Kurzbeschreibung

Friedrich II. (der Große, 1712–1786) regierte Preußen von 1740 bis zu seinem Tod im Jahr 1786. Friedrich erbte den Thron von seinem Vater, Friedrich Wilhelm I., der wegen der von ihm veranlassten Verbesserungen der preußischen Militärkapazitäten als „Soldatenkönig“ bekannt war. Dieser von Johann Julius Hacker verfasste königliche Erlass ordnete an, dass die preußischen Untertanen – Männer wie Frauen – eine achtjährige, staatlich finanzierte Ausbildung durchlaufen mussten. Ziel dieses Programms war es nicht nur, den preußischen Kindern Wissen zu vermitteln, sondern auch dafür zu sorgen, dass die Lehrer eine Form von Berufsausbildung erhielten.

Friedrich der Große, Königlich-Preußisches General-Land-Schul-Reglement (1763)

Quelle

Königlich-Preußisches General-Land-Schul-Reglement,
wie solches in allen Landen Seiner Königlichen Majestät von Preussen durchgehends zu beobachten.

De Dato Berlin, den 12. August, 1763.

Wir Friedrich, von Gottes Gnaden, König von Preussen […]

Thun kund und fügen hiemit jedermänniglich zu wissen: Demnach Wir zu Unserm höchsten Misfallen selbst wahrgenommen, daß das Schulwesen und die Erziehung der Jugend auf dem Lande bisher in äussersten Verfall gerathen und insoderheit durch die Unerfahrenheit der mehresten Küster und Schulmeister die jungen Leute auf den Dörfern in Unwissenheit und Dummheit aufwachsen: so ist Unser so wohlbedachter als ernster Wille, daß das Schulwesen auf dem Lande in allen unsern Provinzen auf einen bessern Fuß als bishero gesetzet und verfasset werden soll. Denn so angelegentlich Wir nach wieder hergestellter Ruhe und allgemeinem Frieden das wahre Wohlseyn Unserer Länder in allen Ständen Uns zum Augenmerk machen: so nöthig und heilsam erachten Wir es auch zu seyn, den guten Grund dazu durch eine vernünftige sowol als christliche Unterweisung der Jugend zur wahren Gottesfurcht und andern nützlichen Dingen in den Schulen legen zu lassen. Diesemnach befehlten Wir hierdurch und kraft dieses aus Höchsteigener Bewegung, Vorsorge und Landes-väterlicher Gesinnung zum Besten Unserer gesamten Unterthanen, allen Regierungen, Consistoriis und übrigen Collegiis Unsers Landes, welche dazu ihres Ortes alles mögliche beytragen sollen, allergnädigst und ernstlichst, auf nachstehendes General-Land-Schul-Reglement veste zu halten und alles ins künftige darnach einzurichten, damit der so höchstschädlichen und dem Christenthum unanständigen Unwissenheit vorgebeuget und abgeholfen werde, um auf die folgende Zeit in den Schulen geschicktere und bessere Unterthanen bilden und erziehen zu können.

§ 1.
Zuförderst wollen Wir, daß alle Unsere Unterthanen, es mögen seyn Eltern, Vormünder oder Herrschaften, denen die Erziehung der Jugend oblieget, ihre eigene sowol als ihrer Pflege anvertraute Kinder, Knaben oder Mädchen, wo nicht eher doch höchstens vom Fünften Jahre ihres Alters in die Schule schicken, auch damit ordentlich bis ins Dreyzehente und Vierzehente Jahr continuiren und sie so lange zur Schule halten sollen, bis sie nicht nur das Nöthigste vom Christenthum gefasset haben und fertig lesen und schreiben, sondern auch von demjenigen Red und Atwort geben können, was ihnen nach den von Unsern Consistoriis verordneten und approbierten Lehrbüchern beygebracht werden soll.

§ 2.
Selbst diejenige Herrschaften, welchen wegen des Dienst-Zwanges und des in Preussen sogenannten Schaarwerks die Kinder der Unterthanen auf gewisse Jahre vorzüglich dienen müssen; werden hiemit alles Ernstes erinnert, nach ihrer Pflicht dahin Sorge zu tragen, daß solche Kinder nicht eher den Schulen entzogen werden, bevor sie im Lesen fertig, im Christenthum einen guten Grund geleget, auch im Schreiben einen Anfang gemachet und darüber Zeugniß vom Prediger und Schulmeister denen Visitatoribus vorgezeiget haben. Eltern und Vormünder müssen sich noch mehr und von selbst verpflichtet halten, ihre Kinder und Pflegkinder in den nöthigen Stücken gnugsam und hinlänglich unterrichten zu lassen.

§ 3.
Sollten einige Kinder entweder durch ihre eigene Fähigkeit oder durch den angewandten Fleiß des Schulmeisters vor dem Dreyzehenten oder Vierzehenten Jahr es in den aufgegebenen Stücken beym Lernen ziemlich weit gebracht haben, so stehet es doch nicht in der Eltern und Vormünder Willkühr, sie nach eigenen Gefallen aus der Schule zu nehmen und zu Hause zu behalten, sondern wenn Superintendens, Praepositus oder Inspector nach Anzeige des Predigers und auf das Zeugniß des Schulmeisters die Profectus eines Kindes hinlänglich befindet, so soll derselbe deshalb ein ordentliches Dimissoriale, welches auf obgedachte Zeugnisse gegründet seyn muß, zu geben befugt seyn. Es müssen aber solche Kinder der Wiederholungs-Stunde des Sonntags nicht nur bey dem Prediger in der Kirche, sondern auch bey dem Schulmeister in der Schule fleißig beywohnen.

§ 4.
Weil an vielen Orten die Eltern ihre Kinder des Sommers nicht in die Schule schicken, unter dem Vorwand, daß sie das Vieh hüten müssen, so haben deshalb Unsere Beamten oder Gerichts-Obrigkeiten an den Orten, wo Dörfer oder Gemeinschaften sind, ehe die Kinder dadurch von der Schule abgehalten werden sollten, dahin zu sehen, daß so weit es möglich, ein eigener Vieh-Hirte hierzu möge bestellet werden. []

§ 5.
Um aber wegen der Sommer- und Winter-Schulen etwas gewisses zu bestimmen, so wollen Wir, daß die Winter-Schulen an allen Wochen-Tagen Vormittags von 8 bis 11 und Nachmittags, den Mittwoch und Sonnabend ausgenommen, von 1 bis 4 gehalten werden sollen. Die Winter-Schule gehet von Michaelis bis Ostern unausgesetzt fort. Die Sommer-Schulen aber sollen nur des Vormittags oder nach den Umständen des Ortes Nachmittags in drey Stunden alle Tage der Woche gehalten werden. Um welche Stunden des Tages aber der Unterricht seinen Anfang nehmen soll, solches werden die Prediger, nach den Umständen ihres Ortes, bestens zu bestimmen und einzurichten wissen. Keine Ferien werden verstattet, sondern selbst in der Erndte müssen die Schulen auf vorgedachte Art gehalten werden: Doch mit dem Unterscheid, daß da im Winter auf jede Lection eine ganze Stunde, dagegen im Sommer nur eine halbe Stunde darauf gewendet werden soll.

Und da Uns nicht unbekannt, daß an manchen Orten die Beamte und Adeliche Patronen rühmlichst dafür gesorget, daß die Sommer-Schulen, so wie die Winter-Schulen sowol Vor- als Nachmittags ordentlich gehalten werden, so wird durch gegenwärtige Verordnung solche löbliche Einrichtung weder abgeschaffet noch verändert, sondern es kann und soll dergleichen Christliche Sorgfalt für das Beste der Kinder billig andern zum Exempel der Nachfolge dienen.

§ 6.
Des Sonntags soll ausser der Catechisations- oder Wiederholungs-Stunde des Predigers in der Kirche auch vom Schulmeister eine Wiederholungs-Stunde in der Schule mit den noch unverheiratheten Personen im Dorf gehalten werden. Es sollen sich dieselbe theils im Lesen, theils im Schreiben, üben. Das Lesen geschicht in dem Neuen Testament oder einem andern erbaulichen Buche, und zur Uebung im Schreiben können ein Paar Sprüche oder die Epistel und das Evangelium genommen werden. An den Orten, wo der Schulmeister nicht zugleich Küster ist und die Filiale mit dem Prediger bereisen darf, soll der Schulmeister überdem gehalten seyn, entweder Vor- oder Nachmittags mit den Kindern in der Kirche zu singen, sie den Catechismum hersagen zu lassen und aus demselben und der Ordnung des Heils ihnen leichte Fragen zur Beantwortung vorzulegen. Solte ein Küster und Schulmeister des Catechistrens noch nicht recht erfahren seyn, so muß der Prediger ihm dasjenige, was er catechistren und fragen soll, nach den Lehrbüchern vorschreiben und aufgeben: damit auf solche Weise die Alten, welche mit gegenwärtig seyn sollen, nebst den Kindern erbauet und in der Erkenntniß befördert werden mögen.

§ 7.
Was das Schul-Geld betrift, so soll für jedes Kind, bis es zum Lesen gebracht wird, im Winter Sechs Pfennige, wenn es aber zum Lesen gekommen, Neun Pfennige, und wenn es schreibet und rechnet Ein Groschen wöchentlich gegeben werden. In den Sommer-Monaten dagegen wird nur Zwey Drittheil von diesem angesetzten Schul-Gelde gereichet, so daß diejenige, welche Sechs Pfennige im Winter gegeben, nach dieser Proportion Vier, welche Neun Pfennige gegeben Sechs, und welche sonst Einen Gorschen gegeben, nunmehro Acht Pfennige geben sollen. Ist etwa an ein und dem andern Orte ein mehreres an Schul-Geld zum Besten der Schulmeister eingeführet, so hat es dabey auch ins künftige sein Bewenden.

§ 8.
Wenn aber einige Eltern notorisch so arm wären, daß sie für ihre Kinder das erforderliche und gesetzte Schul-Geld nicht bezahlen könten, oder die Kinder, welche keine Eltern mehr haben, wären nicht im Stande, das Schul-Geld zu entrichten, so müssen sie sich deshalb bey den Beamten, Patronen, Predigern und Kirchen-Vorstehern in so ferne dieselbe über die Kirchen-Mittel zu disponiren haben, melden: da denn, wenn kein anderer Weg vorhanden, entweder aus dem Klinge-Beutel, oder aus einer Armen- oder Dorf-Casse die Zahlung geschehen soll, damit den Schulmeistern an ihrem Unterhalt nichts abgehe, folglich dieselbe auch beydes armer und reicher Leute Kinder mit gleichem Fleiß und Treue unterrichten mögen.

§ 9.
[Jährliche Schulpredigt und Sammlung. Am St. Michaels Tag - 29. September - soll eine Festpredigt gehalten werden, in der über christliche Erziehung und Erbauung der Jugend gepredigt werden soll. Nach der Predigt sollen Geldspenden eingesammelt werden und mit diesem Geld sollen Schulbücher für die Kinder der Armen angeschafft werden.]

§ 10.
Da nun für den nöthigen Unterricht der Kinder bestens gesorget wird, so sollen diejenigen Eltern, Vormünder und andere, denen die Erziehung der Kinder oblieget, welche wider diese heilsame Verordnung ihre Angehörige nicht zur Schule schicken, dennoch für jedes Kind die gesetzte Zeit über, das gewöhnliche Schul-Geld, welches Vormünder in solchem Fall ihren Pflege-Kindern zu berechnen nicht befugt sind, den Schulmeistern entrichten, und wenn sie durch ernstliche Vermahnung des Predigers dazu nicht zu bringen seyn, daß sie die Kinder ordentlich zur Schule halten, so sollen sie dazu durch eines jeden Ortes Gerichts-Obrigkeit, wenn andere Mittel nicht helfen wollen, mit der Execution angestrenget werden. Wenn überdem bey der Schul-Visitation der Visitator in Erfahrung bringen solte, daß Eltern ihre Kinder in dem vergangenen Jahre nicht fleißig zur Schule gehalten, so sollen sie dahin sehen, daß deshalb Sechszehen Groschen Straf-Gelder zur Schul-Cassa gegeben werden. Wir befehlen demnach hierdurch allen Unseren Beamten und Gerichts-Obrigkeiten ernstlich, auf die erste Anzeige des Schulmeisters, die Eltern, Vormünder, oder welchen die Kinder zugehören und in deren Brodt sie stehen, sofort vorzufordern und zu vernehmen, warum die Kinder vom Schulgehen zurückgehalten worden? Solte sich nun nicht finden, daß dieselbe durch Kranckheiten daran behindert worden, so müssen sie durch gehörige Zwangs-Mittel, wie vorhin gedacht, die nöthige Remedur fördersamst verschaffen.

§ 11.

Zu solchem Ende und hierauf desto genauer zu achten, sollen die Schulmeister sich nicht nur eine Designation von allen Kindern des Districts oder Dorfes, worinnen sie den Unterricht besorgen sollen, von den Predigern aus dem Kirchen-Register geben lassen; damit sie wissen, welche Kinder von dem Alter sind, daß sie zur Schule müssen geschicket werden: sondern sie haben auch dahin zu sehen, daß sie sich, nebst dem monatlichen Verzeichniß der vorhandenen Schul-Kinder einen ordentlichen Schul-Catalogum halten, darinnen die Kinder nach folgenden Stücken eingetragen werden:

1) Nach ihrem Vor- und Zunamen. 2) Nach ihrem Alter. 3) Nach ihren Eltern. 4) Nach ihren Wohnungen. 5) Nach der Zeit, wenn sie in die Schule aufgenommen worden. 6) Nach den Lectionen, worinnen sie unterrichtet werden. 7) Nach ihrem Fleiß oder Nachläßigkeit im Lernen. 8) Nach dem Vermögen ihres Verstandes. 9) Nach den Sitten und übrigen Verhalten. 10) Nach ihrem Abgang aus der Schule.

Diesen Catalogum, den kein Kind lesen muß, lässet sich nicht nur der Visitator vor der jährlichen Schul-Visitation einschicken, sondern der Prediger lässet sich auch denselben bey dem wöchentlichen Besuch der Schule einhändigen, damit er die unartigen Kinder bemercken, auch eine Erinnerung zur Besserung thun und mit den Eltern deshalb reden könne, als wodurch der Leichtsinnigkeit und Bosheit gesteuret werden kan.

Was aber vorgedachtes monatliches Verzeichniß der Kinder anbetrift, so ist davon eine in Kupfer gestochene und gedruckte Tabelle mit Linien nach allen Tagen des Monats durchzogen vorhanden, wornach sich die Schulmeister dergleichen verfertigen können. Hierinnen werden blos die Namen der Kinder annotiret, welche der Schulmeister jederzeit zu Ende der Tages-Lection ablieset und diejenige anmercket, welche mit oder ohne Erlaubniß ihrer Vorgesetzten fehlen. Das dienet den Kindern zum Fleiß und den Eltern, welche ihre Kinder unordentlich zur Schule schicken und doch wol sagen: unsere Kinder sind schon so viele Jahr in die Schule gegangen und haben nichts gelernet; können desto besser bedeutet werden, wie die Schuld davon nicht den Schulen und dem Schulmeister, sondern ihnen selbst beyzumessen sey.

§ 12.
Da es aber bey einer guten Schulverfassung vornehmlich auf einen rechtschaffenen Schulmeister ankömmt, so ist hienechst Unser so wol allergnädigster als ernstlicher Wille, daß von allen und jeden, welche Schulmeister und Küster zu bestellen haben, darauf mit allem Fleiß gesehen werde, daß zu den Schulämtern auf dem Lande ins künftige recht tüchtige Leute gelangen mögen. Es muß aber ein Schulmeister nicht nur hinlängliche Geschicklichkeit haben, Kinder in den nöthigen Stücken zu unterrichten; sondern auch dahin trachten, daß er in seinem gantzen Verhalten ein Vorbild der Heerde sey und mit seinem Wandel nicht wiederum nierreisse, was er durch seine Lehre gebauet hat. Daher sollen sich Schulmeister mehr als andere der wahren Gottseligkeit befleißigen und alles dasjenige verhüten, wodurch sie den Eltern und Kindern anstößig werden können. Vor allen Dingen müssen sie sich bekümmern um die rechte Erkentniß Gottes und Christi: damit, wenn dadurch der Grund zum rechtschaffenen Wesen und wahrem Christenthum geleget worden, sie ihr Amt vor Gott in der Nachfolge des Heilandes führen und also darinnen durch Fleiß und gutes Exempel die Kinder nicht nur auf das gegenwärtige Leben glücklich machen, sondern auch zur ewigen Seligkeit mit zubereiten mögen.

§ 13.
Ob wir nun gleich die adliche und andere Patronen in ihrem Rechten die Küster und Schulmeister zu erwehlen und zu bestellen ungekränckt belassen wollen: so müssen doch alle Unsere Consistoria, durch die Superintendenten, Inspectores, Praepositos und Ertzpriester, dahin sehen, daß weder ungeschickte und untüchtige noch auch ruchlose und einen bösen Wandel führende Küster und Schulmeister angesetzet, oder wo sie angesetzet worden, geduldet werden. Insonderheit ist dahin zu rechnen, wenn sie dem Trunk oder Diebstahl ergeben sind, Zänckerey in der Gemeine anrichten, sich widerspenstig und ungehorsam beweisen oder der Unzucht und Hurerey überführet werden. Wo sich dergleichen geäussert, ehe und bevor einer zum Schuldienst angenommen worden: so wird er dadurch eo ipso unfähig, das Amt eines Leheres in Schulen zu bekleiden; und Patroni müssen in diesem Fall ein anderes unbescholtenes Subjectum zum Examen schicken. Würde aber dergleichen erst wahrgenommen, wenn sie schon im Amt stehen, so soll nicht nur bey Einsendung der jährlichen Conduiten-Listen solches angemercket, sondern auch sofort an Unsere Consistoria berichtet werden, damit das Nöthige deshalb verordnet und fernerem Aergerniß vorgebeuget werde: weil nach Befinden dergleichen anstößig lebende und ruchlose Schulmeister sofort cum effectu ab officio suspendiret und hiernächst auf gebührenden Process von Gerichts-Obrigkeiten cassiret werden müssen. Es soll ihnen auch hiemit Wirthschaft zu halten, Bier und Brandwein in Gelagen zu verkauffen oder sich mit andern dergleichen Dingen zu bemengen, dadurch ihre Schul-Arbeit möchte verhindert oder der Gemeine und der Jugend zu Versündigung und Ausschweiffung Anlaß gegeben werden, insbesondere der Besuch der Schencken und Krüge, auch andere bey Gastmahlen und sonsten mit der Musique zu bedienen bey hoher willkührlicher Strafe gäntzlich verboten seyn.

§ 14.
Es müssen aber überhautp auf dem Lande keine Küster und Schulmeister ins Amt eingewisen und angesetzet werden, ehe und bevor sie von den Inspectoribus examiniret, im Examine tüchtig befunden und ihnen ein Zeugniß der Tüchtigkeit mitgegeben worden. Es soll auch kein Prediger befugt seyn, einen als Küster und Schulmeister zur Kirchen- und Schul-Arbeit zu admittiren, wenn er nicht gedachtes Zeugniß des Examinis und daß er darinnen wohl bestanden, vorher beygebracht.

Was inzwischen Unserer eigene Land-Schulen bey den Amts-Städten und in den Amts-Dörfern anbelanget, so haben Wir in Unserer Chur-Marck schon hiebevor die Verordnung ergehen lassen, wiederholen auch solche hiedurch so gnädig als ernstliche, daß keine zu Schulmeister und Küster angenommen werden sollen, als welche in dem Chur-Märckischen Küster- und Schul-Seminarion zu Berlin eine zeitlang gewesen, und darinnen den Seiden-Bau sowohl, als die vortheilhaften bey den teutschen Schulen der Dreyfaltigkeits-Kirche eingeführte Methode des Schulhaltens gefasset haben. Und da Wir dem Ober-Consistorial-Rath und Prediger Hecker besonders aufgetragen und allergnädigst anbefohlen haben, Unsere Land-Schulen in den Königlichen Aemtern mit guten Subjectis aus dem Seminario angelegentlich zu versorgen, so treten solche, wenn sie von gedachtem Unserm Ober-Consistorial-Rath mit einem Zeugniß der Tüchtigkeit der Königlichen Chur-Märckischen Krieges- und Domainen-Cammer zur Erhaltung ihrer ordentlichen Vocation praesentiret worden, das Amt dergestalt an, daß sie deshalb eine Probe-Lection in der Kirche singen und hiernechst eine Unterrichtungs- oder Lehr-Probe bey den Kindern in der Schule entweder in Gegenwart des Inspectoris oder in Beyseyn des Predigers und einiger Personen von der Gemeine machen müssen: So bald demnach ein Küster oder Schulmeister in einem Königlichen Chur-Märckischen Amts-Dorfe verstirbet, muß der Prdiger solches mit dem Specifique Ertrag der Stelle und ob eine Orgel vorhanden, dem Inspectori schriftlich bekannt machen. Der Inspector berichtet deshalbe sogleich an das Ober-Consistorium und erwartet, ob aus dem Chur-Märckischen Schulmeister-Seminario jemand verabfolget werden könne, oder ob ihm aufgegeben werde, mit Zuziehung des Predigers, ohne einigen Anstand ein gutes Subjectum ausfündig zu machen und nach Berlin zur Untersuchung und Haltung der Probe-Lectionen hin zu schicken. Im Fall solcher Mensch nicht tüchtig befunden werden solte, so muß derselbe entweder das Schulmeister-Seminarium auf eigene Beköstigung so lange frequentiren, bis er das erforderliche Zeugniß der Tüchtigkeit erhalten hat, oder es muß ein anderes und besseres Subjectum in Vorschlag gebracht werden.

§ 15.
Diesemnach müssen sich auf dem Lande sowol in den Flecken und Dörfern als auch in den Amts- und kleinen Land-Städten keine Personen des Schulhaltens anmassen, welche nicht als ordentliche Schulmeister auf vorgedachte Art den Beruf und die Freyheit zu informiren erhalten haben. Daher denn alle Winckel-Schulen, sie mögen von Manns- oder Weibs-Personen gehalten werden, hiedurch bey Strafe gänzlich verboten seyn sollen. Unterdessen bleibet es wohlhabenden Eltern nach wie vor erlaubt, für ihr Haus und Kinder Privat Informatores zu halten, jedoch so, daß nicht anderer Leute Kinder, die noch nicht in höhern Wissenschaften unterrichtet werden können, von der ordentlichen Schule zurück gehalten und in dergleichen Privat-Unterricht hinein gezogen werden.

§ 16.
So wenig einem Schulmeister erlaubet ist, unter der Schule die Schul-Kinder zu seiner Haus-Arbeit zu gebrauchen, so wenig soll er sich auch unterstehen, in den gewöhnlichen und angesetzten Schul-Stunden seiner Hand-Arbeit oder andern Geschäften nachzugehen, oder seine Frau unterdessen informiren zu lassen: welches jedoch alsdenn geschehen kann, wenn er zwar seine Schul-Stunden ordentlich abwartet, aber wegen Menge der Kinder sich bey den Kleinen durch dieselbe oder eine andere Person helfen lässet. Solte er nun die Schul-Information entweder auf diese oder andere Weise versäumen, so muß ihm von dem Prediger deshalb nöthige Erinnerung geschehen. Würde er aber dennoch fortfahren in Unterrichtung der Jugend nachläßig zu seyn, so muß solches bey der Visitation dem Inspectori ec.angezeiget werden, damit dergleichen Unordnung bestraffet werden könne.

§ 17.
[Der Schultag soll mit einem Gebet beginnen]

§ 18.
[Die Schulstunden sind festgelegt: von 8-11 und von 13-16 Uhr, falls nicht anders entschieden]

§ 19.
[Die Aufteilung des Schultages wird genauestens festgelegt. Zusammenfassung:

Morgens.

In der 1. Stunde soll zuerst ein Gesangbuchlied gesungen werden. Jeden Monat wird ein neues Lied ausgewählt und gesungen und somit auswendig gelernt.

Danach soll ein Kind das bereits lesen kann, ein Gebet vorlesen, worauf alle Kinder gemeinsam mit dem „Vater Unser“ antworten.

Anschließend wird ein Stück aus Luthers Katechismus gelesen und erklärt.

In der 2. Stunde wird zuerst das ABC gelernt. Lesen vom Alten und Neuen Testament. Abschnitte in der Bibel selbst finden, Bibelstellen auswendig lernen.

In der 3. Vormittagsstunde wird gelesen, jede Woche werden zwei neue Buchstaben gelernt, schreiben, buchstabieren. Die Regeln des Lesens werden erklärt. Die Vormittagsstunden schließten mit einem Gebet und einem Psalm.]

[]

§ 20.
Da aber das Land bisher mit allerhand Lehrbüchern, insonderheit Erklärungen des Catechismi und sogenannten Ordnungen des Heils überschwemmet worden, indem ein jeder Prediger nach eigenem Gefallen die Unterrichtsbücher erwehlet oder dergleichen selbst gemacht und drucken lassen; wodurch jedoch die Kinder, besonders wenn die Eltern den Ort ihrer Wohnung verändert haben, im Lernen sehr confundiret worden: so wollen Wir, daß ins künftige in allen Land-Schulen sowol wo Wir selbst die Jura Patronatus haben, als auch wo Adeliche oder Magisträte und andere Personen Patroni sind, keine andere Lehrbücher in den Land-Schulen und bey den Catechisationen, als die von Unsern Consistoriis verordnet und approbiret worden, sollen gebrauchet werden. Dahin gehören nach Maasgebung der Umstände auf dem Lande und in den Amts-Städten das Neue Testament, die Gebets-Uebung genannt, darinnen nicht nur die Eintheilung eines jeden Buchs befindlich, sondern auch der Haupt-Inhalt eines jeden Capitels in ein Gebet verfasset ist, um der Jugend an die Hand zu geben, wie sie die aus dem Worte GOttes gelesene Wahrheiten in ein Gebet fassen und darüber GOtt anrufen sollen. Hiernächst die Hällische oder Berlinische Bibel, welche in den Parallelen sowol als Paginis übereinkommen: ferner der zergliederte sowol als der erklärte Catechismus Lutheri; der Inhalt der Biblischen Bücher; die Christliche Lehre im Zusammenhang; das Berlinische Buchstabir- und Lesebuch; das Allgemeine von GOtt, von der Welt und dem Menschen, und das Lehrbüchlein zum Unterricht der Kinder auf dem Lande in allerhand nöthigen und nützlichen Dingen.

§ 21.
Diesemnach sollen nicht nur einerley Bücher in der Schule gebrauchet werden, sondern die Prediger und Schulmeister müssen auch besonders dahin sehen, daß ein jedes Kind sein eigenes Buch habe, so daß nicht eines bey dem andern ins Buch einsehen darf. Wenn den armen Kiindern aus den Kirchen-Mitteln oder aus einer andern Gemein-Casse Bücher frey angeschaffet werden, so brauchen sie dieselben zwar in der Schule: es wird ihnen aber nicht erlaubet, solche mit sich nach Hause zu nehmen, sondern der Schulmeister nimt sie bey dem Schluß der Schul-Stunden in seine Bewahrung und muß darüber ein Inventarium gehalten werden, so daß sie beständig bey der Schule verbleiben.

§ 22.
Die Disciplin muß weislich geschehen: so daß den Kindern die Eigenliebe als die Quelle aller Sünden entdecket und ihre Abscheulichkeit gewiesen, der Eigensinn oder Eigenwille mit Fleiß gebrochen, auch das Lügen, Schimpfen, Ungehorsam, Zorn, Zank, Schlägerey ec. ernstlich, jedoch mit Unterscheid und nach vorhergegangener gnugsamer Ueberzeugung des geschehenen Verbrechens bestrafet werden. Wobey die Schulmeister in Züchtigung der Jugend sich aller ungeziemenden Heftigkeit, sündlichem Eifers und Scheltens enthalten und dagegen so viel möglich eine väterliche Bescheidenheit und Mäßigung dergestalt gebrauchen sollen, daß die Kinder wegen schädlicher Lindigkeit nicht verzärtelt, noch durch die übermäßige Strenge scheu gemachet werden. Wenn aber bey verübten grössern Verbrechen und Bosheit andern zum Exempel eine grössere und nachdrücklichere Bestrafung anzustellen seyn möchte, sollen sie solche für sich nicht vollziehen, ohne es vorher dem Prediger anzuzeigen und seine Belehrung darüber einzuholen; der denn in solchen Fällen das Verbrechen der Kinder gründlich untersuchen und die Sache unpartheyisch zu entscheiden wissen wird, da denn die Eltern der Kinder aus unzeitiger Zärtlichkeit nicht widersprechen noch in die Schul-Sachen sich mischen müssen.

§ 23.
An den Sonn- und Fest-Tagen sollen die Eltern gehalten seyn, die Kinder des Sonntags vor der Predigt zum Schulmeister zu schicken, damit sie ordentlich zur Kirche gebracht werden und daselbst unter guter Aufsicht seyn mögen. Da denn der Schulmeister mit denselben in Ordnung zur Kirche hinein und nach völlig geendigtem Gottesdienst ordenlich und stille wieder hinaus gehet; auch in der Kirche bey seinen Schul-Kindern in einem besondern Stuhl stehen muß, damit er nicht nur die ausbleibende anmercken, sondern auch auf die anwesende wohl acht haben könne, damit selbige sich sittsam und wohl betragen, den Gesang mit gehöriger Andacht mit singen, unter der Predigt des Plauderns und Muthwillens sich entschlagen, hingegen allezeit aus der Predigt etwas behalten mögen, welches sie denn in der nächsten Schul-Stunde des Montags darauf anzeigen müssen. Nicht weniger haben auch die Schulmeister bey den Leichen auf das Verhalten der Knabe, mit welchen sie die Leichen besingen, wohl acht zu geben und zu verhüten, daß selbige nicht nach eigenen Wohlgefallen durch einander oder zur Seite auslauffen, sich stossen, oder muthwillig bezeigen, sondern zwey und zwey zusammen stille einhergehen und diejenige, so fertig lesen können, den Gesang mit verrichten helfen, folglich auch dabey alles ordentlich zugehe; wie sie denn bey aller Gelegenheit sittsam, bescheiden, höflich und freundlich in Geberden, Worten und Werken sich erzeigen müssen.

§ 24.
Und wie die Schulmeister sonst in allen Schul-Sachen des Raths und Gutachtens ihrer vorgesetzten Prediger sich zu bedienen haben und an dieselbe kraft dieses General-Land-Schul-Reglements verwiesen werden; also sind sie ihnen auch von allem, so in ihr Amt läuft, auf Erfordern Rechenschaft zu geben und fernere Anweisung in der vorgeschriebenen Lehr-Methode und Disciplin von ihnen anzunehmen schuldig: Gestalt Wir denn zu den Predigern das allergnädigste Vertrauen haben, ihnen es auch hiedurch auf ihr Gewissen binden, sie werden die an ihren Oertern etwa eingerissene Misbräuche und Mängel, so allhier nicht angeführet werden können, abzustellen ernstlich bedacht seyn und das Schulwesen je mehr und mehr zu verbessern suchen. Daferne aber solches ein- oder der andere von den Schulmeistern verabsäumen und in Wahrnehmung seines Amtes nach seiner Vocation und dieser allgemeinen Land-Schul-Ordnung fahrläßig befinden würde, so hat ihn der Pastor seiner Schuldigkeit und Pflicht ernstlich jedoch bescheidentlich ein und das andere mal zu erinnern und falls er sich dem ohngeachtet daran nicht kehren würde, an Oertern wo Gerichts-Obrigkeiten vorhanden, es denenselben zur Remedur vorhero anzuzeigen: Zugleich aber auch denen respective Superintendenten, Inspectoribus, Praepositis oder Erz-Priestern davon sofort Nachricht zu geben und wenn auch deren Erinnerung nicht verfangen will, so haben dies dem Consistorio zu nachdrücklicher Ahndung nach Befinden mit der Suspension und Remotion zu berichten.

§ 25.
Insonderheit aber ist Unser allergnädigster Wille, daß die Prediger auf den Dörfern und in den Amts-Städten die Schulen ihres Ortes wöchentlich zweymal, bald Vormittags, bald Nachmittags, besuchen, und nicht nur die Information des Küsters oder Schulmeistersn anhören, sondern auch selbst über den Catechismus und andere Lehr-Bücher Fragen bey den Kindern anstellen sollen. Auch müssen sie monatlich in der Pfarr-Wohnung mit den Schulmeistern in Matre und den Filialen eine Conferenz halten und denselben das Pensum, welches sie im Catechismo und sonst zu absolviren haben, aufgeben; ihnen auch anzeigen, was für ein Lied, Psalm und welche Sprüche den Monat über von den Kindern auswendig gelernet werden sollen. Er giebt ihnen hiernächst Unterricht, wie sie sich die Haupt-Stücke aus der Predigt bemerken und die Kinder darüber befragen können; imgleichen thut er Erinnerung von den Mängeln, welche er in der Information bemerket, von der Methode, von der Disciplin und andern zur Information nöthigen Sachen, damit die Schulmeister ihrer Pflicht nachkommen mögen. Welcher Prediger aber wider Vermuthen in Besuchung der Schulen, oder Wahrnehmung der in diesem Reglement ihm auferlegten Pflichten sich säumig oder nachläßig finden und nicht ernstlich sich wird angelegen seyn lassen, die Küster und Schulmeister zu der genauesten Beobachtung dieses Reglements anzuhalten, soll, falls es erweislich, daß er denen ihm solcherhalb geschehenen Erinnerungen, gebührlich nicht nachgekommen, entweder auf eine Zeitlang cum effectu suspendiret oder auch wohl gar dem Befinden nach seines Amtes ersetzet werden: allermassen die Fürsorge für den Unterricht der Jugend und die gehörige Aufsicht darauf, mit zu den wichtigsten und vornhemsten Pflichten des Predigt-Amts nicht allein gehöret, sondern Wir auch selbige ausdrücklich als solche dafür angesehen wissen wollen.

§ 26.
Den Superintendenten und Inspectoribus oder auch Praepositis und Erz-Priestern jedes Krayses befehlen Wir endlich hiedurch auf das allernachdrücklichste, die gesamten land-Schulen ihrer Inspection jährlich selbst zu bereisen und mit aller möglichen Attention den Zustand jeder Land-Schule genau zu examinieren und zu untersuchen, ob die Eltern und Vorgesetzte ihre Kinder und Untergebene, zur Schule gehalten, oder darinnen nachläßig gewesen? Ob die Prediger im Besuch der Schulen und Beobachtung obangeregter Anordnungen zur Aufsicht über die Schulmeister ihrer Pflicht und Schuldigkeit nachgekommen? insonderheit, ob die Schulmeister die nötige Capacität haben oder ob sie untüchtig sind, und was sonsten deshalb zu erinnern und zu verbessern stehe? Wovon dem gedachte Superintendenten und Inspectores ihre pflichtmäßige Berichte alljährlich an Unser hiesiges Ober-Consistorium zur weiteren Einsicht und Verfügung einsenden sollen. []

Wie Wir denn hiemit die deshalb schon in vorigen Zeiten ergangene heilsame Verordnungen hiedurch erneuert und bestättigt wissen wollen, insonderheit, daß sich kein Prediger unterstehen soll, Kinder die nicht von seinen Gemeinden sind oder noch nicht lesen können und von den Grund-Wahrheiten der Evangelischen Religion keinen richtigen und hinlänglichen Begriff erlanget haben, zur Confirmation und noch weniger zur Communion anzunehmen.

[]

So geschehen und gegeben Berlin, den 12. August, 1763.

Friedrich

Quelle: Königlich-Preußisches General-Land-Schul-Reglement, wie solches in allen Landen Seiner Königlichen Majestät von Preussen durchgehends zu beobachten. Berlin and Magdeburg: Hechtel, 1763. Online verfügbar unter: https://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/5561426