Quelle
Ziele deutscher Kolonialpolitik
Von E. von Liebert
Das Programm der „Post“ ist mit Freuden zu begrüßen, was die Hauptsache ist, es lehrt uns, auf ein großes Ziel losgehen. Die Krankheit der deutschen Politik seit dem verhängnisvollen 20. März 1890 war ihre Ziellosigkeit, der beständige Wechsel der Projekte, das niemalige Durchführen eines Gedankens. Die großen Erfolge der anderen Nationen in den letzten zwanzig Jahren, die völlige Verteilung der Welt unter die übrigen und die traurige Rolle des Aschenbrödels für Deutschland haben eine tiefgehende Mißstimmung in unserem Volke erzeugt. Dasselbe sieht seine eigenen Fortschritte nach jeder Richtung und daneben seine Zurückdrängung und Kaltstellung ohne die leiseste Berücksichtigung bei Austeilung der Gaben. Gegenwärtig soll es sich mit der Zuteilung von Landstrichen Innerafrikas ohne Küste zufriedengeben. Die Entladung des so lange aufgespeicherten Grolls wird ganz von selbst kommen.
Das neue Programm lautet also:
Mittelafrika deutsch. Es ist zu
billigen, weil
1. nichts anderes in der Welt mehr für uns zu
haben ist;
2. die deutschen Gebiete an der Ost- und Westküste
das Innere bereits stark einschließen;
3. wir Ansprüche geltend
zu machen haben auf den heutigen portugiesischen Kolonialbesitz.
[…]
Leider müssen wir mit der Tatsache rechnen, daß von der Regierung und von der Diplomatie in bezug auf politische Initiative wenig oder nichts zu erwarten ist.
[…]
Unter solchen Umständen muß die Nation mitwirken, um jenes Zukunftsprogramm zu verwirklichen. Die Deutschen müssen die Gebiete, die wir als deutsches Zukunftsland ansprechen, nach berühmten Mustern „friedlich durchdringen.“ Wir müssen Forschungsreisen dorthin ausrüsten, wirtschaftliche Unternehmungen, Pflanzungen dort anlegen, Handelsfaktoreien, Missionsstationen gründen, Eisenbahnen bauen, genau so verfahren, wie die Amerikaner in Mexiko u[nd] a[n anderen] O. [rten] vorgehen, wo sie später herrschen wollen. Die übrigen Nationen werden dann unsern Expansionstrieb kennen und würdigen lernen, sie werden zugleich unsere wirtschaftliche Stärke begreifen. Durch die in Einzelfällen entstehenden Schwierigkeiten wird die deutsche Regierung sich genötigt sehen einzugreifen.
[…]
Quelle: Die Post, Nr. 7 vom 5.1.1912. Zitiert nach Horst Gründer, „… da und dort ein junges Deutschland gründen.“ Rassismus, Kolonien und kolonialer Gedanke vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. München, 1999, S. 197–198.