Kurzbeschreibung

Bildungsreform und Innovation, angetrieben sowohl von den Grundsätzen der Aufklärung als auch vom Staatsinteresse in der Ära des aufkeimenden Nationalismus, spielten eine maßgebliche Rolle im Reformzeitalter, das die napoleonische Eroberung und Besetzung Deutschlands begleitete. In Baden veranlassten Gebietserwerbungen und die aus dem Zusammenleben von Katholiken, Lutheranern und Calvinisten entstehenden Herausforderungen das folgende Edikt, das einen guten Einblick in die deutschen Bildungsstrukturen und -ideale zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewährt.

Die Reorganisation des Schulwesens in Baden: Edikt erlassen vom Markgrafen Karl Friedrich von Baden (13. Mai 1803)

  • Markgraf (später: Großherzog) Karl Friedrich von Baden

Quelle

Dreizehntes und letztes Organisations Edict

13. Mai 1803

Bei der Verschiedenartigkeit der UnterrichtsAnstalten und Fortschritte, die Wir in denen nun unter Unserer Regierung vereinten Landen finden, und bei dem Hinzukommen einer hohen Schule zu Heidelberg, deren Gemeinnüzigkeit für Unsere Lande, neben einer eigenen zweckmäßigen Einrichtung derselben, auch ein genaues Anschliesen der übrigen BildungsAnstalten für die männliche Jugend fordert, finden Wir nöthig, über die Organisation

der gemeinen und wissenschaftlichen LehrAnstalten

nachstehende allgemeine Anordnung zu treffen:

I.) Die unteren oder TrivialSchulen sind bestimmt, den StadtBürger oder den Landmann in die Kenntniß alles desjenigen zu sezen, was ihm für seinen LebensBeruf als Christ und StaatsBürger zu wissen nothwendig ist, ohne ihn jedoch zu einer GeistesEntwicklung hinaufzuschrauben, wobei seine BerufsArbeit versäumt oder für ihn unschmackhaft würde. Diese bestimmte Begrenzung macht eine doppelte Abtheilung des SchulPlans nach LandSchulen und StadtSchulen nothwendig, da leztere schon erweiterte Anstalten erfordern. Solchem nach

A.) Die LandSchulen betreffend, ist folgendes der Gesichts-Punct, worauf Unsere KirchenCollegien und unter deren Leitung die Beamte oder KirchenVögte und die Specialen, Inspectoren, oder SchulVisitatoren zu arbeiten haben, und wohin in jenen Gegenden, wo der Stand der Schulen noch tiefer steht, nach und nach Alles emporgehoben werden muß, sobald die dazu erforderliche Lehrer dafür zweckmäßig gebildet, und für den etwa weiter erforderlichen Aufwand die Mittel ausfindig gemacht sind.

1.) Aller Orten müssen fortdaurende Schulen d. i. solche welche das ganze Jahr hindurch, und keineswegs nur im Winter, gehalten werden, indem sonst die Kinder immer im Sommer die Hälfte dessen wieder vergessen, was sie den Winter über gelernt haben; [] wobei aber immer dahin zu sehen ist, daß die SchulStunden im Sommer so früh mit den grösseren Kindern gehalten werden, damit noch eine gute Tags-Zeit übrig bleibe, wo sie den Eltern zu ihren häuslichen Geschäften zur Hand seyn können.

2.) Durchgängig müssen die Kinder angehalten werden, vom Anfang des siebenden Jahrs an, als dem bestimmten SchulAlter, bis zu Endigung des dreizehenden bei den Mädchen, und bis zu Endigung des vierzehnten bei den Knaben die UnterrichtsSchule zu besuchen, [] [Das heißt] daß auch die, welche etwa in früheren Jahren schon gut bestehen, dennoch zu hinlänglicher Befestigung des gelegten guten Grundes bis zu jenem Alter darinn verharren müssen; diejenige hingegen, welche bei Erreichung jener Jahre das Nöthige nicht erlernt haben, müssen noch ein weiteres Jahr darinn ausharren, und von diesem längeren Sizen nicht ohne unabweichlich dringende Ursachen befreiet werden.

3.) Muthwillige SchulVersäumnisse, die nemlich nicht durch Krankheit der Kinder oder durch vorübergehende dringende HausGeschäfte, z. B. in der Ernde, Heuet u. s. w. oder durch Krankheiten der Eltern entschuldiget werden [] müssen nicht geduldet, sondern von den SchulAufsehern an den Kindern, wann deren Eigenwille daran schuld ist, oder an den Eltern, wann diese dazu den Kindern den Anlaß gäben, an jenen durch mäßige Züchtigung, an diesen durch kleine GeldStrafen, von 12. bis höchstens 60. Kreuzer, zum OrtsAllmosen oder durch 4. bis 24.stündige Einsperrung ins BurgerHäußlein bestraft werden.

4.) SchulAufseher bei den LandSchulen sind aller Orten der KirchspielsPfarrer, der erste weltliche OrtsVorgesezte und ein KirchenAeltester oder KirchenCensor (wo deren vorhanden sind), die dann hierbei, wo Censur- oder SittenGerichte bestehen nach deren Ordnung durch diese, wo aber keine dergleichen sind, für sich selbst, jedoch gemeinschaftlich, verfahren, und Uns für den jeweilig guten Fortgang des Schulwesens verantwortlich sind.

5.) SchulOberaufseher sind bei den Katholischen Unsere verordnete SchulVisitatoren, bei den Protestanten Unsere Speciale oder Inspectoren, die nicht allein jeweils alle Gelegenheiten benuzen müssen, um Kenntnisse von dem SchulZustand zu erlangen, sondern auch von Zeit zu Zeit, nach denen näher zu gewartenden Vorschriften, die Schulen ihres Bezirks zu visitiren haben.

6.) Lehrgegenstände in diesen UnterrichtsSchulen müßen seyn: a.) Buchstabiren, b.) Lesen, c.) Schreiben der deutschen Sprache, d.) Rechnen, e.) Singen, f.) biblische Geschichte, g.) Materialien des ReligionsUnterrichts, (wohin Wir dasjenige vornemlich rechnen, was mit dem Gedächtniß gefaßt werden muß.)

Zu diesen UnterrichtsSchulen müßen aber auch noch jeden Orts viererlei VollendungsSchulen hinzukommen. Die wichtigste davon

7.) ist die ChristenLehre oder CatechismusLehre d. i. der pfarramtliche Unterricht zu Erweiterung und vernünftiger Benuzung der in der UnterrichtsSchule erlernten Religions-Materialien: hierüber hat die KirchenObrigkeit jedes ReligionsTheils die nähere Anordnung, und Uns genüget also hier nur der Vollständigkeit wegen sie genannt zu haben.

8.) Die IndustrieSchule. In dieser müssen durchaus die Mädchen im Spinnen Stricken und Nähen in besondern Stunden durch aufzustellende Lehrerinnen unterrichtet werden. Wo erstere beede weibliche Arbeiten schon unter den Eltern so gemein sind, daß die Kinder zu Hauße bei den Müttern sie erlernen können, da kann zwar die öffentliche Anordnung des Unterrichts unterbleiben, aber eine jährliche öffentliche Prüfung der Kinder, in welcher sie über ihre darinn erlangte Befähigung Proben ablegen, darf nicht unterlassen werden, damit, wann Fahrläsigkeit der Eltern einrisse, man gleichbalden durch die öffentliche UnterrichtsBestellung wieder eingreife. [] Für die Knaben muß an Orten, wo nicht ein schwerer Feldbau oder dergleichen Arbeit sie das ganze Jahr durch beschäftigt, so viel thunlich, gesorgt werden, daß sie, oder wenigstens die davon nicht leichtlich zu dispensirende arme Knaben, irgend eine der Natur der Gegend angemessene HandArbeit; womit sie in Nothfällen sich helfen und noch irgend einen Erwerb machen können, und wäre es am Ende nur das Stricken, erlernen. []

9.) Die SonntagsSchule, welche von denen der Schule entlassenen Kindern, der Regel nach, bis zum zwanzigsten Jahr, oder wo Gründe sind davon abzuweichen doch wenigstens noch drei Jahre nach der SchulEntlassung, zu besuchen angehalten werden sollen, und welche unter Aufsicht der SchulAufseher, und soviel thunlich unter besonderer Mitwirkung der Pfarrer, die Fortübung in der ReligionsKenntniß, im Gesang, im Lesen, besonders im Lesen der geschriebenen Aufsäze, im Schreiben, besonders auch in Verfertigung eigener, zum gemeinen LebensGebrauch geeigneten kleinen Aufsäze, und im Rechnen, zum Gegenstand hat. Alles nicht in der Maase, daß sie nun die schriftliche Arbeiten in der SonntagsStunde verrichten, sondern daß ihnen desfalls Aufgaben gegeben werden, die sie die Woche über machen, den nächsten Sonntag aber bringen müssen,

[]. Diese Schule soll, (mit Ausnahme jedoch der besonders arbeitsamen Zeiten des Landmanns) das ganze Jahr durch dauern und geht beede Geschlechter an.

10.) Die RealSchule: Diese ist bestimmt, die weltliche UnterrichtsGegenstände der Knaben besser auszubilden. Alle der Schule entlassene Knaben, diejenige ausgenommen, welche auf entfernten Filialien oder Höfen wohnen, oder die ganz arm sind, und deswegen weniger Zeit entbehren können, und weniger Bildung zu ihrem künftigen Fortkommen bedürfen, sollen von der SchulEntlassung an noch drei Jahre lang alle Winter eigene [] Stunden besuchen, um darinn im Rechnen, in Fertigung schriftlicher Aufsäze, im Lesen verschiedenartiger Handschriften, auch durch Vorlesung aus zwekmäsigen VolksUnterrichtsBüchern in angenehmen und gemeinnüzigen Kenntnissen weiter gebracht zu werden; nicht weniger, wo die Schulmeister dazu vermögend und Liebhaber vorhanden sind, einige Vorkenntnisse der practischen Geometrie zu erhalten.

Was sodann

B.) die StadtSchulen anlangt, so müssen

11.) jene in kleineren LandStädten, welche sich nur vom Landbau und gemeinen Handwerken größeren Theils nähren, auf gleichen Fuß behandelt werden, nur daß man, sofern nur immer dazu sich Gelegenheit darbietet, trachten muß, zur geometrischen Zeichnung und zur architectonischen Handzeichnung UnterrichtsAnstalten damit zu verbinden.

12.) In größeren Städten, die sich hauptsächlich mit Gewerben und Kunstfleiß beschäftigen, reicht jene Bildung nicht hin, auch läßt sich die Art der verschiedenen SchulAbtheilungen dort nicht eben so anwenden, dagegen sind daselbst meist schon besondere Institute für beiderlei Geschlechter vorhanden, die alsdann, nach der Diversität ihrer innern Einrichtung und der localen Bedürfnisse, auch verschiedenartige Plane fordern. Wegen deren finden Wir also im Allgemeinen hier nur so viel anzumerken nöthig: Einmal a.) der SchulUnterricht muß hier durchaus mit auf die Geographie wenigstens von den Welttheilen und ihrer völkerschaftlichen Eintheilung überhaupt, sodann von Deutschland und den angränzenden Reichen insbesondere, ingleichen auf die allgemeine WeltGeschichte, wenigstens bis zum Untergang des occidentalischen Kaiserthums, und nachmals die deutsche ReichsGeschichte bis auf die neueste Zeiten, jedoch mit Beschränkung auf HauptEpochen und HauptVorfälle, ausgedehnt werden; [] c.) muß hier vollständig für die vorgedachte beede Gattungen des ZeichenUnterrichts, und vornemlich auch d.) für Aufstellung eines französischen SprachUnterrichts, soweit es die dazu geeignete Fonds erlauben, gesorgt werden. Dabei e.) soll man weiter in HauptStädten sein Augenmerk dahin richten, wie auch ein technologischer Unterricht aufgestellt werden könne, worinn die Kinder die Vorkenntnisse sammeln können, die ihnen zu einstig reifem Nachdenken über ihre Handthierung und deren Vervollkommnung nöthig sind. Wo f.) in der nemlichen Stadt Mittelschulen bestehen, da mag zwar durch Lehrer solcher Mittelschulen dieser erforderliche weitere Unterricht der städtischen RealSchulen besorgt werden, doch so, daß damit eine Vermischung jener BürgerSchulen mit diesen StudienSchulen nicht erfolge, als welche sonst immer zum Nachtheil der Studien auszuschlagen pflegt, und welche daher, wo sie bisher bestanden wäre, abzustellen ist. []

II.) Die MittelSchulen oder untere StudienAnstalten theilen sich ebenfalls in mehrere Zweige, nemlich [] lateinische Schulen, [] Pädagogien, [] Gymnasien, [] endlich Lycäen oder akademische Gymnasien, []. Da nun unsere jezt vereinte Lande MittelSchulen von allen diesen verschiedenen Gattungen enthalten; so ordnen Wir darüber folgendes: []

14.) Die Lycäen sollen aus fünf Classen und einer Exemten-Ordnung bestehen, und sowohl der lezteren Ordnung als jeder der Classen eine Periode von zwei Jahren zur gewöhnlichen Aufenthaltszeit der Lernenden in solcher bestimmt seyn. Die Gymnasien müssen durchaus die nemliche Einrichtung haben, nur daß die ExemtenOrdnung dabei wegfällt, dagegen die Schüler in der obersten Classe gewöhnlich drei Jahre verharren müssen. Die Pädagogien müssen ihre Schüler so weit bringen, daß sie als Anfänger in die oberste Classe eines Gymnasii einzutreten fähig sind, so wie hinwiederum die lateinische Schulen ihre Subjecte so weit befördern müssen, daß solche als Anfänger in die oberste Klasse eines Paedagogii oder in die zweit oberste eines Gymnasii eintretten können. Damit ist nun zwar denen Schülern der lateinischen Schulen oder Pädagogien, die etwa durch besonderes Genie einerseits und durch besondern Fleiß der Lehrer andererseits so weit vorrücken, daß sie eine Stufe höher in den Gymnasien einzutreten befähigt sind, dieser höhere Eintritt nicht benommen, jedoch kann keiner von solchen unteren Anstalten der MittelSchulen mit Vorbeygehung der Gymnasien oder Lycäen unmittelbar die hohe Schule beziehen, sondern muß drei oder wenigstens zwei Jahr auf einem Lycäum oder zwei und besten Falls ein Jahr auf einem Gymnasium noch zugebracht und solche Zeit nüzlich angewandt haben.

15.) Die StudienPlane in diesen Anstalten müssen durchaus gleichförmig gemacht seyn, so daß die Lycäen in ihrem KlassenTheil mit den Gymnasien unter sich, sodann die Pädagogien unter sich, und die lateinische Schulen unter sich parificiren, auch immer die Eingeschränktere dieser Anstalten an die Größere ordentlich anschliesse, mithin bei dem durch Versezung der Eltern nicht selten sich ereignenden Wechsel der Kinder von einer SchulAnstalt in die andere, diese immer wieder ohne Lücke oder Aufenthalt in der andern Anstalt an ihrem verhältnißmäsigen Plaz eintretten können, und haben deshalb die drei KirchenCollegien über die zu erwählende und zu befolgende Plane gemeinsames Einvernehmen zu pflegen, sofort seiner Zeit ihr räthliches einverständliches oder zwiespältiges Bedenken Uns zur endlichen Regulirung vorzulegen, wobei Wir, da die hiesige Anstalt schon die größte Ausbildung hat, dem hiesig evangelisch-lutherischen Kirchenrath die Iniative jenes gemeinsamen Einvernehmens zur Obliegenheit machen. []

17.) Auf den Gymnasien muß nothwendig auch die Grundlegung der griechischen Sprache und auf den Lycäen die Grundlegung der hebräischen unter den Gegenständen des Unterrichts seyn, von welch ersterer alle welche den höheren Studien sich widmen, und von lezterer die künftige Theologen Gebrauch machen müssen.

18.) Von wissenschaftlichem Unterricht darf mehr nicht auf den Lycäen gegeben werden, als allgemeine WeltGeschichte und NaturGeschichte, Logik, allgemeine Vorkenntniß der Metaphysik, nur in sofern sie Anwendung und Uebung der Logik ist, reine Mathematik, Vorkenntniß der angewandten Mathematik und der Physik und encyclopädische Uebersicht des Umfangs der einzelnen FacultätsStudien; alles Weitere muß dem akademischen Unterricht überlassen bleiben.

Was nun diesen akademischen Unterricht selbst anbetrift, so ist

III.) Als hohe LandesSchule die Universität Heidelberg hiermit von Uns erklärt, bestätigt, und neu dotirt: zu dem Ende

19.) haben Wir dieselbe, da sie nur noch wenige Einkünfte und auf diese wegen dem Abgang der überrheinischen Renten so viele Schulden hat, daß die Renten dadurch absorbiret werden, und Wir sie zu Tilgung derselben anzuwenden das zwekmäsigste erachten, nun in der Maase neu begabt und bewidmet, daß zu allen Ausgaben derselben eine jährliche Summe von vierzigtausend Gulden [] unter die disponiblen Ausgaben Unserer GeneralCasse gesezt, und auf die Renten Unserer Pfalzgrafschaft versicherungsweise besonders radicirt seyn soll [].

20.) Da jedoch nicht blos der Staat, sondern ebensowohl die Kirche von dem Unterhalt der hohen LandesSchule Nuzen hat, und das um so mehr, als die zu bildende Geistlichkeit immer die große Mehrzahl der studirenden Jugend ausmacht; da ferner die große Belastung aller StaatsQuellen eine alleinige Uebernahme jener neuen Dotation auf die StaatsCasse nicht möglich läßt, so soll eine Quart jener jährlichen Erfordernisse mit zehentausend Gulden aus denjenigen KirchenStiftungen Unserer sämmtlichen Lande, welche nach Bestreitung ihrer ordentlichen Lasten Ueberschüsse haben, also geschöpft werden, daß die Katholische dazu zwei Fünftheile, mit Viertausend Gulden jährlich, die Evangelisch-Lutherische weiter zwei Fünftheile mit eben soviel, und die Evangelisch-Reformirte endlich ein Fünftheil mit zweitausend Gulden zuschiessen [].

21.) Das GeneralStudium auf dieser gemischten hohen Schule soll den drei christlichen ReligionsPartheien, welche in Deutschland Burgerrecht haben, in der Maase gewidmet seyn, daß zum kirchlichen Fach das KirchenRecht eingerechnet und darinn jeder LehrStuhl doppelt, nemlich mit einem Protestanten und einem Katholiken, jener der Dogmatik und dessen was ihr anhängig ist, aber dreifach, nemlich je mit zwei Lehrern aus den zwei protestantischen Confessionen, besezt seye; in allen übrigen Sectionen aber wird für die LehrStühle, ohne Rüksicht auf die ReligionsEigenschaft, der würdigste Competent in jedem ErledigungsFall von Uns ernannt werden.

22.) In der kirchlichen Section soll beständig Dogmatick, DogmenGeschichte, und Polemick, (wofür drei LehrStühle aus den drei christlichen Confessionen bestimmt sind) sodann theologische Moral, Pastoral-Theologie, Homiletick und Katechetick, beedes theoretisch und practisch, KirchenRecht, KirchenGeschichte, und Exegese des alten und neuen Testaments, sammt der dazu gehörigen SprachAnleitung (wofür sechs weitere LehrStühle, halb für Katholiken halb für Protestanten bestimmt sind) nach protestantischen so wie nach katholischen Grundsäzen gelehrt werden; [].

23.) In der staatsrechtlichen Section soll stetshin RechtsGeschichte, römisches und teutsches Recht, ReichsGeschichte, StaatsRecht, LehenRecht, PeinlichesRecht, auch Staats- und RechtsPraxis vorgetragen werden, welche unter fünf ordentliche Lehrer vertheilt seyn sollen, die daneben bereit seyn müssen, Unterricht zu geben über Alles, was etwa von vorhandenen einzelnen Liebhabern begehrt wird, zur Einsicht in die RechtsVerhältnisse der Regenten und Unterthanen in Bezug auf das deutsche Reich im Ganzen und auf die einzelne Territorien im Allgemeinen, oder auf Unser Kurfürstenthum insbesondere, auch was die RechtsVerhältnisse der Unterthanen untereinander nach ihren verschiedenen Ständen und Lagen betrift.

24.) In der ärztlichen Section, für welche sechs eigene LehrStühle bestehen sollen, und worinn Alles muß erlernt werden können, was auf die Erkenntniß des gesunden und kranken Zustandes sowohl des menschlichen als thierischen Cörpers, auf die Behandlung desselben in gesunden und kranken Tagen, auf die Kenntniß Bereitung und Anwendung der dazu dienlichen inneren und äusseren HeilMittel, endlich auf die Vermeidung oder Beseitigung der in Weg tretenden Hindernisse der Gesundheit Bezug hat; insbesondre aber muß stets, doch zum Theil in schicklichen SemesterAbwechslungen vorgetragen werden: Die Zergliederungs- Nerven- und KnochenLehre, die NaturLehre des menschlichen Körpers, die Gesundheits- und Entbindungs-Lehre, die KrankheitsKunde, innere und äussere HeilKunde, Instrumenten- und BindenKunde, officielle NaturGeschichte und pharmacevtische ScheidungsKunde, endlich die ThierArzneyKunde nach ihrem ganzen Umfang.

25.) Für die staatswirthschaftliche Section sollen drei bis vier Lehrer aufgestellt seyn, welche sich in den Vortrag der ForstWissenschaft, Stadt- und LandWirthschafts- Bergwerks- und FeldMessungs-Kunde, Land- und WasserBauKunst, Kunst- und GewerbsKunde, ScheideKunst, und PolizeyWissenschaft zu theilen haben, [].

26.) Für die allgemeine Section, welche alle Gegenstände der geistigen und sinnlichen Erkenntniß nach ihren allgemeinen Modificabilitäten lehret, [] sollen sechs bis sieben LehrStühle bestehen, unter welche die schönen Wissenschaften, die forschende Weltweißheit (die nemlich mit unsinnlichen Gegenständen sich beschäftigt, als Logik, Metaphysik, NaturRecht, Moral, praktische Philosophie) die anschauende Weltweißheit (als reine und angewandte Mathematik und NaturLehre) die Kenntniß der wichtigsten ErfahrungsGegenstände (durch Statistik, StaatenGeschichte, Cultur- und HandelsGeschichte, NaturGeschichte, Geschichte der Weltweisheit, Erd- und LänderKunde) ausgetheilt werden, und zu welchen als achter Lehrer der in Mannheim anzusezende Universitäts-Astronom hinzukommt, der, nebst der eigenen Beobachtung der Gestirne und Meteore, [].

27.) In der bildenden Section sollen vorhanden seyn, vier ExercitienMeister für Reiten, Fechten, Tanzen, und Zeichnen, und zwei Sprachmeister für englisch, französisch und italiänisch. []

Quelle: Kurfürstlich Badische Landes-Organisation. In 13. Edicten sammt Beylagen, und Anhang. Karlsruhe: Macklot, 1803, S. 1–8. [Einzelpaginierung der Edikte.]; abgedruckt in Walter Demel und Uwe Puschner, Hrsg. Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß 1789–1815, Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Hrsg. Rainer A. Müller, Band 6. Stuttgart: P. Reclam, 1995, S. 349–62.