Kurzbeschreibung

Um die hohen Kosten ausländischer Söldner zu vermeiden und Desertionen auf ein Mindestmaß zu reduzieren, verfügte der preußische König, dass die körperlich robusten (und groß gewachsenen) Söhne der einfachen preußischen Leute, besonders von Dorfbewohnern, in seine Regimente rekrutiert werden sollten. Zu diesem Zweck unterteilte er sein Herrschaftsgebiet in Rekrutierungsbezirke oder Kantone. Die eingezogenen Soldaten leisteten zu Friedenszeiten relativ kurze aktive Dienstzeiten ab und gingen ansonsten ihrem üblichen Erwerb nach, außer während jährlicher Manöver außerhalb der Saison. Diese Praxis nahm Preußens Übernahme der allgemeinen Wehrpflicht im 19. Jahrhundert vorweg, an die sich der aktive und inaktive Reservedienst anschloss.

Einführung des Kantonreglements für Brandenburg-Preußen, erlassen von Friedrich Wilhelm I. (dem „Soldatenkönig“) als ein Befehl an Generalfeldmarschall Albrecht Konrad Finck von Finckenstein (1. Mai 1733)

Quelle

Mein lieber General Graff v. Finckenstein.

Dieweil bishero so viel Unordnung und keine egalité mit denen enrollirten, so die Regimenter haben, gewesen, da ein Regiment mehr enrollirten hat, als es brauchen kann, etliche Regimenter aber zu wenig haben; So habe ich resolvirt und zur Conservation der Armée gut befunden, eine richtige Disposition zu machen, was jedes Regiment zu seinen enrollirten für Oerther und Feuer-Stetten haben soll. Jch schicke Euch also die Disposition, was euer Regiment für Feuer-Stetten bekommet, an der Zahl 7790, so in 10 Theile getheilet auf jede Compagnie ohngefehr 700 und etliche 10 Feuer-Stellen ausmachet. Einen Theil davon kann sich die Leibcompagnie auswehlen; Um die andern 9 Theile aber sollen die übrigen Compagnien spielen.

An alle die enrollirten, so Euer Regiment durch diese Disposition bekommet, sollen die übrigen Regimenter keinen Anspruch machen, ausgenommen, was Leuthe sind, die würcklich in währender Exercier-Zeit in Reyhen und Gliedern gestanden, ingleichen die alten Soldaten, so würcklich fünff Jahre unter einem Regiment als Soldaten gedienet haben und ausrangiret sind, die sollen denen Regimentern, so sie vorhin gehabt, verbleiben. Alle die übrige Pässe, so vorhin gegeben sind, werden hierdurch für null und nichtig erkandt; Hingegen sollen alle neue enrollirten von eurem Regiment mit neuen Pässen versehen werden und alle den Eyd der Treue schwehren, daß sie S. Königl. May. und dem Regiment, auch der Compagnie, wobey sie kommen, obligat seyn sollen.

Die neue Feuer-Stellen, so jede Compagnie krieget, sollen dazu seyn, von der jungen Mannschafft die besten Leuthe zu nehmen, um sich complet zu halten und Zuwachs zu haben. Dann müssen sie auch soviel Knechte davon nehmen, als sie vermöge Reglement alsdann haben müssen, wenn das Regiment zufelde gehet. Desgleichen sollen sie davon soviel Leuthe nehmen, als sie zu denen neuen Garnisons abgeben müssen, wozu sie jedoch ihre alte ausrangirte Knechte mit emploiren und die fehlenden vom Lande dazu nehmen sollen.

Einem jeden von denen neuen enrollirten soll ein kleiner Püschel um den Hut gegeben werden, von denen alten Püschels, so das Regiment ableget, wenn es neue Hüte bekommt, und sollen alle diese enrollirten des Regiments nicht nur mit neuen Pässen von denen Capitains jeder Compagnie, nach denen ihnen zugetheilten Cantons versehen werden, sondern auch vorgedachter maßen dem König, dem Regiment und der Compagnie, wobey sie kommen, schweren.

Jhr sollet auch sowohl, als der Commandeur des Regiments, fleißig Rollen von denen Enrollirten jeder Compagnie halten, wieviel und was für darunter sind, die sich wegen der Werbung außer Landes retiriret, und bisher conniviret worden, müssen sie suchen dieselbe wieder beyzuschaffen, weil Ich will, daß keine Durchschleifferey passiren und Niemand conniviret werden noch einem andern Überlast geschehen soll.

Was aber in diesem District und Canton angesessen ist imgleichen was nicht Wachsthum hat soll gar nicht enrolliret werden und muß bey Vermeidung Meiner schwhersten Ungnade auch bey Verlust von Ehre und Reputation keiner, der mit Haus und Hoff angesessen ist, enrolliret werden.

Die in der Beylage specificirte Städte sind Eurem Regiment in der Disposition nicht mit angesetztet; Also könnet Ihr und der Commandeur des Regiments solche noch eintheilen an die Compagnien, so den schlechtesten Canton bekommen haben.

Hiebey habt Jhr auch die offene Circular-Ordre zu empfangen, welche Jch an die Priester des Eurem Regiment zugeschlagenen Districts dieserwegen ergehen lassen und sollet Jhr diese Ordre an gedachte Prediger zur Publication von denen Cantzeln insinuiren lassen, auch einem jeden Priester die Nahmens der Oerter von seiner Pfarre, so Eurem Regiment zum enrolliren assigniret seyn, damit sie bey Ablesung Meines Edicts solche Oerter zugleich ablesen können.

Jch zweifle also nicht, Jhr und der Commandeur des Regiments werdet Euch bestreben, das Regiment hierdurch in gutem Stande zu erhalten, und dieses heylsahme Werck wohl, gerecht und unpartheyisch einrichten, und soll dies Ordre von dem 1ten May an zur Execution gebracht werden. Jch bin

Euer wohlaffectionirter König

F. Wilhelm

Potsdam, den 1. May 1733

An das Regiment von Finckenstein

Quelle: Eugen von Frauenholz, Das Heerwesen in der Zeit des Absolutismus. München: Beck, 1940. (Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens. Unter Mitw. von Walter Elze und Paul Schmitthenner. Hrsg. von Eugen von Frauenholz. Bd. 4.) S. 243–45; abgedruckt in Helmut Neuhaus, Hrsg., Zeitalter des Absolutismus 1648–1789. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Hrsg. Rainer A. Müller, Band 5. Stuttgart: P. Reclam, 1997, S. 458–64.

Einführung des Kantonreglements für Brandenburg-Preußen, erlassen von Friedrich Wilhelm I. (dem „Soldatenkönig“) als ein Befehl an Generalfeldmarschall Albrecht Konrad Finck von Finckenstein (1. Mai 1733), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-heilige-roemische-reich-1648-1815/ghdi:document-3581> [05.11.2024].