Kurzbeschreibung

Hier widmet sich Friedrich Berichten, das adlige Grundeigentümer geräumte Dorfbauernhöfe in ihre eigenen Landgüter eingezogen (eingehegt) hatten. Eine solche Zerstörung von Bauerngütern (später als Bauernlegen bezeichnet) lief dem königlichen Interesse zuwider, direkte Steuern von den untertänigen Bauern des Adels zu erheben und Soldaten unter deren Söhnen zu rekrutieren. Abgesehen von einem Verbot dieser Einhegungen wollte Friedrich die Besitzrechte der untertänigen Bauern und die Bedingungen der Feudalrenten verbessern, indem er die rechtlich unbeschränkten Arbeitsdienste mit vertraglich festgelegten Pflichten (geringeren Ausmaßes) ersetzte. Er suchte die Leibeigenschaft (wo sie bestand) in einen persönlich freien Untertanenstatus umzuwandeln und alle Güter untertäniger Bauern mit rechtlich bestätigten Besitztitel- und Rentenverträgen (Hofbriefen) zu versehen anstelle der ungeschriebenen üblichen Übereinkünfte (die aggressive Grundherren immer zu verschärfen versucht waren). Friedrichs Erfolg bei diesen Vorhaben war real, aber begrenzt. Die Rechtsstreitigkeiten zwischen Dorf und Grundbesitzer nahmen während und nach seiner Regierungszeit stetig zu, teilweise aufgrund seiner Verwaltungsreform, die von Dorfgemeinschaften vor dem königlichen Appellationsgericht angestrengte Verfahren erleichterten.

Friedrich II. („der Große”), Denkschrift an die Kurmärkische Kammer über das Verhältnis zwischen Gutsherren und Bauern (1755)

Quelle

Remedur vorgekommener Regelwidrigkeiten in Einziehung von Bauergütern; Bedrückung pflichtiger Unterthanen.

Da Sr. Königl. Maj. allerunterthänigst gemeldet und vorgetragen worden ist, wie unter der vormahligen Pfeiffer’schen Direction derer neuen Entreprisen und Etablissements in der Prignitz, so übel und gewissenloss hausgehalten und mit solcher confusion verfahren worden sey, dass

1. unter den Vorwandt von neuen Etablissements, verschiedene von Adel viele Bauer-Güther und pertinentzien an sich gezogen, und daraus Vorwerker etabliret, zum Theil aber darauf geringe und kleine Leuthe angesetzet haben, die nachher, weil sie als Leibeigene gehalten und angesehen, auch keine ordentliche Erb-Contracte mit ihnen getroffen worden seynd, sich gutentheils bald wiederum verlaufen haben;

Bey Gelegenheit solches Uebels dann auch zugleich Se. Königl. Maj. angezeiget worden, dass

2. die allermehreste von Adel in der Prignitz weder ein ordentliches Reglement, noch eine ferme Verfassung haben, wornach der Bauer und Unterthan seine Dienste und Abgaben prästiren muss, mithin letztere dadurch bis auf das Blut gepresset und gedrücket werden; und endlich

3. dass verschiedene von denen Landräthen der Prignitz sich sehr weit von ihrer Pflicht und devoir entfernet haben, so, dass selbige, anstatt auf des Landes Besten und auf die conservation derer Unterthanen und die egale repartirung derer Lasten zu sehen, schlechterdinges auf das Verderb des Landes gearbeitet, denen Unterthanen verschiedenes entzogen, auch wohl ihre eigene Güther von allen Vorspann befreyet und solchen dagegen auf andere und wohl gar Königliche Amts-Unterthanen geschoben haben;

Als können Se. Königl. Maj. nicht umhin, solches alles Dero Churmärkische Cammer zu eröffnen und derselben zugleich auf das schärfste und ernstlichste zu verweisen, dass selbige wieder ihren geleisteten Eydt und Pflicht nicht besser auf dergleichen Landes verderbliche und Sr. Königl. Maj. Landesväterlichen intention schlechterdinges entgegen laufende Sachen, mehrere attention bezeiget, und dergleichen entweder selbst redressiret oder aber solches Deroselben gebührend gemeldet hat: dannenhero dann auch solches und dass gedachte Cammer insonderheit auf die neue Etablissements nicht besser acht gegeben, verursachet, dass sie Dero Vertrauen gegen die Cammer sehr fallen lassen und derselben ihre höchste Unzufriedenheit deshalb bezeigen müssen.

Um aber solchen vorangeführten, Land und Leuthen verderblichen Missbräuchen zu remediren und alles darunter auf einen gebührenden Fuss zu bringen; So wollen und befehlen Se. Königl. Maj. hierdurch auf das ernstlichste, dass, da einmahl Edicte vorhanden seynd, dass die Edelleuthe keine Bauer-Güther an sich ziehen sollen, noch weniger solche zu Vorwerker aptiren müssen und das Ansetzen der kleinen Tagelöhner und Hausleuthe statt der eingezogenen Bauer Höfe gar nicht hinreichet, noch erlaubet ist, überdem Se. Königl. Maj. wegen der neuen Etablissements der Cammer vorhin zum öftern declariret haben, dass darunter Niemanden Gewalt und Unrecht geschehen und die Cammer darauf wohl vigiliren solte, — also nur gedachte Cammer die Verfügung treffen und wohl darauf arbeiten und halten soll, dass die von denen Edelleuthen zu Vorwerkern eingezogene Bauer-Höfe, wiederum mit Bauern besetzet und complettiret und diese nicht als Leibeigene genommen, sondern vielmehr über den Besitz der Höfe und pertinentzien ordentliche Erb-Contracte und Erb-Verschreibungen, keinesweges aber Zeit-Contracte auf ein oder mehrere Jahre geschlossen werden müssen. Als welches die Cammer bey Vermeydung der Königlichen höchsten Ungnade nicht nur wohl besorgen, sondern auch ein beständig wachsames Auge darauf halten soll.

Was den 2. punct anbetrifft, dass nemlich fast durchgängig oder doch viele Edelleuthe in der Prignitz kein Reglement noch ferme Verfassung haben, wornach deren Bauern und Unterthanen die Abgaben und Dienste prästiren müssen; So wollen Se. Königl. Maj., dass dieser punct de concert mit den Justiz Departement, dergestalt ein vor allemahl reguliret und festgesetzet werden soll, damit ein richtiges Reglement deshalb gemachet und denen dortigen von Adel dadurch vorgeschrieben werde, was sie künftighin an Diensten und Abgaben von ihren Bauern und Unterthanen zu erheben haben sollen: Bei welchem Reglement dann dasjenige, was dorten auf eine billige und erträgliche Weise Landüblich ist, zum Grunde geleget, oder aber, daferne dergleichen ordentliche Verfassung daselbst nicht vorhanden gewesen, dasjenige deshalb zum Fundament gesetzet werden muss, was in denen benachbarten Creysern der Prignitz darunter rechtens und üblich ist. Es kann auch vorgedachte Edelleuthe hier wieder nicht schützen, wann dieselbe sich dagegen auf die bisherige possession, die prästanda von ihren Bauern und Unterthanen nach Wilkühr zu erheben, beziehen wolten; allermassen das allgemeine Beste hierunter den particulier-interesse schlechterdings zu preferiren ist, und Se. Königl. Maj. zwar Dero Edelleuthe gerne bey den ihrigen schützen, aber auch zugleich nicht haben wollen, dass die Unterthanen dadurch unterdrücket und bis auf das Blut ausgesogen werden sollen.

Was endlich den 3. punct wegen der verschiedenen dortigen Land-Räthe anbetrift, so sich von ihren Pflichten, wie oben mit mehrern gedacht, sehr weit entfernet haben; So würde solches ein grosses Übel vor Se. Königl. Maj. Dienst sowohl, als vor die Landes-Unterthanen seyn, wann solche Leuthe weiter in ihren Amte toleriret werden solten. Dannenhero die Cammer nach kurtzer und gantz summarischer Untersuchung erwehnte solche Landräthe sogleich absetzen und cassiren und andere würdige und ehrliche Leuthe in deren Stelle setzen soll.

Potsdam den 15. November 1755.

Friedrich.

Quelle: Rudolph Stadelmann, Preussens Könige in ihrer Thätigkeit für die Landescultur. Zweiter Theil. Friedrich der Grosse. Leipzig: S. Hirzel, 1882, S. 326-28.

Friedrich II. („der Große”), Denkschrift an die Kurmärkische Kammer über das Verhältnis zwischen Gutsherren und Bauern (1755), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-heilige-roemische-reich-1648-1815/ghdi:document-3605> [04.11.2024].