Kurzbeschreibung

Joseph II. konzentrierte das Universitätsstudium in seinen ausgedehnten Territorien an einer Handvoll Institutionen. Er beabsichtigte, den Volksschulunterricht auszuweiten und die Hochschulbildung weg von den traditionellen humanistischen Fächern hin zur politikorientierten Ausbildung von Staatsbeamten auszurichten.

Joseph II., Schreiben an den österreichischen Kanzler und böhmischen Obersten Heinrich Cajetan Graf von Blümegen zur Universitätsreform im österreichischen Reich (29. November 1781)

Quelle

Lieber graf Blümegen! Der wichtige punkt der studien hat schon eine weile den wunsch bey mir nach sich gezogen, selben auf das möglichste zu vereinfachen und zu vervollkommen. Ich habe also vor allem einen vorsteher ausgewählet, der dem studienwesen angemessen und durch seine kenntniss und arbeitsamkeit, mit diesem werk allein beladen, selbes zu dem erwünschten ziel gelangen machen könne. Dieser ist der hofbibliothekar baron Suiten, welchem sie per decretum bedeuten werden, dass er den vorsitz bey der studienhofcommission als praeses zu nehmen habe und nachhero seine vorstellungen und protocolla nur der böhmisch-österreichischen hofkanzley, so wie die censurscommission, zur weitern beförderung an mich zu übergeben habe. Alle den rang vor ihm habende haben eo ipso von der erscheinung bey der studien-commission hinfüro auszubleiben. Die directores facultatum sind aber allda vi officii und haben unter ihm als benannten praeses zu stehen. Da nichts vollkommenes gemachet werden könnte, wenn nicht alle theile, die miteinander relatif sind, zusammengezogen würden und einander die hände böthen, so wird dieser studien-direction auch das ganze normalschulwesen unterzuordnen und einzuverleiben seyn und wird also probst Felbiger hinfüro mit cessirung seines amtes und gage allhier blos bey seiner abtey in Hungarn und mit dirigirung des normalschuhlwesens allda beschäftigt verbleiben, hier aber die geschicktesten directores, seyen es Piaristen oder andere, welt- oder geistliche, zum normalschulwesen beybehalten werden. Das hauptwerk wird in dem bestehen, dass eine wohlverfasste instruction für den baron Suiten selbst entworfen und die principia festgesetzet werden. Zu diesem entwurfe will ich noch folgende grundsätze geben:

1mo sollen hinfüro die grossen universitäten auf 3 in den österreichisch- und böhmischen landen eingeschränket werden, nämlich Wien, Prag und eine in Galitzien. Die Innsprugger, die Brünner und die Freyburger cessiren und werden nachhero

2do in diesen nämlichen provinzen und noch einigen anderen nur gymnasien, in welchen doch auch die jura tradiret werden, mit viel wenigeren professoren jedoch, und aus keinem medicinischen fache, wohl aber einer chyrurgischen und hebamschule bestehen.

3° An der hiesigen universität werden die unnützen lehrer, als jene von ausländischen sprachen und dergleichen, einzustellen seyn,

4° zu besetzung der lehrämter muss die gröste sorgfalt und die beste auswahl getroffen werden, ohne rücksicht der nation und religion und alles per concursum, was nicht weltbekannte geschickte männer sind.

5° Man wird das beste aus den unterschiedlichen fremden universitäten eingeleitetes hernehmen und anwenden und auch ein- und andere geschickte professores hieher zu ziehen beflissen seyn.

6° Von den aufhörenden universitäten wird man die geschickteste professores auswählen und zu der in Galitzien zu errichtenden übersetzen. Einsweilen

7°, bis man nicht recht vergewisst ist, was besseres zu finden, wird man sich an die bestehende theologische, philosophisch- und juridische vorlesbücher in allen halten.

8° Die verbindung der normalschullehre mit den humanioribus ist das hauptwerk, was wohl beobachtet werden muss, und wird hauptsächlich zu sehen seyn, ob nicht besonders die grammatic von der landessprache könnte gelehret werden, damit die leute desto stärker in derselben würden, wo sie doch am meisten dem staate zu dienen haben.

9° wird ein aufsatz zu machen seyn, wie überhaupt in den böhmischen und österreichischen erblanden die studien und schulen einzutheilen seyen, damit nicht die anzahl der lateinischen schulen zu übermässig und die beköstigung genau bestimmet werden könne, da die anzahl der das lesen und schreiben lernenden so gross als möglich, jene der auf höhere studien sich verwendenden minder und endlich jene, die alle studien der universität frequentiren, nur die ausgesuchteste talente seyn müssen.

Quelle: Die Österreichische Zentralverwaltung. Abt. 2: Von der Vereinigung der Österreichischen und Böhmischen Hofkanzlei bis zur Einrichtung der Ministerialverfassung (1749–1848). Bd. 4: Die Zeit Josephs II. und Leopolds II. (1780–1792). Aktenstücke. Bearbeitet von Friedrich Walter. Wien: Holzhausen, 1950, S. 118–19; abgedruckt in Helmut Neuhaus, Hrsg., Zeitalter des Absolutismus 1648–1789. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Hrsg. Rainer A. Müller, Band 5. Stuttgart: P. Reclam, 1997, S. 431–34.

Joseph II., Schreiben an den österreichischen Kanzler und böhmischen Obersten Heinrich Cajetan Graf von Blümegen zur Universitätsreform im österreichischen Reich (29. November 1781), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-heilige-roemische-reich-1648-1815/ghdi:document-3638> [12.07.2024].