Kurzbeschreibung

In diesem Feldpostbrief vom September 1914 an den Redakteur des Vorwärts beschreibt der Soldat Johann Knief einen Angriff an der Westfront. Vor dem Krieg war Knief Mitglied der SPD in Bremen und Sprecher ihres linken Flügels. 1914 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen und war an mehreren Schlachten beteiligt, bevor er einen Nervenzusammenbruch erlitt. 1915 wurde er aus dem Militär entlassen. Im Januar 1918 wurde er wegen politischer Agitation gegen den Krieg verhaftet und erst während der Novemberrevolution befreit. Er unterstützte die Gründung des Spartakusbundes und war 1919 einer der führenden Köpfe der Bremer Räterepublik, doch starb er noch im selben Jahr an einer Blinddarmentzündung.

Johann Knief über die verheerende moderne Kriegführung (29. September 1914)

Quelle

„Leute, schreit Hurra, so laut ihr könnt, dann laufen die Franzosen von selbst weg“, so ermunterten die Offiziere die Soldaten. Und sie schrien, wie weiland die Horden Hermanns des Cheruskers geschrien haben mochten, als echte Germanen. Der Gegner verhielt sich indessen völlig ruhig, und mancher der Kameraden mochte wohl wirklich glauben, daß das Geschreie in der Tat die beste Sturmwaffe sei. […]

Bis auf 50 Meter ließen die schlauen Franzosen die irregeführten Truppen herankommen. Dann aber brach ein Feuer aus Kanonenschlünden und Gewehrläufen auf die Braven los, daß man glauben konnte, der Weltuntergang sei gekommen. Ein dichter Hagel von Geschossen prasselte in die dichten Reihen der Deutschen hinein. Eine Verwirrung entstand, die die ganzen vorgehenden Regimenter im Nu auseinandersprengte. Alles rannte durcheinander, Offiziere traten mit 8, 10, 12 Mann als den Trümmern ihrer Kompanie den Rückmarsch an. Sie flüchteten bis weit hinter die Front. Jetzt ist alles vorbei, hörte ich einen Leutnant sagen. […]

Quelle: H. Otto und K. Schmiedel, Hg. Der erste Weltkrieg. Dokumente. Ost-Berlin, 1983, S.95-6. In Auszügen abgedruckt in Bernd Ulrich und Benjamin Ziemann, Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit. Berlin, 1995, S. 86–7.