Kurzbeschreibung

Diese Denkschrift zeigt die umfassende Amtsgewalt, die das Militär aufgrund der Mobilisierung erhielt. Den stellvertretenden kommandierenden Generälen wurden weit reichende Vollzugsrechte über die Heimatbezirke ihrer Truppenverbände zugesprochen. Diese Vollzugsrechte beschnitten die individuellen Freiheiten drastisch und reichten von der Eigentumsbeschlagnahme bis zu Zensur und Inhaftierung. Da sich diese Bezirke mit der Zuständigkeit der Ziviladministration überschnitten, fügten sie eine weitere Ebene zu einer bereits ausufernden Bürokratie hinzu.

Die Machtbefugnisse der stellvertretenden kommandierenden Generäle (1915)

  • Wilhelm Freiherr von Gayl

Quelle

Nach der Ansicht namhafter Staatsrechtsgelehrter, der ich mich anschließe, stehen die durch Aufhebung der verfassungsmäßigen Garantien entstandenen Befugnisse nicht nur dem Militärbefehlshaber, sondern auch den Zivilverwaltungsbehörden zu. Daher bestimme ich, um für die Zukunft einheitliche Grundsätze zur Geltung zu bringen, über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden folgendes:

A.

Meiner persönlichen Entschließung behalte ich vor:

1.) Die Eingriffe in die persönliche Freiheit, insbesondere die Verhaftung von Personen,

2.) die Eingriffe in das Hausrecht, Durchsuchung und Beschlagnahme von Sachen,

3.) die Eingriffe in die Postfreiheit, Verbote bestimmter Veröffentlichungen, zeitweilige oder dauernde Unterdrückung von Zeitungen, Verbot von Büchern und sonstigen Druckschriften,

4.) die Eingriffe in das Briefgeheimnis durch Ueberwachung und Beschlagnahme des Brief-, Telegraphen- und Paketverkehrs,

5.) die Eingriffe in die Gewerbefreiheit (z. B. Schließung gewerblicher Betriebe, Beschränkung des Verkaufs bestimmter Waren überhaupt oder unter einschränkenden Bedingungen, Beschränkung der Ausfuhr von Waren aus bestimmten Gebieten in das Aus- oder das Inland),

6.) die Gestattung von Gewerbebetrieben unter Nichtbeachtung der sonst dafür gegebenen Vorschriften (z. B. bei Granatfabriken, nächtlich geräuschvoll arbeitenden Maschinen und dergl.), sei es für die ganze Dauer des Krieges, sei es auf bestimmte Zeit.

7.) Die Einziehung von Vorräten und Schließung von Geschäften, insbesondere auch Wirtschaften, soweit nicht nach der Bundesratsverordnung betr. den Ausschank und Verkauf von Branntwein oder Spiritus vom 26. 3. 1915 die Polizeiverwaltungen zuständig sind.

B.

1. Wenn in den Fällen zu A nach pflichtgemäßem Ermessen der Polizeibehörden die öffentliche Sicherheit ausnahmsweise ein sofortiges Eingreifen erfordert, so kann die Polizeibehörde selbständig das unmittelbar Erforderliche veranlassen, doch ist mir sofort unmittelbar Bericht zu erstatten, damit ich über die weiteren Maßnahmen Entscheidung treffen kann.

2. Die Erteilung oder Versagung der Genehmigung von Versammlungen bleibt wie in Nr. III 11 der Bekanntmachung vom 27. 11. 14 — IB Nr. 37895 — angeordnet, den dort genannten Zivilbehörden übertragen. Daraus folgt, daß diese befugt sind, die Genehmigung an jede ihnen zweckdienlich scheinende Bedingung, insbesondere auch bezüglich der Ueberwachung und Aufhebung zu knüpfen.

C.

Durch diese Verordnung wird die Zuständigkeit der Behörden, soweit sie durch die Straf- oder Zivilprozeßordnung oder sonstige Gesetze, insbesondere auch durch die Bundesratsverordnung betr. den Ausschank und Verkauf von Branntwein oder Spiritus vom 26. 3. 1915 geregelt ist, nicht berührt.

Der kommandierende General

Frhr. v. Gayl.

Quelle: Verfügung des stellv. kommandierenden Generals des VII. AK betr. die Regelung der Zuständigkeiten der Zivilverwaltungsbehörden. 23. Juni 1915, Münster, Abt. Ib Nr. 14676. — StA Münster, Zgg. 2/51, Nr. 394, Bd. 2, vervielfältigtes, eigenhändig vollzogenes Exemplar.; abgedruckt in Wilhelm Deist, Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1914–1918. 2 Bde. Düsseldorf, 1970, Bd. 1, S. 26–28.

Die Machtbefugnisse der stellvertretenden kommandierenden Generäle (1915), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-wilhelminische-kaiserreich-und-der-erste-weltkrieg-1890-1918/ghdi:document-819> [26.09.2025].