Quelle
Königlich-Preußisches General-Land-Schul-Reglement,
wie
solches in allen Landen Seiner Königlichen Majestät von Preussen
durchgehends zu beobachten.
De Dato Berlin, den 12. August, 1763.
Wir Friedrich, von Gottes Gnaden, König von Preussen […]
Thun kund und fügen hiemit jedermänniglich zu wissen: Demnach Wir zu Unserm höchsten Misfallen selbst wahrgenommen, daß das Schulwesen und die Erziehung der Jugend auf dem Lande bisher in äussersten Verfall gerathen und insoderheit durch die Unerfahrenheit der mehresten Küster und Schulmeister die jungen Leute auf den Dörfern in Unwissenheit und Dummheit aufwachsen: so ist Unser so wohlbedachter als ernster Wille, daß das Schulwesen auf dem Lande in allen unsern Provinzen auf einen bessern Fuß als bishero gesetzet und verfasset werden soll. Denn so angelegentlich Wir nach wieder hergestellter Ruhe und allgemeinem Frieden das wahre Wohlseyn Unserer Länder in allen Ständen Uns zum Augenmerk machen: so nöthig und heilsam erachten Wir es auch zu seyn, den guten Grund dazu durch eine vernünftige sowol als christliche Unterweisung der Jugend zur wahren Gottesfurcht und andern nützlichen Dingen in den Schulen legen zu lassen. Diesemnach befehlten Wir hierdurch und kraft dieses aus Höchsteigener Bewegung, Vorsorge und Landes-väterlicher Gesinnung zum Besten Unserer gesamten Unterthanen, allen Regierungen, Consistoriis und übrigen Collegiis Unsers Landes, welche dazu ihres Ortes alles mögliche beytragen sollen, allergnädigst und ernstlichst, auf nachstehendes General-Land-Schul-Reglement veste zu halten und alles ins künftige darnach einzurichten, damit der so höchstschädlichen und dem Christenthum unanständigen Unwissenheit vorgebeuget und abgeholfen werde, um auf die folgende Zeit in den Schulen geschicktere und bessere Unterthanen bilden und erziehen zu können.
§ 1.
Zuförderst wollen Wir, daß alle Unsere Unterthanen,
es mögen seyn Eltern, Vormünder oder Herrschaften, denen die
Erziehung der Jugend oblieget, ihre eigene sowol als ihrer Pflege
anvertraute Kinder, Knaben oder Mädchen, wo nicht eher doch
höchstens vom Fünften Jahre ihres Alters in die Schule schicken,
auch damit ordentlich bis ins Dreyzehente und Vierzehente Jahr
continuiren und sie so lange
zur Schule halten sollen, bis sie nicht nur das Nöthigste vom
Christenthum gefasset haben und fertig lesen und schreiben,
sondern auch von demjenigen Red und Atwort geben können, was ihnen
nach den von Unsern
Consistoriis verordneten und
approbierten Lehrbüchern
beygebracht werden soll.
§ 2.
Selbst diejenige Herrschaften, welchen wegen des
Dienst-Zwanges und des in Preussen sogenannten Schaarwerks die
Kinder der Unterthanen auf gewisse Jahre vorzüglich dienen müssen;
werden hiemit alles Ernstes erinnert, nach ihrer Pflicht dahin
Sorge zu tragen, daß solche Kinder nicht eher den Schulen entzogen
werden, bevor sie im Lesen fertig, im Christenthum einen guten
Grund geleget, auch im Schreiben einen Anfang gemachet und darüber
Zeugniß vom Prediger und Schulmeister denen
Visitatoribus vorgezeiget
haben. Eltern und Vormünder müssen sich noch mehr und von selbst
verpflichtet halten, ihre Kinder und Pflegkinder in den nöthigen
Stücken gnugsam und hinlänglich unterrichten zu lassen.
§ 3.
Sollten einige Kinder entweder durch ihre eigene
Fähigkeit oder durch den angewandten Fleiß des Schulmeisters vor
dem Dreyzehenten oder Vierzehenten Jahr es in den aufgegebenen
Stücken beym Lernen ziemlich weit gebracht haben, so stehet es
doch nicht in der Eltern und Vormünder Willkühr, sie nach eigenen
Gefallen aus der Schule zu nehmen und zu Hause zu behalten,
sondern wenn Superintendens,
Praepositus oder
Inspector nach Anzeige des
Predigers und auf das Zeugniß des Schulmeisters die Profectus
eines Kindes hinlänglich befindet, so soll derselbe deshalb ein
ordentliches Dimissoriale, welches auf obgedachte Zeugnisse
gegründet seyn muß, zu geben befugt seyn. Es müssen aber solche
Kinder der Wiederholungs-Stunde des Sonntags nicht nur bey dem
Prediger in der Kirche, sondern auch bey dem Schulmeister in der
Schule fleißig beywohnen.
§ 4.
Weil an vielen Orten die Eltern ihre Kinder des
Sommers nicht in die Schule schicken, unter dem Vorwand, daß sie
das Vieh hüten müssen, so haben deshalb Unsere Beamten oder
Gerichts-Obrigkeiten an den Orten, wo Dörfer oder Gemeinschaften
sind, ehe die Kinder dadurch von der Schule abgehalten werden
sollten, dahin zu sehen, daß so weit es möglich, ein eigener
Vieh-Hirte hierzu möge bestellet werden. […]
§ 5.
Um aber wegen der Sommer- und Winter-Schulen etwas
gewisses zu bestimmen, so wollen Wir, daß die Winter-Schulen an
allen Wochen-Tagen Vormittags von 8 bis 11 und Nachmittags, den
Mittwoch und Sonnabend ausgenommen, von 1 bis 4 gehalten werden
sollen. Die Winter-Schule gehet von Michaelis bis Ostern
unausgesetzt fort. Die Sommer-Schulen aber sollen nur des
Vormittags oder nach den Umständen des Ortes Nachmittags in drey
Stunden alle Tage der Woche gehalten werden. Um welche Stunden des
Tages aber der Unterricht seinen Anfang nehmen soll, solches
werden die Prediger, nach den Umständen ihres Ortes, bestens zu
bestimmen und einzurichten wissen. Keine Ferien werden verstattet,
sondern selbst in der Erndte müssen die Schulen auf vorgedachte
Art gehalten werden: Doch mit dem Unterscheid, daß da im Winter
auf jede Lection eine ganze
Stunde, dagegen im Sommer nur eine halbe Stunde darauf gewendet
werden soll.
Und da Uns nicht unbekannt, daß an manchen Orten die Beamte und Adeliche Patronen rühmlichst dafür gesorget, daß die Sommer-Schulen, so wie die Winter-Schulen sowol Vor- als Nachmittags ordentlich gehalten werden, so wird durch gegenwärtige Verordnung solche löbliche Einrichtung weder abgeschaffet noch verändert, sondern es kann und soll dergleichen Christliche Sorgfalt für das Beste der Kinder billig andern zum Exempel der Nachfolge dienen.
§ 6.
Des Sonntags soll ausser der Catechisations- oder
Wiederholungs-Stunde des Predigers in der Kirche auch vom
Schulmeister eine Wiederholungs-Stunde in der Schule mit den noch
unverheiratheten Personen im Dorf gehalten werden. Es sollen sich
dieselbe theils im Lesen, theils im Schreiben, üben. Das Lesen
geschicht in dem Neuen Testament oder einem andern erbaulichen
Buche, und zur Uebung im Schreiben können ein Paar Sprüche oder
die Epistel und das Evangelium genommen werden. An den Orten, wo
der Schulmeister nicht zugleich Küster ist und die Filiale mit dem
Prediger bereisen darf, soll der Schulmeister überdem gehalten
seyn, entweder Vor- oder Nachmittags mit den Kindern in der Kirche
zu singen, sie den Catechismum hersagen zu lassen und aus
demselben und der Ordnung des Heils ihnen leichte Fragen zur
Beantwortung vorzulegen. Solte ein Küster und Schulmeister des
Catechistrens noch nicht recht erfahren seyn, so muß der Prediger
ihm dasjenige, was er catechistren und fragen soll, nach den
Lehrbüchern vorschreiben und aufgeben: damit auf solche Weise die
Alten, welche mit gegenwärtig seyn sollen, nebst den Kindern
erbauet und in der Erkenntniß befördert werden mögen.
§ 7.
Was das Schul-Geld betrift, so soll für jedes Kind,
bis es zum Lesen gebracht wird, im Winter Sechs Pfennige, wenn es
aber zum Lesen gekommen, Neun Pfennige, und wenn es schreibet und
rechnet Ein Groschen wöchentlich gegeben werden. In den
Sommer-Monaten dagegen wird nur Zwey Drittheil von diesem
angesetzten Schul-Gelde gereichet, so daß diejenige, welche Sechs
Pfennige im Winter gegeben, nach dieser Proportion Vier, welche
Neun Pfennige gegeben Sechs, und welche sonst Einen Gorschen
gegeben, nunmehro Acht Pfennige geben sollen. Ist etwa an ein und
dem andern Orte ein mehreres an Schul-Geld zum Besten der
Schulmeister eingeführet, so hat es dabey auch ins künftige sein
Bewenden.
§ 8.
Wenn aber einige Eltern
notorisch so arm wären, daß sie
für ihre Kinder das erforderliche und gesetzte Schul-Geld nicht
bezahlen könten, oder die Kinder, welche keine Eltern mehr haben,
wären nicht im Stande, das Schul-Geld zu entrichten, so müssen sie
sich deshalb bey den Beamten, Patronen, Predigern und
Kirchen-Vorstehern in so ferne dieselbe über die Kirchen-Mittel zu
disponiren haben, melden: da
denn, wenn kein anderer Weg vorhanden, entweder aus dem
Klinge-Beutel, oder aus einer Armen- oder Dorf-Casse die Zahlung
geschehen soll, damit den Schulmeistern an ihrem Unterhalt nichts
abgehe, folglich dieselbe auch beydes armer und reicher Leute
Kinder mit gleichem Fleiß und Treue unterrichten mögen.
§ 9.
[Jährliche Schulpredigt und Sammlung. Am St. Michaels
Tag - 29. September - soll eine Festpredigt gehalten werden, in
der über christliche Erziehung und Erbauung der Jugend gepredigt
werden soll. Nach der Predigt sollen Geldspenden eingesammelt
werden und mit diesem Geld sollen Schulbücher für die Kinder der
Armen angeschafft werden.]
§ 10.
Da nun für den nöthigen Unterricht der Kinder
bestens gesorget wird, so sollen diejenigen Eltern, Vormünder und
andere, denen die Erziehung der Kinder oblieget, welche wider
diese heilsame Verordnung ihre Angehörige nicht zur Schule
schicken, dennoch für jedes Kind die gesetzte Zeit über, das
gewöhnliche Schul-Geld, welches Vormünder in solchem Fall ihren
Pflege-Kindern zu berechnen nicht befugt sind, den Schulmeistern
entrichten, und wenn sie durch ernstliche Vermahnung des Predigers
dazu nicht zu bringen seyn, daß sie die Kinder ordentlich zur
Schule halten, so sollen sie dazu durch eines jeden Ortes
Gerichts-Obrigkeit, wenn andere Mittel nicht helfen wollen, mit
der Execution angestrenget
werden. Wenn überdem bey der
Schul-Visitation der
Visitator in Erfahrung bringen
solte, daß Eltern ihre Kinder in dem vergangenen Jahre nicht
fleißig zur Schule gehalten, so sollen sie dahin sehen, daß
deshalb Sechszehen Groschen Straf-Gelder zur Schul-Cassa gegeben
werden. Wir befehlen demnach hierdurch allen Unseren Beamten und
Gerichts-Obrigkeiten ernstlich, auf die erste Anzeige des
Schulmeisters, die Eltern, Vormünder, oder welchen die Kinder
zugehören und in deren Brodt sie stehen, sofort vorzufordern und
zu vernehmen, warum die Kinder vom Schulgehen zurückgehalten
worden? Solte sich nun nicht finden, daß dieselbe durch
Kranckheiten daran behindert worden, so müssen sie durch gehörige
Zwangs-Mittel, wie vorhin gedacht, die nöthige
Remedur fördersamst
verschaffen.
§ 11.
Zu solchem Ende und hierauf desto genauer zu achten, sollen die Schulmeister sich nicht nur eine Designation von allen Kindern des Districts oder Dorfes, worinnen sie den Unterricht besorgen sollen, von den Predigern aus dem Kirchen-Register geben lassen; damit sie wissen, welche Kinder von dem Alter sind, daß sie zur Schule müssen geschicket werden: sondern sie haben auch dahin zu sehen, daß sie sich, nebst dem monatlichen Verzeichniß der vorhandenen Schul-Kinder einen ordentlichen Schul-Catalogum halten, darinnen die Kinder nach folgenden Stücken eingetragen werden:
1) Nach ihrem Vor- und Zunamen. 2) Nach ihrem Alter. 3) Nach ihren Eltern. 4) Nach ihren Wohnungen. 5) Nach der Zeit, wenn sie in die Schule aufgenommen worden. 6) Nach den Lectionen, worinnen sie unterrichtet werden. 7) Nach ihrem Fleiß oder Nachläßigkeit im Lernen. 8) Nach dem Vermögen ihres Verstandes. 9) Nach den Sitten und übrigen Verhalten. 10) Nach ihrem Abgang aus der Schule.
Diesen Catalogum, den kein Kind lesen muß, lässet sich nicht nur der Visitator vor der jährlichen Schul-Visitation einschicken, sondern der Prediger lässet sich auch denselben bey dem wöchentlichen Besuch der Schule einhändigen, damit er die unartigen Kinder bemercken, auch eine Erinnerung zur Besserung thun und mit den Eltern deshalb reden könne, als wodurch der Leichtsinnigkeit und Bosheit gesteuret werden kan.
Was aber vorgedachtes monatliches Verzeichniß der Kinder anbetrift, so ist davon eine in Kupfer gestochene und gedruckte Tabelle mit Linien nach allen Tagen des Monats durchzogen vorhanden, wornach sich die Schulmeister dergleichen verfertigen können. Hierinnen werden blos die Namen der Kinder annotiret, welche der Schulmeister jederzeit zu Ende der Tages-Lection ablieset und diejenige anmercket, welche mit oder ohne Erlaubniß ihrer Vorgesetzten fehlen. Das dienet den Kindern zum Fleiß und den Eltern, welche ihre Kinder unordentlich zur Schule schicken und doch wol sagen: unsere Kinder sind schon so viele Jahr in die Schule gegangen und haben nichts gelernet; können desto besser bedeutet werden, wie die Schuld davon nicht den Schulen und dem Schulmeister, sondern ihnen selbst beyzumessen sey.
§ 12.
Da es aber bey einer guten Schulverfassung
vornehmlich auf einen rechtschaffenen Schulmeister ankömmt, so ist
hienechst Unser so wol allergnädigster als ernstlicher Wille, daß
von allen und jeden, welche Schulmeister und Küster zu bestellen
haben, darauf mit allem Fleiß gesehen werde, daß zu den
Schulämtern auf dem Lande ins künftige recht tüchtige Leute
gelangen mögen. Es muß aber ein Schulmeister nicht nur
hinlängliche Geschicklichkeit haben, Kinder in den nöthigen
Stücken zu unterrichten; sondern auch dahin trachten, daß er in
seinem gantzen Verhalten ein Vorbild der Heerde sey und mit seinem
Wandel nicht wiederum nierreisse, was er durch seine Lehre gebauet
hat. Daher sollen sich Schulmeister mehr als andere der wahren
Gottseligkeit befleißigen und alles dasjenige verhüten, wodurch
sie den Eltern und Kindern anstößig werden können. Vor allen
Dingen müssen sie sich bekümmern um die rechte Erkentniß Gottes
und Christi: damit, wenn dadurch der Grund zum rechtschaffenen
Wesen und wahrem Christenthum geleget worden, sie ihr Amt vor Gott
in der Nachfolge des Heilandes führen und also darinnen durch
Fleiß und gutes Exempel die Kinder nicht nur auf das gegenwärtige
Leben glücklich machen, sondern auch zur ewigen Seligkeit mit
zubereiten mögen.
§ 13.
Ob wir nun gleich die adliche und andere Patronen in
ihrem Rechten die Küster und Schulmeister zu erwehlen und zu
bestellen ungekränckt belassen wollen: so müssen doch alle Unsere
Consistoria, durch die
Superintendenten,
Inspectores,
Praepositos und Ertzpriester,
dahin sehen, daß weder ungeschickte und untüchtige noch auch
ruchlose und einen bösen Wandel führende Küster und Schulmeister
angesetzet, oder wo sie angesetzet worden, geduldet werden.
Insonderheit ist dahin zu rechnen, wenn sie dem Trunk oder
Diebstahl ergeben sind, Zänckerey in der Gemeine anrichten, sich
widerspenstig und ungehorsam beweisen oder der Unzucht und Hurerey
überführet werden. Wo sich dergleichen geäussert, ehe und bevor
einer zum Schuldienst angenommen worden: so wird er dadurch
eo ipso unfähig, das Amt eines
Leheres in Schulen zu bekleiden; und
Patroni müssen in diesem Fall
ein anderes unbescholtenes
Subjectum zum
Examen schicken. Würde aber
dergleichen erst wahrgenommen, wenn sie schon im Amt stehen, so
soll nicht nur bey Einsendung der jährlichen
Conduiten-Listen solches
angemercket, sondern auch sofort an Unsere
Consistoria berichtet werden,
damit das Nöthige deshalb verordnet und fernerem Aergerniß
vorgebeuget werde: weil nach Befinden dergleichen anstößig lebende
und ruchlose Schulmeister sofort cum
effectu ab officio suspendiret und hiernächst auf gebührenden
Process von Gerichts-Obrigkeiten cassiret werden müssen. Es soll
ihnen auch hiemit Wirthschaft zu halten, Bier und Brandwein in
Gelagen zu verkauffen oder sich mit andern dergleichen Dingen zu
bemengen, dadurch ihre Schul-Arbeit möchte verhindert oder der
Gemeine und der Jugend zu Versündigung und Ausschweiffung Anlaß
gegeben werden, insbesondere der Besuch der Schencken und Krüge,
auch andere bey Gastmahlen und sonsten mit der Musique zu bedienen
bey hoher willkührlicher Strafe gäntzlich verboten seyn.
§ 14.
Es müssen aber überhautp auf dem Lande keine Küster
und Schulmeister ins Amt eingewisen und angesetzet werden, ehe und
bevor sie von den Inspectoribus
examiniret, im Examine
tüchtig befunden und ihnen ein Zeugniß der Tüchtigkeit mitgegeben
worden. Es soll auch kein Prediger befugt seyn, einen als Küster
und Schulmeister zur Kirchen- und Schul-Arbeit zu admittiren, wenn
er nicht gedachtes Zeugniß des Examinis und daß er darinnen wohl
bestanden, vorher beygebracht.
Was inzwischen Unserer eigene Land-Schulen bey den Amts-Städten und in den Amts-Dörfern anbelanget, so haben Wir in Unserer Chur-Marck schon hiebevor die Verordnung ergehen lassen, wiederholen auch solche hiedurch so gnädig als ernstliche, daß keine zu Schulmeister und Küster angenommen werden sollen, als welche in dem Chur-Märckischen Küster- und Schul-Seminarion zu Berlin eine zeitlang gewesen, und darinnen den Seiden-Bau sowohl, als die vortheilhaften bey den teutschen Schulen der Dreyfaltigkeits-Kirche eingeführte Methode des Schulhaltens gefasset haben. Und da Wir dem Ober-Consistorial-Rath und Prediger Hecker besonders aufgetragen und allergnädigst anbefohlen haben, Unsere Land-Schulen in den Königlichen Aemtern mit guten Subjectis aus dem Seminario angelegentlich zu versorgen, so treten solche, wenn sie von gedachtem Unserm Ober-Consistorial-Rath mit einem Zeugniß der Tüchtigkeit der Königlichen Chur-Märckischen Krieges- und Domainen-Cammer zur Erhaltung ihrer ordentlichen Vocation praesentiret worden, das Amt dergestalt an, daß sie deshalb eine Probe-Lection in der Kirche singen und hiernechst eine Unterrichtungs- oder Lehr-Probe bey den Kindern in der Schule entweder in Gegenwart des Inspectoris oder in Beyseyn des Predigers und einiger Personen von der Gemeine machen müssen: So bald demnach ein Küster oder Schulmeister in einem Königlichen Chur-Märckischen Amts-Dorfe verstirbet, muß der Prdiger solches mit dem Specifique Ertrag der Stelle und ob eine Orgel vorhanden, dem Inspectori schriftlich bekannt machen. Der Inspector berichtet deshalbe sogleich an das Ober-Consistorium und erwartet, ob aus dem Chur-Märckischen Schulmeister-Seminario jemand verabfolget werden könne, oder ob ihm aufgegeben werde, mit Zuziehung des Predigers, ohne einigen Anstand ein gutes Subjectum ausfündig zu machen und nach Berlin zur Untersuchung und Haltung der Probe-Lectionen hin zu schicken. Im Fall solcher Mensch nicht tüchtig befunden werden solte, so muß derselbe entweder das Schulmeister-Seminarium auf eigene Beköstigung so lange frequentiren, bis er das erforderliche Zeugniß der Tüchtigkeit erhalten hat, oder es muß ein anderes und besseres Subjectum in Vorschlag gebracht werden.
§ 15.
Diesemnach müssen sich auf dem Lande sowol in den
Flecken und Dörfern als auch in den Amts- und kleinen Land-Städten
keine Personen des Schulhaltens anmassen, welche nicht als
ordentliche Schulmeister auf vorgedachte Art den Beruf und die
Freyheit zu informiren erhalten
haben. Daher denn alle Winckel-Schulen, sie mögen von Manns- oder
Weibs-Personen gehalten werden, hiedurch bey Strafe gänzlich
verboten seyn sollen. Unterdessen bleibet es wohlhabenden Eltern
nach wie vor erlaubt, für ihr Haus und Kinder Privat
Informatores zu halten, jedoch
so, daß nicht anderer Leute Kinder, die noch nicht in höhern
Wissenschaften unterrichtet werden können, von der ordentlichen
Schule zurück gehalten und in dergleichen Privat-Unterricht hinein
gezogen werden.
§ 16.
So wenig einem Schulmeister erlaubet ist, unter der
Schule die Schul-Kinder zu seiner Haus-Arbeit zu gebrauchen, so
wenig soll er sich auch unterstehen, in den gewöhnlichen und
angesetzten Schul-Stunden seiner Hand-Arbeit oder andern
Geschäften nachzugehen, oder seine Frau unterdessen
informiren zu lassen: welches
jedoch alsdenn geschehen kann, wenn er zwar seine Schul-Stunden
ordentlich abwartet, aber wegen Menge der Kinder sich bey den
Kleinen durch dieselbe oder eine andere Person helfen lässet.
Solte er nun die Schul-Information entweder auf diese oder andere
Weise versäumen, so muß ihm von dem Prediger deshalb nöthige
Erinnerung geschehen. Würde er aber dennoch fortfahren in
Unterrichtung der Jugend nachläßig zu seyn, so muß solches bey der
Visitation dem
Inspectori ec.angezeiget
werden, damit dergleichen Unordnung bestraffet werden könne.
§ 17.
[Der Schultag soll mit einem Gebet beginnen]
§ 18.
[Die Schulstunden sind festgelegt: von 8-11 und von
13-16 Uhr, falls nicht anders entschieden]
§ 19.
[Die Aufteilung des Schultages wird genauestens
festgelegt. Zusammenfassung:
Morgens.
In der 1. Stunde soll zuerst ein Gesangbuchlied gesungen werden. Jeden Monat wird ein neues Lied ausgewählt und gesungen und somit auswendig gelernt.
Danach soll ein Kind das bereits lesen kann, ein Gebet vorlesen, worauf alle Kinder gemeinsam mit dem „Vater Unser“ antworten.
Anschließend wird ein Stück aus Luthers Katechismus gelesen und erklärt.
In der 2. Stunde wird zuerst das ABC gelernt. Lesen vom Alten und Neuen Testament. Abschnitte in der Bibel selbst finden, Bibelstellen auswendig lernen.
In der 3. Vormittagsstunde wird gelesen, jede Woche werden zwei neue Buchstaben gelernt, schreiben, buchstabieren. Die Regeln des Lesens werden erklärt. Die Vormittagsstunden schließten mit einem Gebet und einem Psalm.]
[…]
§ 20.
Da aber das Land bisher mit allerhand Lehrbüchern,
insonderheit Erklärungen des Catechismi und sogenannten Ordnungen
des Heils überschwemmet worden, indem ein jeder Prediger nach
eigenem Gefallen die Unterrichtsbücher erwehlet oder dergleichen
selbst gemacht und drucken lassen; wodurch jedoch die Kinder,
besonders wenn die Eltern den Ort ihrer Wohnung verändert haben,
im Lernen sehr confundiret
worden: so wollen Wir, daß ins künftige in allen Land-Schulen
sowol wo Wir selbst die Jura
Patronatus haben, als auch wo Adeliche oder Magisträte und
andere Personen Patroni
sind, keine andere Lehrbücher in den Land-Schulen und bey den
Catechisationen, als die von
Unsern Consistoriis
verordnet und approbiret
worden, sollen gebrauchet werden. Dahin gehören nach Maasgebung
der Umstände auf dem Lande und in den Amts-Städten das Neue
Testament, die Gebets-Uebung genannt, darinnen nicht nur die
Eintheilung eines jeden Buchs befindlich, sondern auch der
Haupt-Inhalt eines jeden Capitels in ein Gebet verfasset ist, um
der Jugend an die Hand zu geben, wie sie die aus dem Worte GOttes
gelesene Wahrheiten in ein Gebet fassen und darüber GOtt anrufen
sollen. Hiernächst die Hällische oder Berlinische Bibel, welche in
den Parallelen sowol als Paginis übereinkommen: ferner der
zergliederte sowol als der erklärte Catechismus Lutheri; der
Inhalt der Biblischen Bücher; die Christliche Lehre im
Zusammenhang; das Berlinische Buchstabir- und Lesebuch; das
Allgemeine von GOtt, von der Welt und dem Menschen, und das
Lehrbüchlein zum Unterricht der Kinder auf dem Lande in allerhand
nöthigen und nützlichen Dingen.
§ 21.
Diesemnach sollen nicht nur einerley Bücher in der
Schule gebrauchet werden, sondern die Prediger und Schulmeister
müssen auch besonders dahin sehen, daß ein jedes Kind sein eigenes
Buch habe, so daß nicht eines bey dem andern ins Buch einsehen
darf. Wenn den armen Kiindern aus den Kirchen-Mitteln oder aus
einer andern Gemein-Casse Bücher frey angeschaffet werden, so
brauchen sie dieselben zwar in der Schule: es wird ihnen aber
nicht erlaubet, solche mit sich nach Hause zu nehmen, sondern der
Schulmeister nimt sie bey dem Schluß der Schul-Stunden in seine
Bewahrung und muß darüber ein
Inventarium gehalten werden,
so daß sie beständig bey der Schule verbleiben.
§ 22.
Die Disciplin muß weislich geschehen: so daß den
Kindern die Eigenliebe als die Quelle aller Sünden entdecket und
ihre Abscheulichkeit gewiesen, der Eigensinn oder Eigenwille mit
Fleiß gebrochen, auch das Lügen, Schimpfen, Ungehorsam, Zorn,
Zank, Schlägerey ec. ernstlich, jedoch mit Unterscheid und nach
vorhergegangener gnugsamer Ueberzeugung des geschehenen
Verbrechens bestrafet werden. Wobey die Schulmeister in Züchtigung
der Jugend sich aller ungeziemenden Heftigkeit, sündlichem Eifers
und Scheltens enthalten und dagegen so viel möglich eine
väterliche Bescheidenheit und Mäßigung dergestalt gebrauchen
sollen, daß die Kinder wegen schädlicher Lindigkeit nicht
verzärtelt, noch durch die übermäßige Strenge scheu gemachet
werden. Wenn aber bey verübten grössern Verbrechen und Bosheit
andern zum Exempel eine grössere und nachdrücklichere Bestrafung
anzustellen seyn möchte, sollen sie solche für sich nicht
vollziehen, ohne es vorher dem Prediger anzuzeigen und seine
Belehrung darüber einzuholen; der denn in solchen Fällen das
Verbrechen der Kinder gründlich untersuchen und die Sache
unpartheyisch zu entscheiden wissen wird, da denn die Eltern der
Kinder aus unzeitiger Zärtlichkeit nicht widersprechen noch in die
Schul-Sachen sich mischen müssen.
§ 23.
An den Sonn- und Fest-Tagen sollen die Eltern
gehalten seyn, die Kinder des Sonntags vor der Predigt zum
Schulmeister zu schicken, damit sie ordentlich zur Kirche gebracht
werden und daselbst unter guter Aufsicht seyn mögen. Da denn der
Schulmeister mit denselben in Ordnung zur Kirche hinein und nach
völlig geendigtem Gottesdienst ordenlich und stille wieder hinaus
gehet; auch in der Kirche bey seinen Schul-Kindern in einem
besondern Stuhl stehen muß, damit er nicht nur die ausbleibende
anmercken, sondern auch auf die anwesende wohl acht haben könne,
damit selbige sich sittsam und wohl betragen, den Gesang mit
gehöriger Andacht mit singen, unter der Predigt des Plauderns und
Muthwillens sich entschlagen, hingegen allezeit aus der Predigt
etwas behalten mögen, welches sie denn in der nächsten
Schul-Stunde des Montags darauf anzeigen müssen. Nicht weniger
haben auch die Schulmeister bey den Leichen auf das Verhalten der
Knabe, mit welchen sie die Leichen besingen, wohl acht zu geben
und zu verhüten, daß selbige nicht nach eigenen Wohlgefallen durch
einander oder zur Seite auslauffen, sich stossen, oder muthwillig
bezeigen, sondern zwey und zwey zusammen stille einhergehen und
diejenige, so fertig lesen können, den Gesang mit verrichten
helfen, folglich auch dabey alles ordentlich zugehe; wie sie denn
bey aller Gelegenheit sittsam, bescheiden, höflich und freundlich
in Geberden, Worten und Werken sich erzeigen müssen.
§ 24.
Und wie die Schulmeister sonst in allen Schul-Sachen
des Raths und Gutachtens ihrer vorgesetzten Prediger sich zu
bedienen haben und an dieselbe kraft dieses
General-Land-Schul-Reglements verwiesen werden; also sind sie
ihnen auch von allem, so in ihr Amt läuft, auf Erfordern
Rechenschaft zu geben und fernere Anweisung in der
vorgeschriebenen Lehr-Methode und Disciplin von ihnen anzunehmen
schuldig: Gestalt Wir denn zu den Predigern das allergnädigste
Vertrauen haben, ihnen es auch hiedurch auf ihr Gewissen binden,
sie werden die an ihren Oertern etwa eingerissene Misbräuche und
Mängel, so allhier nicht angeführet werden können, abzustellen
ernstlich bedacht seyn und das Schulwesen je mehr und mehr zu
verbessern suchen. Daferne aber solches ein- oder der andere von
den Schulmeistern verabsäumen und in Wahrnehmung seines Amtes nach
seiner Vocation und dieser
allgemeinen Land-Schul-Ordnung fahrläßig befinden würde, so hat
ihn der Pastor seiner Schuldigkeit und Pflicht ernstlich jedoch
bescheidentlich ein und das andere mal zu erinnern und falls er
sich dem ohngeachtet daran nicht kehren würde, an Oertern wo
Gerichts-Obrigkeiten vorhanden, es denenselben zur
Remedur vorhero anzuzeigen:
Zugleich aber auch denen
respective
Superintendenten,
Inspectoribus,
Praepositis oder
Erz-Priestern davon sofort Nachricht zu geben und wenn auch deren
Erinnerung nicht verfangen will, so haben dies dem
Consistorio zu
nachdrücklicher Ahndung nach Befinden mit der
Suspension und
Remotion zu berichten.
§ 25.
Insonderheit aber ist Unser allergnädigster Wille,
daß die Prediger auf den Dörfern und in den Amts-Städten die
Schulen ihres Ortes wöchentlich zweymal, bald Vormittags, bald
Nachmittags, besuchen, und nicht nur die
Information des Küsters oder
Schulmeistersn anhören, sondern auch selbst über den Catechismus
und andere Lehr-Bücher Fragen bey den Kindern anstellen sollen.
Auch müssen sie monatlich in der Pfarr-Wohnung mit den
Schulmeistern in Matre und
den Filialen eine
Conferenz halten und
denselben das Pensum,
welches sie im Catechismo und sonst zu
absolviren haben, aufgeben;
ihnen auch anzeigen, was für ein Lied, Psalm und welche Sprüche
den Monat über von den Kindern auswendig gelernet werden sollen.
Er giebt ihnen hiernächst Unterricht, wie sie sich die
Haupt-Stücke aus der Predigt bemerken und die Kinder darüber
befragen können; imgleichen thut er Erinnerung von den Mängeln,
welche er in der Information
bemerket, von der Methode, von der
Disciplin und andern zur
Information nöthigen Sachen,
damit die Schulmeister ihrer Pflicht nachkommen mögen. Welcher
Prediger aber wider Vermuthen in Besuchung der Schulen, oder
Wahrnehmung der in diesem
Reglement ihm auferlegten
Pflichten sich säumig oder nachläßig finden und nicht ernstlich
sich wird angelegen seyn lassen, die Küster und Schulmeister zu
der genauesten Beobachtung dieses Reglements anzuhalten, soll,
falls es erweislich, daß er denen ihm solcherhalb geschehenen
Erinnerungen, gebührlich nicht nachgekommen, entweder auf eine
Zeitlang cum effectu
suspendiret oder auch wohl gar dem Befinden nach seines Amtes
ersetzet werden: allermassen die Fürsorge für den Unterricht der
Jugend und die gehörige Aufsicht darauf, mit zu den wichtigsten
und vornhemsten Pflichten des Predigt-Amts nicht allein gehöret,
sondern Wir auch selbige ausdrücklich als solche dafür angesehen
wissen wollen.
§ 26.
Den Superintendenten und
Inspectoribus oder auch
Praepositis und
Erz-Priestern jedes Krayses befehlen Wir endlich hiedurch auf das
allernachdrücklichste, die gesamten land-Schulen ihrer
Inspection jährlich selbst
zu bereisen und mit aller möglichen
Attention den Zustand jeder
Land-Schule genau zu
examinieren und zu
untersuchen, ob die Eltern und Vorgesetzte ihre Kinder und
Untergebene, zur Schule gehalten, oder darinnen nachläßig gewesen?
Ob die Prediger im Besuch der Schulen und Beobachtung obangeregter
Anordnungen zur Aufsicht über die Schulmeister ihrer Pflicht und
Schuldigkeit nachgekommen? insonderheit, ob die Schulmeister die
nötige Capacität haben oder
ob sie untüchtig sind, und was sonsten deshalb zu erinnern und zu
verbessern stehe? Wovon dem gedachte
Superintendenten und
Inspectores ihre pflichtmäßige
Berichte alljährlich an Unser hiesiges
Ober-Consistorium zur
weiteren Einsicht und Verfügung einsenden sollen. […]
Wie Wir denn hiemit die deshalb schon in vorigen Zeiten ergangene heilsame Verordnungen hiedurch erneuert und bestättigt wissen wollen, insonderheit, daß sich kein Prediger unterstehen soll, Kinder die nicht von seinen Gemeinden sind oder noch nicht lesen können und von den Grund-Wahrheiten der Evangelischen Religion keinen richtigen und hinlänglichen Begriff erlanget haben, zur Confirmation und noch weniger zur Communion anzunehmen.
[…]
So geschehen und gegeben Berlin, den 12. August, 1763.
Friedrich
Quelle: Königlich-Preußisches General-Land-Schul-Reglement, wie solches in allen Landen Seiner Königlichen Majestät von Preussen durchgehends zu beobachten. Berlin and Magdeburg: Hechtel, 1763. Online verfügbar unter: https://digitale.bibliothek.uni-halle.de/vd18/content/pageview/5561426