Kurzbeschreibung

Carl Schmitt (1888–1985) war preußischer Staatsrat und ein führender Professor für internationales und öffentliches Recht. Schmitt arbeitete während seiner Karriere hart daran, die Rechtmäßigkeit eines Gesamtstaates zu beschreiben, der willkürlich handelte und sich dem Rechtsstaat widersetzte. Hier begründet er das Konzept des „Führertums“ und das „Führerprinzip“ als eine wichtige Kraft hinter dem Gesamtstaat. Der Text ist durchdrungen von faschistischen Vorstellungen über die Rolle des Staates. Die Idee, dass der Staat niemals auf einer abstrakten Ebene operieren sollte, sondern durch konkrete Maßnahmen, die auf die Vereinigung seiner Menschen abzielen, steht im Mittelpunkt von Schmitts Argumentation. Darüber hinaus werden ethnische, religiöse und Klassenpluralität und Gleichheit als die größten Übel der Gesellschaft angesehen. Für Schmitt hat der Gesamtstaat und damit der Nationalsozialismus „den Mut, Ungleiches ungleich zu behandeln und notwendige Differenzierungen durchzusetzen“. Diese quasi-legalen Rechtfertigungen für den von den Nazis errichteten autoritären Staat sind bedeutsam, weil sie ein breiteres Verständnis des Faschismus und seiner angeblichen Überlegenheit gegenüber anderen Ideologien widerspiegeln.

Carl Schmitt, „Führertum und Artgleichheit als Grundbegriffe des nationalsozialistischen Rechts“ (1933)

Quelle

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1. Der Nationalsozialismus denkt nicht abstrakt und schablonenhaft. Er ist ein Feind alles normativistischen und funktionalistischen Machens. Er sichert und pflegt jede echte Volkssubstanz, wo er sie trifft, in Landschaft, Stamm oder Stand. Er hat das bäuerliche Erbhofrecht geschaffen; das Bauerntum gerettet; das deutsche Beamtentum von fremdgearteten Elementen gereinigt und dadurch als Stand wiederhergestellt. Er hat den Mut, Ungleiches ungleich zu behandeln und notwendige Differenzierungen durchzusetzen. [] In anderer Weise, aber aus dem gleichen Sinn für das konkrete Eigenwüchsige, kann der Nationalsozialismus auf dem Gebiet der kommunalen Selbstverwaltung den sachlichen Verschiedenheiten von Dorf, Landstadt, Industriegemeinde, Großstadt, Riesenstadt gerecht werden, ohne durch die falschen Gleichheitsvorstellungen eines liberaldemokratischen Schemas behindert zu sein.

a) Die Anerkennung der Mannigfaltigkeit eigenwüchsigen Lebens würde aber sofort wieder zu einer unglücklichen pluralistischen Zerreißung des deutschen Volkes führen, wenn nicht ein starker Staat das Ganze der politischen Einheit über alle Vielgestaltigkeiten hinaushebt und sichert. Jede politische Einheit bedarf einer zusammenhängenden, inneren Logik ihrer Einrichtungen und Normierungen. Sie braucht einen einheitlichen Formgedanken, der alle Gebiete des öffentlichen Lebens durchgängig gestaltet. Auch in diesem Sinn gibt es keinen normalen Staat, der nicht total wäre. So mannigfaltig die Gesichtspunkte für die Regelungen und Einrichtungen der verschiedenen Lebenssphären sind, so bestimmt muß auf der anderen Seite ein einheitliches, folgerichtiges Hauptprinzip anerkannt und festgehalten werden. Jede Unsicherheit und jeder Zwiespalt wird zu einem Ansatzpunkt zuerst staatneutraler, dann staatsfeindlicher Bildungen und zur Einbruchstelle pluralistischer Aufsplitterung und Zerreißung. Ein starker Staat ist die Voraussetzung eines starken Eigenlebens seiner verschiedenartigen Glieder. Die Stärke des nationalsozialistischen Staates liegt darin, daß er von oben bis unten und in jedem Atom seiner Existenz von dem Gedanken des Führertums beherrscht und durchdrungen ist. Dieses Prinzip, durch das die Bewegung groß geworden ist, muß sowohl in der staatlichen Verwaltung wie in den verschiedenen Gebieten der Selbstverwaltung sinngemäß durchgeführt werden, unter selbstverständlicher Berücksichtigung der durch die Besonderheit der Materie gebotenen Modifikationen. Es wäre aber nicht zulässig, ein bestimmtes wichtiges Gebiet des öffentlichen Lebens von der Herrschaft des Führergedankens auszunehmen.

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Quelle: Carl Schmitt, „Führertum und Artgleichheit als Grundbegriffe des nationalsozialistischen Rechts“, in Der deutsche Staat der Gegenwart, Heft 1, Staat, Bewegung, Volk. Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt, 1933, S. 32–33.

Carl Schmitt, „Führertum und Artgleichheit als Grundbegriffe des nationalsozialistischen Rechts“ (1933), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/deutschland-nationalsozialismus-1933-1945/ghdi:document-5103> [22.04.2024].