Quelle
Davos, den 12. Juli 37
Sehr geehrter Herr Dr. Schumann,
ich erhielt Ihr Geehrtes vom 8. d. Ich lebe seit 20 Jahren im Ausland und infolge meiner Krankheit sehr einsam und zurückgezogen. Ich bin nicht orientiert über die künstlerischen Vorgänge in Berlin. Ich will gewiß niemand im Wege stehen oder Aufsehen erregen. Ist mein Name in der Akademie lästig, so streichen Sie ihn. Ich würde mir arrogant oder albern vorkommen, wollte ich von mir aus aus [sic] dieser großen, ehrenwerten Institution austreten, der schon mein Großvater angehörte. Ich bin doch kein Feind. Wenn ich gesund wäre, würde ich ja so gern mitarbeiten am Aufbau einer neuen deutschen Kunst. Ich habe ja mein ganzes Leben hindurch daran gearbeitet und bin oft genug dafür angefeindet worden. Ich habe nie einer politischen Partei angehört. Meine Arbeit kommt aus dem einfachen menschlichen Empfinden und richtet sich an dasselbe. Ich gedachte das beste davon meinem Lande zu schenken bei meinem Tode, um so meinem Lande zu dienen. Manchen jungen Künstler interessiert sie. Ich wünsche von Herzen, daß Deutschland eine neue, schöne und gesunde Kunst erwachse. Ich und mancher andere ältere haben ehrlich und treu daran gearbeitet, das wird man früher oder später einmal einsehen.
Mit deutschem Gruß
Ihr ergebener
E. L. Kirchner
Quelle: Archiv der Akademie der Künste in Berlin; abgedruckt in Joseph Wulf, Hrsg. Die Bildenden Künste im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Gütersloh: Sigbert Mohn, 1963, S. 309.