Quelle
Strukturplan für das Bildungswesen des Deutschen Bildungsrates vom 13. Februar 1970
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1.4.3. Chancengleichheit
Das Recht auf schulische Bildung ist dann verwirklicht, wenn Gleichheit der Bildungschancen besteht und jeder Heranwachsende so weit gefördert wird, daß er die Voraussetzungen besitzt, die Chancen tatsächlich wahrzunehmen. Der Strukturplan will deshalb darauf hinwirken, daß bestehende Ungleichheiten der Bildungschancen so weit wie möglich abgebaut werden. Dem Bildungssystem soll eine Verfassung gegeben werden, die niemanden durch Zwang zu nicht korrigierbaren Entscheidungen von bestimmten Chancen ausschließt oder auf andere Weise benachteiligt.
Die Chancengleichheit soll nicht durch eine Nivellierung der Anforderungen angestrebt werden. Die Aufgabe ist vielmehr, frühzeitig die Chancenunterschiede der Kinder auszugleichen und später das Bildungsangebot so zu differenzieren, daß die Lernenden ihren Lerninteressen und Lernmöglichkeiten entsprechend gefördert werden und entsprechende Angebote weiterführender Bildung antreffen.
Gleichheit der Chancen wird in manchen Fällen nur durch die Gewährung besonderer Chancen zu erreichen sein.
Die Verbesserung der Bildungschancen wird vorwiegend unter dem Gesichtspunkt gesehen, daß Benachteiligungen aufgrund regionaler, sozialer und individueller Voraussetzungen aufgehoben werden müssen. Die Verbesserung der Bildungschancen erfordert strukturelle und curriculare Anpassungen und im ländlichen Bereich häufig besondere finanzielle Aufwendungen, da dort nicht immer die für eine Chancenverbesserung notwendigen Größenordnungen der Bildungseinrichtungen erreichbar sein werden. Auch von der Bevölkerung wird ein Beitrag zu leisten sein, indem sie unter Umständen weitere Schulwege für die Kinder und den Verzicht auf die ortseigene Schule in Kauf nimmt.
Quelle: „Aus dem Strukturplan für das Bildungswesen des Deutschen Bildungsrates vom 13. Februar 1970“; abgedruckt in: Oskar Anweiler et al., Hrsg., Bildungspolitik in Deutschland 1945–1990. Ein historisch-vergleichender Quellenband. Opladen, 1992, S. 103–04.