichen Gewalt zu profanen Zwecken herangezogen werden. Es wäre auch ganz gut, den Generalobern in Rom nahezulegen, sie sollten Seminare ihres Ordens in Italien gründen und junge Deutsche dorthin berufen, die dann nach einer guten Ausbildung zu Obern der deutschen Klöster ernannt werden können. Und wenn die deutschen Klöster dazu einen finanziellen Beitrag liefern, würde dieser Plan sich noch leichter durchführen lassen.
Es gibt einige Klöster und Kollegiatstifte, die Stätten der Trunksucht und der Ausschweifung sind und so dem Volk großes Ärgernis geben. Möchten doch solche Krankheitsherde ganz ausgemerzt werden, wenn sie nicht die heilende Hand des Arztes an sich heranlassen!
Um die Reform in Deutschland zu betreiben, hilft vielleicht auch, daß die schlimmsten Mißbräuche und Mißstände beim Klerus, die besonders die Aufmerksamkeit des gewöhnlichen Volkes erregen, schriftlich und kurz zusammengefaßt würden. Darüber sollte dann seine Eminenz, der Herr Legat, mit den Vertretern der vier Erzbischöfe in freundlicher Weise verhandeln, damit diese nämlich ihm ihre Ansicht mitteilten, wie diese ungeheure und nicht mehr länger zu ertragende Verderbnis in den deutschen Kirchen zu beheben sei, bevor das schal gewordene Salz gänzlich hinausgeworfen und zertreten wird.
Außerdem könnte man dann ebenfalls bei den Erzbischöfen nachfragen, wie nach ihrer Meinung der augenblickliche Stand der Kirche bei so großen Gefahren und Verfolgungen ungeschmälert erhalten werden könne, besonders in den Gegenden, wo die unmittelbar angrenzenden Häretiker eine besondere Gefahr und Bedrohung darstellen wie z. B. in den Sprengeln Westfalens; ferner in welchen Diözesen den Bischöfen Koadjutoren beigegeben werden sollten; schließlich welche Städte vor allem eine sofortige Unterstützung durch katholische Prediger brauchen, damit sie nicht ganz vom Glauben abfallen, und wie diese Städte sonst noch in ihrem Glauben bestärkt werden können, sei es durch die Autorität der kaiserlichen Majestät oder durch Rat und Tat seitens der Metropoliten und der zuständigen Bischöfe.
Wenn man über diese und ähnliche Punkte einmal mit den Erzbischöfen in allem Ernst spricht, werden sie vielleicht doch die Gelegenheit wahrnehmen, hier in Regensburg oder in ihrer Residenz die Dinge zu überdenken, Visitationen abzuhalten, zu mahnen und irgendwie einmal mit der Reform zu beginnen. Danach schreien ja sozusagen die argen und jammervollen Mißstände beim Welt- und Ordensklerus; ihretwegen wird jedes Kirchenamt und sogar der Name Gottes bei Katholiken wie bei Häretikern geschmäht und gelästert. So weit ist es schließlich gekommen, daß die Männer der Kirche – wenn sie auch die äußerste Not und den Untergang der Kirche unmittelbar bevorstehen sehen – trotzdem fest schlafen und ohne jede Furcht weiter sündigen und mit Wissen und Willen zugrunde gehen.
Christus möge die Blinden in dieser großen Finsternis erleuchten, die über Deutschland gekommen ist.
Quelle: Albrecht P. Luttenberger, Hrsg., Katholische Reform und Konfessionalisierung. Darmstadt: WBG, 2006, S. 313–21.