Kurzbeschreibung

August Stramm (1874–1915) war ein Beamter und Reserveoffizier mit einer Neigung zu experimenteller Lyrik. Er befürwortete begeistert den Krieg und sah die Gewalt des Krieges als eine stärkende Eigenschaft. Er fiel 1915 an der Ostfront; kurz vor seinem Tod war er in den Rang eines Bataillonskommandeurs befördert worden. Stramm hielt die Bilder und Geräusche des Kriegs mit einem zutiefst modernistischen Einfühlungsvermögen fest, das an den Symbolismus von Stéphane Mallarmé und Paul Verlaine erinnert.

August Stramm, „Gewitter“ und „Schlacht“ (1914)

  • August Stramm

Quelle

I. „Gewitter“

Schwarz fletscht in Weiß
Die blauspielfrohen Dünste starren hagelgelb.
Helle flackert
Täubt zu Boden.
Wüten
Steinigt
Schlossen!
Tottoll krallet um die Nacht.
Matt aufadert
Blau das Recken
Bebet bäumet
Wuchtet
Hebt sich
Stemmt die Fäuste
Hartscharfkantig
Schellet Wolken
Hellet Ängste
Steht und streckt sich
Packt das Gurgeln
Und zerwürgt es
Nach ihm stürzend
Sich verbeißend
Kollernd rollend
In
Die
Leere!
Augen
Schleiern auf und schluchzen!
Tränen
Wellen
Lösen
Schrecken!
Lichter
Grellen
Hoch im Bogen!
Klänge
Schwingen
Freie
Starke
Sonnsiegklänge!

II. „Schlacht“

Ächzen ringt
Und
Stampfet in die Erde
Packen würgt
Und
Windet wühlt und stemmt
Die Lüfte stehn
Und
Klammern krampfzerrissen
Zerfetzen kracht
Und
Schellet gell zu Boden
Das Wissen stockt
Die Hoffnung bebt und starrt
Die Ahnung blutet
Schreien wächst empor
Das Leben
Flammt
Die letzten Brände
Sprühen
Wild
Krallt
Das Sterben
Auf
Zum Himmel.
Das Taglicht stickt
Die Nacht
Flort um
Das Grabtuch
Die Erde hüllt
Und
Liebe spreizt den Schoß
Die Sterne zittern
Strahlen brücket über
Die Zeit klimmt an
Und
Lächeln sammelt Tropfen
Und
Sammeln Lächeln
Lächeln Sammeln Schreiten
Und
Sammeln schreitet
Lächeln Schreiten Schwinden
Und
Schreiten schwindet
Schwinden Lächeln Schreiten
Und
Schwinden schreitet nach
Dem sturen Raum.

Quelle: August Stramm, „Gewitter“ und „Schlacht“ (1914), aus Das Werk, Hrsg. René Radrizzani. Wiesbaden: Limes Verlag, 1963, S. 111–12, 77–78.

August Stramm, „Gewitter“ und „Schlacht“ (1914), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-wilhelminische-kaiserreich-und-der-erste-weltkrieg-1890-1918/ghdi:document-728> [26.09.2025].