Quelle
Edict wegen auffgenommenen 50. Familien Schutz-Juden, jedoch daß sie keine Synagogen halten.
vom 21. May 1671.
WIr Friderich Wilhelm, von Gottes Gnaden, Marggraff zu Brandenburg, des Heil. Röm. Reichs Ertz Cammerer und Churfürst, etc.
Bekennen hiermit öffentlich, und geben einem jeden dem es nöthig, in Gnaden zuwissen, wie daß Wir aus sonderbaren Vrsachen, und aufs Vnterthänigstes Anhalten, Hirschel Lazarus, Benedict Veit, und Abraham Ries, Juden, bevorab zu Beforderung Handels und Wandels bewogen worden, einige von andern Orten sich wegbegebende Jüdische Familien, und zwar funfftzig derselben, in Unser Lande der Chur- und Marck Brandenburg, und in Vnseren sonderbaren Schutz gnädigst auf- und anzunehmen, thun auch solches hiemit und Krafft dieses auff folgende Conditiones:
1. Wollen wir ermeldten funfftzig Jüdischen Familien, derer Namen, und Anzahl von Personen, auch an was Ort sich jedweder niedergelassen, uns forderlichst durch eine richtige Specification kund gethan werden soll, in gedachte Vnsere Lande der Chur- und Marck Brandenburg, auch in Unser Hertzogthum Crossen und incorporirte Landen hiemit auffgenommen haben, dergestalt und also, daß ihnen Macht gegeben seyn sol, in denen Oertern und Städten, wo es ihnen am gelegensten ist, sich niederzulassen, allda Stuben, oder gantze Häuser, Wohnungen und Commodität vor sich zu miethen, zu erkauffen oder zu erbauen, doch in der Masse, daß, was sie Kauffweise an sich bringen, Widerkäuflich geschehe, und was sie erbauen, auch nach Verfliessung gewisser Jahre an den Christen wieder verlassen werden müsse, jedoch, daß ihnen die Unkosten davor restituiret werden.
2. Sol diesen Jüdischen Familien vergönnet seyn, ihren Handel und Wandel im gantzen Lande dieser Vnser Chur- und Marck Brandenburg, Hertzogthumb Crossen und incorporirten Oertern, Vnsern edicten gemäß zu treiben, wobey wir ihnen noch ausdrücklich nachgeben, offene Krahme und Buden zu haben, Tücher und dergleichen Wahren, in stücken zuverkauffen oder auch Ellenweise außzumessen, groß und klein Gewichte zu halten (doch daß sie dadurch keine Vervortheilung im Kauff oder Verkauff) noch auch denen Rahts-Wagen, odet wo der Magistrat das grosse Gewichte hat, etwas abgehe, mit Neuen und Alten Kleidern zu handeln, ferner in ihren Häusern zu schlachten, und was sie zu ihrer Nohtdurfft und ihrem Gesetze nach von dem geschlachteten nicht bedürffig, solches zu verkauffen, und endlich überall an denen Orten, wo sie wohnen, auch anderßwo ihre Nahrung, sonderlich auch mit Wolle und Specereyen, gleich andern Einwohnern dieser Landen zu suchen, und auff Jahr- und Wochen-Märcken Ihre Wahren feil zu haben.
3. Gleich wie Wir sie aber obig auff Vnsere Edicten verwiesen, also sollen sie ferner denen Reichs Constitutionibus, so der Juden halber verfüget, Ihren Handel gemäß führen, und demnach aller verbotenem Kauffmanschafft, sonderlich gestolener Güter, so viel immer möglich, sich enthalten, die Einwohner dieser Landen, noch sonst Niemanden, im Handel zur Vnbilligkeit nicht beleidigen, nicht vorsetzlich umb das Ihre bringen oder beschweren, nicht Wucher mit ihren Geldern treiben, sondern an demjenigen Zinß sich vergnügen lassen, so der Judenschafft zu Halberstadt von uns zugelassen worden, wie es denn mit Ihnen wegen erkaufften gestohlenen Gutes gleich im Halberstädtischen gehalten werden sol.
4. Die Zölle, item, Accisse und doppele Metze, sollen sie gleich andern Vnsern Vnterthanen ohne einige Vervortheilung entrichten, von dem Leibzolle aber, welchen sonst alle durchreisende Juden geben müssen, weil sie allhie im Lande gesessen, auch in diesen Unsern Zöllen befreyet seyn, jedoch, daß unter diesen Prærext nicht andere Juden, die nicht darzu gehören, mit durchgehen mögen, daneben von jeder familie Jährlich acht Rthl. an Schutzgelde, und so offt einer der ihren Heyrathek, einen Gold-Gülden gleich den Halberstädtischen Juden ohne einigen Abgang bezahlen, wegen der übrigen Landes Onerum aber haben sie sich der Billigkeit nach mit jedem Orts Magistrat zu vergleichen, solten sie aber füglich solches nicht thun können, so haben sie sich deßwegen bey uns anzugeben und wollen Wir darinn alsdann gehörige Verfügung thun.
5. Wiewol Wir nunmehr gedachte funfftzig familien in Unsern Special Schutz genommen, so sollen dennoch dieselbe sich nicht entziehen in Civil-Sachen unter jeden Orts regierenden Burgemeisters Jurisdiction, als deme Wir insonderheit und ohne Zuziehung der übrigen Rahtsverwandten solches beygeleger, zu stehen und Rechtens zu erwarten, doch, wenn jemand über einem von der Judenschafft sich zu beschweren, so sol dasselbe allemal schrifftlich übergeben werden. Dafern aber Criminal-Sachen unter ihnen vorgehen, solche sollen an Uns immediate gebracht werden, wornach sich denn jeden Orts Magistrat also eigentlich zu achten.
6. Soll ihnen zwart nicht verstattet seyn, eine Synagoge zu halten, doch aber mögen sie in ihrer Häusern einem zusammen kommen, alda ihr Gebät und Ceremonien, doch ohne gebendes Ergornüß an die Christen, verrichten, bevorab sich alles Lästern und blasphemirens bey harter Straffe enthalten, sol auch einen Schlächter, und einen Schulmeister, so ihre Kinder unterrichtet, zu haben ihnen hiemit nachgegeben seyn, und wegen derer Freyheit gleich im Halberstädtischen mit ihnen gehalten werden.
7. Im übrigen sollen sie sich allenthalben Ehrbar, Fried- und Gleitlich verhalten und erzeigen, zuforderst aber sich wol vorsehen, daß sie von guten Müntz-Sorten nichts aus dem Lande führen, und untaugliche hinwieder einbringen, nicht weniger sollen sie güldene oder silberne Pagamenten nicht an andere Orte bringen, sondern der Billigkeit nach in Unsere Müntzen verkauffen, wenn auch jemand von Unsern gestohlenen Silber etwas bey ihnen zukauffe brächte, oder sonst sie erführen, wo etwas verhanden wäre, so sollen sie gehalten seyn, nicht allein das Silber, sondern auch die Leute anzumelden, und sich dessen, der es ihnen etwa zukauffebringe, inmittels zu bemächtigen.
8. Sol jeden Orts Magistrat in dieser Vnser Chur Marck Brandenburg, Hertzogthumb Crossen, und incorporirten Landen, woselbst sich einige Juden von mehrgedachten 50. Familien niederlassen wollen, nicht allein hiemit Gnädigst und ernstlich anbefohlen seyn, diese vergleitende Judenschafft willig und gern auffzunehmen, ihnen allen Vorschub und guten Willen zu ihrer accommodirung zu erweisen, und ihnen Namens Unser allen gebührenden Schutz, bis an Vns selber zu halten, sondern auch sonst sie in der Behandlung, welche sie ihres verbleibens und der Landes-onerum halben mit ihnen zu pflegen, sie billig zu tractiren, von niemand sie beschimpffen oder beschwären zu lassen, und sie als andere ihre Bürger und Einwohner zu halten, und nach Inhalt dieses Vnsers Schutz-Brieffes wol zu tractiren, wie sie denn sonderlich ihnen umb einen billigen Endgeld einen Ort zu Begrabung ihrer Todten ungeseumet anzuweisen.
9. Dafern nun mehrgemeldte Judenschafft sich alle dem, was obig ihnen aufferleget und von ihnen versprochen ist, gemäß bezeigen wird, so wollen Wir ihnen Vnsern Gnädigsten Schutz und Geleite in diesen Vnsern Landen von dato an auff zwantzig Jahr, auch nach Verfliessung derselben nach befinden, die Continuation vor Vns und Vnsers Erben hiemit gnädigst versprochen haben, widrigenfalls Vns und denenselben vorbehaltend, nebst gebührlichen Einsehen auch vor verflossenen 20. Geleits-Jahren, Unsern Schutz Ihnen wieder auffzusagen.
10. Solte auch in diesen zwantzig Jahren, daß GOtt abwende, Kriegesempörung in Vnsern Landen sich ereugen, so soll der mehrgedachten Judenschafft gleich andern Vnsern Vnterthanen in Vnsern Vestungen mit dem ihren zu flüchten unverboten seyn, auch sie darin eingenommen und geduldet werden.
Diesem nach gebieten Wir allen Vnsern Vnterthanen und Bedienten, was Standes und Würden die auch seyn, daß sie von daro an die 20. Jahr über offtgedachte Judenschafft in Vnsern gantzen Churfürstenthumb und dabey genandten Landen allenthalben frey und sicher passiren, die offene Jahrmärcke, Niederlage und Handlungs Oerter zu besuchen, alle ihre Wahren öffentlich feil zu haben, und ihrer Gelegenheit nach Ehrbaren Handel und unverbotene Kauffmannschafft gantz frey und ungehindert verstatten, auch sich an ihnen nicht vergreiffen, Inmassen dann auch fernet alle und jede Magistrare und Gerichts-Verwalter ihnen auff ihr Ansuchen zu deme so sie befüget gebührlich verhelffen, und gleich andern Gastrecht wiederfahren lassen, und solches bey Vermeidung Vnserer hohen Vngnade und darzu einer Straffe von funfftzig Goldgülden, auch nach befinden wol einer höhern, keines weges anders hasten sollen.
Zu Uhrkund dessen allen, ist dieses Privilegium und Schutz-Brieff von Vns eigenhändig unterschrieben, und mit unserm Gnaden-Siegel bestärcket worden,
Potstam den 21. Maij. 1671.
Friderich Wilhelm.
Quelle: Christian Otto Mylius, Corpus Constitutionum Marchicarum, Oder Königl. Preußis. und Churfürstl. Brandenburgische in der Chur- und Marck Brandenburg, auch incorporirten Landen publicirte und ergangene Ordnungen, Edicta, Mandata, Rescripta [et]c. : Von Zeiten Friedrichs I. Churfürstens zu Brandenburg, [et]c. biß ietzo unter der Regierung Friederich Wilhelms, Königs in Preußen [et]c. ad annum 1736. inclusivè / ... colligiret und ans Licht gegeben von Christian Otto Mylius. Berlin und Halle, Zu finden im Buchladen des Waysenhauses, [1737]-1755 [Theil 5, Abth. 5, Das III. Capitel. Von Juden-Sachen, No. II], S. 121-26.