Quelle
Dem Königlichen stellvertretenden Generalkommando usw. übersendet das Kriegsministerium ergebenst in der Anlage eine auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers und Königs verfaßte und Allerhöchsten Orts genehmigte Ergänzung des auf Grund des Mobilmachungs-Plans § 20 B. 7 herausgegebenen Merkblattes für die Presse.
Das Kriegsministerium ersucht, die Anlage in der gleichen Weise, wie das erwähnte „Merkblatt“ der Presse bekannt zu geben, die Befolgung der darin ausgesprochenen Leitsätze zur Pflicht zu machen, und bei Verstößen gegen sie in geeigneter Weise vorzugehen.
Um das Königliche stellvertretende Generalkommando usw. hierin zu unterstützen, wird das Kriegsministerium zu beanstandende Artikel, die hier zur Kenntnis gelangen, dorthin mitteilen und ersucht andrerseits ergebenst, ihm in Zweifelsfällen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
In Vertretung
gez. v. Wandel.
[Anlage: Ergänzungen des Merkblattes für die Presse]
Es muß hervorgehoben werden, daß die bisherige Haltung der Presse und ihr Eingehen auf die in dem „Merkblatte für die Presse“ niedergelegten Grundsätze volle Anerkennung verdient und findet. Trotzdem darf nicht verkannt werden, daß hin und wieder einzelne Zeitungen über manche Dinge eine der großen Zeit nicht ganz angemessene Sprache führen. Dieser Umstand veranlaßt die Kriegsleitung in Ergänzung des „Merkblattes für die Presse“ die folgenden Leitsätze aufzustellen, die für die Dauer des Kriegszustandes zur Beachtung dringend empfohlen werden. Die Kriegsleitung ist überzeugt, daß es bei dem bisherigen patriotischen Verhalten der Presse es auch ihr Bestreben ist, ungewollte Schädigungen unserer großen Sache in Zukunft zu verhindern.
Leitsätze:
1. Ein Zweifel an der nationalen Gesinnung und Entschlossenheit irgendeines Deutschen, einer Partei oder Zeitung wirkt in hohem Maße nachteilig, weil er den Eindruck der deutschen Einheit und Energie beeinträchtigt.
2. Der deutsche Sieg bedeutet für viele fremde Völker die Befreiung von russischer Despotie und englischer Welthegemonie und nicht Unterdrückung. Es muß unserer Sache schaden, wenn deutscherseits eine gegenteilige Ansicht zum Ausdruck gebracht wird.
3. Die Sprache gegenüber den uns feindlichen Staaten kann hart sein. Eine beschimpfende, den Gegner unterschätzende Tonart aber ist kein Zeichen von Kraft. Die Reinheit und Größe der Bewegung, die unser Volk erfaßt hat, erfordert eine würdige Sprache.
4. Die im Auftrage Seiner Majestät des Kaisers von dem Reichskanzler geleitete auswärtige Politik darf in dieser kritischen Zeit, die über ein Jahrhundert entscheidet, durch keine offene und versteckte Kritik gestört und behindert werden. Zweifel an ihrer Festigkeit zu äußern, schadet dem Ansehen des Vaterlandes. Das Vertrauen in sie muß gehoben und darf ebensowenig erschüttert werden, wie das Vertrauen in die militärische Führung.
5. Aufforderungen zu barbarischer Kriegsführung, Vertilgung fremder Völker sind abstoßend; die Armee weiß, wo Strenge und Milde zu walten hat. Unser Schild muß rein bleiben. Ähnliche Aufforderungen der feindlichen Hetzpresse sind für ein gleiches Verhalten unsererseits keine Entschuldigung.
Quelle: Schreiben des preußischen Kriegsministeriums an die Militärbefehlshaber: Übermittlung und Erläuterung der Ergänzungen des Merkblattes für die Presse, 9. November 1914, Bundesarchiv/Militärarchiv, Freiburg i. Br., MA/RMA, Nr. 2049, XVII. 1. Mai 1933, Bd. 1, Abschrift.; abgedruckt in Wilhelm Deist, Militär und Innenpolitik im Weltkrieg 1914–1918. 2 Bände, Düsseldorf: Droste, 1970, Band 1, S. 81–83.