Kurzbeschreibung

Die Niederlage bei Roßbach gegen die kleinere, aber effektiver eingesetzte Armee Friedrichs II. versetzte dem Ansehen der kaiserlichen Truppen unter Führung der Habsburger einen harten Schlag. In diesem Text wendet sich Generalfeldmarschall Joseph Friedrich von Sachsen-Hildburghausen (1702–1787), Befehlshaber der kaiserlichen Truppen der Schlacht bei Roßbach, an Kaiser Franz I., den Gemahl der Kaiserin Maria Theresia, und führt die Schwächen der besiegten Armee auf, einer Koalition antipreußischer deutscher Truppen, die in Übereinstimmung mit Frankreich handelten.

Er unterscheidet zwischen der kaiserlichen Reichsarmee, die aus Einheiten verschiedener Mitgliedsstaaten und Fürstentümer bestand auf der einen Seite und der Armee der österreichischen Monarchie auf der anderen Seite, welche aus den verschiedenen Habsburger Territorien innerhalb des Heiligen Römischen Reiches rekrutiert war. Die letztere der beiden Armeen, welche ebenfalls als kaiserliche Truppe bezeichnet wird (da der Herrscher über Österreich gleichzeitig auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches war), wird im Text als spezifisch österreichische Armee dargestellt. Der Kommandant spricht, vielleicht verwirrend, von „Détachements“, womit er Einsätze oder Abordnungen kleinerer berittener Truppen aus größeren Formationen meint, die verschiedene Kampfhandlungen ausführen. Er schlägt vor, das Verhältnis zwischen Reichsarmee und österreichischer Armee zu reformieren, allerdings spielte die Armee des Heiligen Römischen Reiches nach der Niederlage bei Roßbach keine Rolle während des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) mehr.

Die Einschätzung der Reichsarmee nach ihrer Niederlage unter österreichischem Kommando bei der Schlacht von Roßbach (24. November 1757)

Quelle

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Ich bin weit entfernet, die von so vielen Ansehnlichen Churfürsten Fürsten und Ständen des Reichs aus patriotischen Eyfer ruhmwürdigst gestellte Trouppen zu verachten, will auch nichts weniger, als in Abrede stellen, daß mit der Zeit etwas recht gutes heraus kommen könne, es seynd ein- und andere wackere Männer, so wohl unter der Generalitaet, als denen Staabs- und andere Offizieren, darbey und ist es ganz ohnwidersprüchlich, daß, wann man von allen Regimentern die guten Subjecta zusammennehmen und ein Totum daraus formiren könnte, ein Corpo, so man omni exceptione majus nennen dörfte, herauf zu bringen wäre.

Diese gute Subjecta aber seynd allzusehr zerstreuet, und wo exempli gratia, bei einem Regiment ein vortreflicher Obrister ist, gehet es vielleicht bey dem übrigen Staab ab, ein anders Regiment hat den Ausbund von einem guten Major, ein anderes einige gute Hauptleuthe mithin, wann diese alle unter einem Corps beysammen wären würden sie miracles thun, am Platz aber, wo sie seynd, können sie nichts würcken, weil die Zahl der unerfahrnen jene der habilen Leuthe gar zu starck übertrift; nichts desto weniger ließe sich mit der Zeit alles aus ihnen machen, dann es ist nicht zu läugnen, daß die Mannschaft aus ansehnlichen Leuthen bestehet; Ich kan Mich auch über den guten Willen im mindesten nicht beklagen, sondern habe vielmehr zum öftern Mich verwundert, wie diese Leuthe (da ihnen so oft das Brod abgegangen, ja der Tag von der Bataille der siebende, wo sie ohne Brod waren, gewesen ist) dennoch alles, was man ihnen befohlen hat, vollzogen haben, und was noch mehr ist, Allergnädigster Herr, Ich muß bekennen, daß von dem alletzeit befürchtetem Fanatismo religionis nicht das mindeste Simptoma sich nur geäußert hat, ohnerachtet die Franzosen, durch ihr unmenschliches Verfahren in denen acatholischen Landen, besonders gegen die Geistl[ich]en und Kirche, diesen Glaubens-Verwandten überflüßige Gelegenheit zu einer Verbitterung an Hand gegeben hatten.

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Ew. Kay[serliche] May[estät] erlauben Mir, daß Ich Mich eines Gleichnus bedienen möge: Diese Leuthe seyen nicht anders zu betrachten, als diejenige Hetz-Hunde, die von der besten Razza, aber noch nicht eingehetzet seyn; ein guter Hetzmeister wird solche zum erstenmahl nicht gleich an einen Bären oder Löwen wagen, maßen sie sonsten auf einmahl würden abgeschröckt und furchtsam gemachet werden, sondern er giebt ihnen zuförderist ein schwaches und hernach ein etwas bißigeres Thier, endlich aber und zuletzt, da sie das Anpacken schon gewohnt seynd, hetzet er dieselbe auf alles an, was ihm nur ins Gesichte kommet. Hätte man mit diesen Trouppen auf eine nemliche Art verfahren, hätte man ihnen die Evolutiones, die Schwenckungen, das Auf- und Abmarchiren, die Art und Weise, wie sie sich vor dem Feind formiren, und wie sie manoeuvriren sollen, zeigen, hätte man sie in denen Kriegs-Reguln, was ein jeder in seinem Caractere, auf Zug und wachten, im Campiren, Marchiren und Operiren, auf Détachements, Bedeckung der Artillerie, Bagage, Magazins, p.p., hauptsächlich aber im Angesicht des Feindes zu thun habe, unterrichten und mit einem Wort, hätte man dieselbe in eine rechtschaffene Kriegs-Disciplin setzen können: So stelle Ich Selbsten nicht in Zweiffel, daß sie ihre Schuldigkeit so gut, als andere, gethan haben und noch thun würden; allein, so haben aber diese des Feuers und feindlichen Angesichts vollkommen ungewohnte Leuthe gleich zum erstenmahl gegen den allervigoureusesten Feind, der nunmehro in Europa ist, angeführt werden müßen, und das Exempel der Französischen Trouppen, so doch im Feuer geübte Soldaten seyn, hat ihnen warrlich den Muth nicht wachsen machen können; mithin wird es Ew. Kay[serlichen] May[estät] ein leichtes seyn deren Horoscop heraus zu ziehen.

Da es nun dermahlen nicht darauf ankommt, Allergnädigster Herr, in welchen Stand diese Trouppen mit der Zeit kommen werden, sondern in was vor einem Stand sie würcklich de praesenti sich befinden? so muß Ich, nach obangeführter zu zweyenmahlen vor allen Generalen in dem Kriegs-Rath geäußerten Meynung, dabey beharren, daß pro hic et nunc dieselbe allein, und ohne einen mächtigen Soutien von Kay[serlich-]Königl[ich]en Trouppen, diesem Feind nicht können unter die Augen gestellet werden.

Hiernächst, Allergnädigster Kayser und Herr, müßen Ihro Kay[serliche] May[estät] wißen, daß keine Wagenburg vorhanden, die Bespannung der meisten Regiments-Proviant und Zelter-Wägen, ja, sogar der Artillerie und Munition dahin ist, nicht minder einige Regimenter vollkommen ohne Zelter sich befinden; Dero Erleuchteten Allerhöchstem Urtheil und Entscheidung stelle Ich also anheim, ob, und wie sothane Trouppen, sonderheitlich in dieser späten Jahres-Zeit, zu bewegen seyen? Hierzu kommt noch der ohngemein-wichtige Umstand, daß Ich mit Cavallerie so gut, wie gar nicht, versehen bin; einestheils habe Ich derselben sogar in der Quantitaet zu wenig, und anderntheils ist an der Qualität ein großer Mangel.

Gegen die Bravoure der Reichs-Cavallerie habe ich nicht das mindeste zu errinnern, aber, Mein Gott! Allergnädigster Herr, in dem Manoeuvre ist dieselbe völlig inexpert, mithin komt der König in Preußen mit seiner Cavallerie geschwinder um die ganze Armée herum, als Ich nur mit einigen Schwadronen von dieser eine Schwenkung machen kan, und Ew. Kay[serlichen] May[estät] ist es doch Allergnädigst nicht unbekannt, daß diesem Feind pur allein durch geschwinde Manoeuvres etwas abzugewinnen ist.

Dero Reichs-Vice-Cantzler wird es nicht in Abrede stellen, was bündige und nachdrückliche Vorstellungen Ich deshalben noch vor Meiner Abreise von Wien und ex post fast in allen Briefen gemacht habe; Ich bin ja nicht im Stand gewesen kaum ein Detachement abzuschicken, und weiß Ich es am besten, wie Mir zu Muth ware, so lange jenes mit St. Germain sich von der Armée abwesend befunden hat; sothanes Detachement ist nur in 400 Kay[serlichen] Cuirassiers bestanden, maßen die übrigen von den Reichs-Trouppen und Franzosen waren; und eben dieses hat ersagtem St. Germain stetshin zum Praetext seiner Inaction gedienet, gestalten er Mir, daß er zu wenig Cavallerie, auf die er sich verlaßen könnte, bei ihm hätte, in allen Briefen vorgerupft hat, und gleichwohl ist der Abgang solcher wenigen Mannschaft gar stark bey Dero zwey Regimenter verspüret worden.

Wann von 12 000 Pferden ein- und zwey tausend détachirt seynd, wird es kaum gemercket, wann aber bey 1200 Pferden 400 mangeln, da bleiben nur 800 übrig, und fühlt man den Abgang gar starck. Ihro Kay[serliche] May[estät] seynd Selbsten ein großer Feldherr, Ich bitte dahero, nach Dero Eigener Erkanntnus nur zu beherzigen, wie unbeweglich eine solche Armée seye, die da mit keinem Détachement etwas unternehmen kan; bald soll man den Feind observiren, bald eine Convoye bedecken, bald eine andere wegnehmen, bald soll man die Hußaren souteniren, bald feindliche Posten und Détachements aufheben, in summa, es ist notorisch, daß fast alle in dem vorigen Krieg über den Feind erfochtene Avantagen durch lauter Détachements, ja, auch in diesem Feldzug viele herrliche Vortheile durch solche erhalten worden sind.

Ach Gott! Allergnädigster Monarch, hätte Ich nur 6000 Pferde Kayserl[ich-]Königl[ich]e Trouppen bey Mir gehabt, das Theatrum belli solte ein anderes Aussehen und man nicht nöthig gehabt haben, Mir die Schwäche des Feindes so oft zu Gemüthe zu führen, dann, was hilft es, Allergnädigster Herr, wann er auch nur die Helfte von Meiner Stärcke, im Gegentheil aber Mir an Cavallerie überlegen ist, mit 6000 Pferden auf die Flanque fallen, und Ich demselben nicht mehr als 1200 entgegen setzen kan. Dieses ist gleichwohl der wahre Casus der Bataille und die Ursache deren Verlustes gewesen, maßen der Feind mit etlich- und 20 Schwadronen avancirt ist, gegen welche 14 Kayserl[ich]e, die noch dazu sehr schwach seyn, tête biethen müssen. Dero Regimenter haben nichts desto weniger Merveilles gethan, und ist es ganz ohnwidersprechlich, daß, wann Ich auch nur noch zwey andere Kayserl[ich]e Regimenter gehabt hätte, die feindl[ich]e Cavallerie sich niemahls wiederum hätte erstellen sollen, und wir die aller-completteste Victorie erfochten haben würden, dann hätten wir nur einmahl den allbereits erhaltenen Vortheil über die Cavallerie souteniren können, so wäre niemahls der erschröckliche Terror pannicus unter die Franzosen gekommen, und könnten Ihro May[estä]t versichert seyn, daß sich alsdann von der feindl[ich]en Infanterie nicht ein Gebein salviret hätte, unerwogen die combinirte Armée fast anderthalb mahl stärcker, als die feindliche gewesen ist, ja, Gott weiß, wie weit diese Victorie, die wir doch warrlich schon in Händen gehabt, und pur wegen Abgang Kayserl[ich-]Königl[ich]er Cavallerie verlohren haben, sich erstrecken können? da der Feind zwischen lauter Wäßern eingesperrt und seine Retirade über Brücken zu nehmen bemüßiget ware.

Hieraus also erhellet, daß, ohne mehrere Kayserl[ich]e Cavallerie ohnmöglich ein mindester Schritt zu machen seye.

Allergnädigster Herr, Ew. Kay[serliche] May[estät] geruhen es Mir zu keiner Ungnade anzurechnen, wann Ich aus bekantem treu-devôtem Herzen Allerhöchst Deroselben den einzigen Modum vorschlage, mittelst welchem Dieselbde, nach Meinem schwachem Begrif und nunmehro von der Sachen habenden Kanntnus, von dieser Armée einen Nutzen ziehen könnten.

Zwey Haupt-Observationes bitte Ich unterthän[igst] pro basi zu nehmen:

Eine, daß oberwehntermaßen diese Trouppen allein denen Preußen nicht entgegen zu setzen.

Die zweyte aber, daß so wohl die Generalen, als auch die Regimenter nicht von gleicher Güte seyn.

Hieraus also resultiret der Schluß: Quoad primum, daß, um diese Trouppen zu einer vigoureusen Operation zu gebrauchen, dieselbe mit genugsamen Kayserl[ich-]Königl[ich]en Völckern vermischt und

Quoad secundum, die weniger gute Generalen und weniger gute Regimenter separirt und auf Seiten gehalten werden müßen.

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Solchemnach dann, Allergnädigster Kayßer und Herr, bleibe ich dabey, daß Ihro Kay[serliche] May[estät] anderster nicht einen ersprießlichen Dienst von dieser Reichs-Armee haben können und werden, als wann Allerhöchst-Dieselbde die Entschliesung faßen, ein Corpo von 40 000 Mann, lauter Dero Eigenen (mit nichten aber von denen Bayer[ischen] und Würtemberg[isch]en, und dergl[eich]en Auxiliar-Völckern, dann diese thun gut, wann sie bey Dero Trouppen seyn und den zehnden Theil von der Armée ausmachen, hier aber würden sie die nemliche, wie die Reichs-Trouppen, seyn, sondern von puren wahren) Kayserl[ich-]Königlichen Regimentern, so da mit Hußaren, Croaten, Artillerie, Munition, Fuhrwesen, Proviantirung und allen Requisiten, versehen seyn, zusammensetzen, zu diesem aber eine Anzahl von ohngefähr 10 000 Mann Reichs-Trouppen, mit ausgesuchten Generalen, stoßen, mithin eine Armée von 50 000 Mann formiren, die übrige aber zu Bedeckung der Craiße, oder allenfalls in ein- und andere Garnisonen emploïren zu laßen. Auf solche Art könnten Ihro Kay[serliche] May[estät] sothanem Corpo alletzeit den Nahmen der Executions-Armée geben, und gleichwohl jenen Nutzen davon haben, den Sie von einer aus puren Reichs-Trouppen allein componirten Executions-Armée niemahlen erhalten werden.

Wahr ist es, Allergnädigster Kayßer und Herr, daß überhaupt die ganze Verfaßung bey denen Reichs-Trouppen in ein anderes Modell gegoßen werden solte, dann, wann auch der Feind diese Armée nicht schlägt, so muß sie die eigene Verfaßung schlagen. Dieses aber ist ein Punckt, durch deßen ausführliche Beschreibung Ich von der Geduld Ew. Kay[serlichen] May[estät] einen allzu großen Mißbrauch machen würde.

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Quelle: Kriegsarchiv Wien. Alte Feldakten 1757 Reichsarmee 11/85; abgedruckt in Helmut Neuhaus, Hrsg., Zeitalter des Absolutismus 1648-1789. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Hrsg. Rainer A. Müller, Band 5. Stuttgart: P. Reclam, 1997, S. 113–21.