Kurzbeschreibung

Nahezu dreißig Jahre nach den Gründungsverträgen proklamierte die Einheitliche Europäische Akte den Abschluss des Gemeinsamen Marktes innerhalb von sechs Jahren. Zusätzlich werden die Zuständigkeiten der EG erweitert, Reformen in den Entscheidungsmechanismen durchgesetzt und eine Wirtschafts- und Währungsunion angestrebt.

Die Einheitliche Europäische Akte (17./28. Februar 1986)

Quelle

Einheitliche Europäische Akte, unterzeichnet von den Außenministern der EG-Mitgliedstaaten in Luxemburg am 17./28. Februar 1986

Titel I. Gemeinsame Bestimmungen

Artikel 1
Die Europäischen Gemeinschaften und die Europäische Zusammenarbeit verfolgen das Ziel, gemeinsam zu konkreten Fortschritten auf dem Wege zur Europäischen Union beizutragen.

Die Europäischen Gemeinschaften beruhen auf den Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft sowie auf den nachfolgenden Verträgen und Akten zur Änderung oder Ergänzung dieser Verträge.

Die Europäische Politische Zusammenarbeit wird durch Titel III geregelt. Die Bestimmungen dieses Titels bestätigen und ergänzen die in den Berichten von Luxemburg (1970), Kopenhagen (1973) und London (1981) sowie in der Feierlichen Deklaration zur Europäischen Union (1983) vereinbarten Verfahren und die Praktiken, die sich nach und nach zwischen den Mitgliedstaaten herausgebildet haben.

Artikel 2
Im Europäischen Rat kommen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie der Präsident der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zusammen. Sie werden von den Ministern für auswärtige Angelegenheiten und einem Mitglied der Kommission unterstützt.

Der Europäische Rat tritt mindestens zweimal jährlich zusammen.

Artikel 3
Die von nun an wie nachstehend bezeichneten Organe der Europäischen Gemeinschaften üben ihre Befugnisse und Zuständigkeiten unter den Bedingungen und im Hinblick auf die Ziele aus, die in den Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften und den nachfolgenden Verträgen und Akten zur Änderung oder Ergänzung dieser Verträge sowie in Titel II vorgesehen sind.

Die für die Europäische Politische Zusammenarbeit zuständigen Institutionen und Organe üben ihre Befugnisse und Zuständigkeiten unter den Bedingungen und im Hinblick auf die Ziele aus, die in Titel III sowie in den in Artikel 1 Absatz 3 genannten Dokumenten festgelegt sind.

Titel II. Bestimmungen zur Änderung der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften

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Unterabschnitt II – Währungspolitische Befugnisse

Artikel 20
1. Im Dritten Teil Titel II des EWG-Vertrages wird das folgende neue Kapitel 1 eingefügt:

„Kapitel 1 Die Zusammenarbeit in der Wirtschafts- und Währungspolitik (Wirtschafts- und Währungsunion)

Artikel 102 a
1. Um die für die Weiterentwicklung der Gemeinschaft erforderliche Konvergenz der Wirtschafts- und Währungspolitiken zu sichern, arbeiten die Mitgliedstaaten gemäß den Zielen des Artikels 104 zusammen. Sie berücksichtigen dabei die Erfahrungen, die bei der Zusammenarbeit im Rahmen des Europäischen Währungssystems (EWS) und bei der Entwicklung der ECU gesammelt worden sind, und respektieren die bestehenden Zuständigkeiten.

2. Sofern die weitere Entwicklung im Bereich der Wirtschafts- und Währungspolitik institutionelle Veränderungen erforderlich macht, findet Artikel 236 Anwendung. Bei institutionellen Veränderungen im Bereich der Währungspolitik werden auch der Währungsausschuß und der Ausschuß der Präsidenten der Zentralbanken gehört.“

3. Die Kapitel 1, 2 und 3 werden zu den Kapiteln 2, 3 und 4.

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Titel III. Vertragsbestimmungen über die Europäische Zusammenarbeit in der Außenpolitik

Artikel 30
Für die Europäische Zusammenarbeit in der Außenpolitik gelten folgende Bestimmungen:

1. Die Hohen Vertragsparteien, die Mitglieder der Europäischen Gemeinschaften sind, bemühen sich, gemeinsam eine europäische Außenpolitik auszuarbeiten und zu verwirklichen.

2.a) Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, einander in allen außenpolitischen Fragen von allgemeinem Interesse zu unterrichten und zu konsultieren, damit sichergestellt ist, daß sie durch Abstimmung, Angleichung ihrer Standpunkte und Durchführung gemeinsamer Maßnahmen ihren gemeinsamen Einfluß so wirkungsvoll wie möglich ausüben.

b) Die Konsultationen finden statt, ehe die Hohen Vertragsparteien ihre endgültige Haltung festlegen.

c) Jede Hohe Vertragspartei trägt bei ihren Stellungnahmen und einzelstaatlichen Maßnahmen den Standpunkten der übrigen Partner in vollem Umfang Rechnung und berücksichtigt in gebührendem Maße die Wichtigkeit der Festlegung und Verwirklichung gemeinsamer europäischer Standpunkte.

Um ihre Fähigkeiten zum gemeinsamen Handeln im Bereich der Außenpolitik zu erweitern, stellen die Hohen Vertragsparteien die schrittweise Entwicklung und die Festlegung gemeinsamer Grundsätze und Ziele sicher.

Die Festlegung gemeinsamer Standpunkte bildet einen Bezugspunkt für die Politiken der Hohen Vertragsparteien.

d) Die Hohen Vertragsparteien bemühen sich, Maßnahmen oder Stellungnahmen zu vermeiden, die ihrer Wirksamkeit als kohärente Kraft in den internationalen Beziehungen oder in internationalen Organisationen schaden würden.

3.a) Die Außenminister und ein Mitglied der Kommission treten mindestens viermal jährlich im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit zusammen. Auch anläßlich der Tagungen des Rates der Europäischen Gemeinschaften können sie im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit außenpolitische Fragen behandeln.

b) Die Kommission wird an der Arbeit der Europäischen Politischen Zusammenarbeit in vollem Umfang beteiligt.

c) Um rasch gemeinsame Standpunkte einnehmen und gemeinsame Maßnahmen durchführen zu können, verzichten die Hohen Vertragsparteien im Rahmen des Möglichen darauf, die Herausbildung eines Konsenses und das gemeinsame Handeln, das hieraus hervorgehen könnte, zu behindern.

4. Die Hohen Vertragsparteien gewährleisten, daß das Europäische Parlament eng an der Europäischen Politischen Zusammenarbeit beteiligt wird. Zu diesem Zweck unterrichtet die Präsidentschaft das Europäische Parlament regelmäßig über die im Rahmen der Arbeit der Europäischen Politischen Zusammenarbeit geprüften außenpolitischen Themen und trägt dafür Sorge, daß die Auffassungen des Europäischen Parlaments bei dieser Arbeit gebührend berücksichtigt werden.

5. Die auswärtigen Politiken der Europäischen Gemeinschaft und die im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit vereinbarten Politiken müssen kohärent sein.

Es fällt unter die besondere Verantwortung der Präsidentschaft und der Kommission, in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich dafür Sorge zu tragen, daß diese Kohärenz angestrebt und aufrechterhalten wird.

6.a) Die Hohen Vertragsparteien sind der Auffassung, daß eine engere Zusammenarbeit in Fragen der europäischen Sicherheit geeignet ist, wesentlich zur Entwicklung einer außenpolitischen Identität Europas beizutragen. Sie sind zu einer stärkeren Koordinierung ihrer Standpunkte zu den politischen und wirtschaftlichen Aspekten der Sicherheit bereit.

b) Die Hohen Vertragsparteien sind entschlossen, die für ihre Sicherheit notwendigen technologischen und industriellen Voraussetzungen aufrechtzuerhalten. Sie setzen sich hierfür sowohl auf einzelstaatlicher Ebene als auch, wo dies angebracht ist, im Rahmen der zuständigen Institutionen und Organe ein.

c) Dieser Titel steht einer engeren Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit zwischen einigen Hohen Vertragsparteien im Rahmen der Westeuropäischen Union und des Atlantischen Bündnisses nicht entgegen.

7.a) In den internationalen Institutionen und auf internationalen Konferenzen, bei denen die Hohen Vertragsparteien vertreten sind, arbeiten diese auf die Annahme gemeinsamer Standpunkte zu Themen, die von diesem Titel erfaßt werden, hin.

b) In den internationalen Institutionen und auf internationalen Konferenzen, bei denen nicht alle Hohen Vertragsparteien vertreten sind, berücksichtigen diejenigen, die dort vertreten sind, in vollem Umfang die im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit vereinbarten Standpunkte.

8. Die Hohen Vertragsparteien führen immer, wenn sie es für notwendig halten, einen politischen Dialog mit Drittländern und regionalen Gruppierungen herbei.

9. Die Hohen Vertragsparteien und die Kommission intensivieren die Zusammenarbeit zwischen ihren in Drittländern und bei internationalen Organisationen akkreditierten Vertretungen, indem sie einander unterstützen und informieren.

10.a) Die Präsidentschaft in der Europäischen Politischen Zusammenarbeit wird von der Hohen Vertragspartei wahrgenommen, die den Vorsitz im Rat der Europäischen Gemeinschaften innehat.

b) Die Präsidentschaft ist verantwortlich für Initiativen, für die Koordinierung und für die Vertretung der Mitgliedstaaten gegenüber Drittländern bei Tätigkeiten, die unter die Europäische Politische Zusammenarbeit fallen. Sie ist ferner verantwortlich für die Führung der Geschäfte der Europäischen Politischen Zusammenarbeit, im besonderen für die Festlegung des Terminplans für die Treffen, ihre Einberufung und Durchführung.

c) Die Politischen Direktoren treten regelmäßig im Politischen Komitee zusammen, um die nötigen Anstöße zu geben, die Kontinuität der Europäischen Politischen Zusammenarbeit zu gewährleisten und die Ministergespräche vorzubereiten.

d) Auf Antrag von mindestens drei Mitgliedstaaten wird innerhalb von 48 Stunden das Politische Komitee oder nötigenfalls ein Ministertreffen einberufen.

e) Die europäische Korrespondentengruppe hat die Aufgabe, entsprechend den Richtlinien des Politischen Komitees über die Durchführung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit zu wachen und Fragen der allgemeinen Organisation zu prüfen.

f) Arbeitsgruppen treten entsprechend den Richtlinien des Politischen Komitees zusammen.

g) Ein in Brüssel eingerichtetes Sekretariat unterstützt die Präsidentschaft bei der Vorbereitung und Durchführung der Arbeit der Europäischen Politischen Zusammenarbeit sowie in Verwaltungsfragen. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben untersteht es der Präsidentschaft.

11. Hinsichtlich der Vorrechte und Immunitäten sind die Mitglieder des Sekretariats der Europäischen Politischen Zusammenarbeit den Mitgliedern der diplomatischen Missionen der Hohen Vertragsparteien am Ort des Sekretariatssitzes gleichgestellt.

12. Die Hohen Vertragsparteien prüfen fünf Jahre nach Inkrafttreten dieser Akte, ob Titel III einer Revision bedarf.

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Quelle: Bundesgesetzblatt, Teil II, 1986, S. 1102f.