Kurzbeschreibung

Der Versuch, die nationalsozialistische Bewegung und das Regime mit dem Naturschutz zu verbinden, stand im Mittelpunkt des im Juni 1935 erlassenen Reichsnaturschutzgesetzes. Spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatten sich deutsche Naturschützer für die Erhaltung der Wälder, Felder und Gewässer in Deutschland eingesetzt. Ein großer Teil dieser Bemühungen war durch eine starke Jagdtradition in bestimmten deutschen Regionen motiviert, und viele Naturschützer hatten auch Verbindungen zur Heimatbewegung – einer nationalistischen Vorstellung von der besonderen Beziehung der Deutschen zu ihrem „Heimatland“. Als Hommage an die Bemühungen der Naturschützer um den Schutz und die Pflege der „heimatlichen Landschaft“, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreichten, behauptete das Gesetz von 1935, dass der deutsche Staat erst jetzt, unter den politischen, sozialen und kulturellen Bedingungen, die der Aufstieg des Nationalsozialismus mit sich brachte, in der Lage sei, die Natur wirklich zu schützen und ihre Kraft für kommende Generationen zu garantieren. Gesetze wie das Reichsnaturschutzgesetz spielten dabei eine wesentliche ideologische Rolle für das Regime. Nach der nationalsozialistischen Weltanschauung war der Schutz der gesamten Natur (Tiere, Pflanzen, Landschaft) aufgrund der von den Nationalsozialisten propagierten biologischen Verbindung zwischen Deutschen und Natur eine lebenswichtige und notwendige Aufgabe der Deutschen als Mitglieder der Volksgemeinschaft. Die Stärke und die Gesundheit der Volksgemeinschaft hingen angeblich direkt von dem Wunsch und der Fähigkeit der Deutschen ab, die Natur, welche die deutsche Heimat ausmachte, zu schützen und zu pflegen.

Reichsnaturschutzgesetz (26. Juni 1935)

Quelle

Reichsnaturschutzgesetz.
Vom 26. Juni 1935.

Heute wie einst ist die Natur in Wald und Feld des deutschen Volkes Sehnsucht, Freude und Erholung.

Die heimatliche Landschaft ist gegen frühere Zeiten grundlegend verändert, ihr Pflanzenkleid durch intensive Land- und Forstwirtschaft, einseitige Flurbereinigung und Nadelholzkultur vielfach ein anderes geworden. Mit ihren natürlichen Lebensräumen schwand eine artenreiche, Wald und Feld belebende Tierwelt dahin.

Diese Entwicklung war häufig wirtschaftliche Notwendigkeit; heute liegen die ideellen, aber auch wirtschaftlichen Schäden solcher Umgestaltung der deutschen Landschaft klar zutage.

Der um die Jahrhundertwende entstandenen „Naturdenkmalpflege“ konnten nur Teilerfolge beschieden sein, weil wesentliche politische und weltanschauliche Voraussetzungen fehlten; erst die Umgestaltung des deutschen Menschen schuf die Vorbedingungen für wirksamen Naturschutz.

Die deutsche Reichsregierung sieht es als ihre Pflicht an, auch dem ärmsten Volksgenossen seinen Anteil an deutscher Naturschönheit zu sichern. Sie hat daher das folgende

Reichsnaturschutzgesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:

I. Abschnitt

Anwendungsbereich des Gesetzes

§ 1 Gegenstand des Naturschutzes
Das Reichsnaturschutzgesetz dient dem Schutze und der Pflege der heimatlichen Natur in allen ihren Erscheinungen. Der Naturschutz im Sinne dieses Gesetzes erstreckt sich auf:
a) Pflanzen und nichtjagdbare Tiere,
b) Naturdenkmale und ihre Umgebung,
c) Naturschutzgebiete,
d) sonstige Landschaftsteile in der freien Natur,
deren Erhaltung wegen ihrer Seltenheit, Schönheit, Eigenart oder wegen ihrer wissenschaftlichen, heimatlichen, forst- oder jagdlichen Bedeutung im allgemeinen Interesse liegt.

§ 2 Pflanzen und Tiere
Der Schutz von Pflanzen und nichtjagdbaren Tieren erstreckt sich auf die Erhaltung seltener oder in ihrem Bestande bedrohter Pflanzenarten und Tierarten und auf die Verhütung mißbräuchlicher Aneignung und Verwertung von Pflanzen und Pflanzenteilen oder Tieren (z.B. durch Handel mit Schmuckreisig, Handel oder Tausch mit Trockenpflanzen, Massenfänge und industrielle Verwertung von Schmetterlingen oder anderen Schmuckformen der Tierwelt).

§ 3 Naturdenkmale
Naturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes sind Einzelschöpfungen der Natur, deren Erhaltung wegen ihrer wissenschaftlichen, geschichtlichen, heimat- und volkskundlichen Bedeutung oder wegen ihrer sonstigen Eigenart im öffentlichen Interesse liegt (z.B. Felsen, erdgeschichtliche Aufschlüsse, Wanderblöcke, Gletscherspuren, Quellen, Wasserläufe, Wasserfälle, alte oder seltene Bäume).

§ 4 Naturschutzgebiete
(1) Naturschutzgebiete im Sinne dieses Gesetzes sind bestimmt abgegrenzte Bezirke, in denen ein besonderer Schutz der Natur in ihrer Ganzheit (erdgeschichtlich bedeutsame Formen der Landschaft, natürliche Pflanzenvereine, natürliche Lebensgemeinschaften der Tierwelt) oder in einzelnen ihrer Teile (Vogelfreistätten, Vogelschutzgehölze, Pflanzenschonbezirke u. dgl.) aus wissenschaftlichen, geschichtlichen, heimat- und volkskundlichen Gründen oder wegen ihrer landschaftlichen Schönheit oder Eigenart im öffentlichen Interesse liegt.
(2) Reichs- oder staatseigene Bezirke von überragender Größe und Bedeutung (Reichsnaturschutzgebiete – § 18) können ganz oder teilweise ausschließlich für Zwecke des Naturschutzes in Anspruch genommen werden.

§ 5 Sonstige Landschaftsteile
Dem Schutze dieses Gesetzes können ferner unterstellt werden sonstige Landschaftsteile in der freien Natur, die den Voraussetzungen der §§ 3 und 4 nicht entsprechen, jedoch zur Zierde und zur Belebung des Landschaftsbildes beitragen oder im Interesse der Tierwelt, besonders der Singvögel und der Niederjagd, Erhaltung verdienen (z. B. Bäume, Baum- und Gebüschgruppen, Raine, Alleen, Landwehren, Wallhecken und sonstige Hecken, sowie auch Parke und Friedhöfe). Der Schutz kann sich auch darauf erstrecken, das Landschaftsbild vor verunstaltenden Eingriffen zu bewahren.

§ 6 Beschränkungen
Durch den Naturschutz dürfen Flächen, die ausschließlich oder vorwiegend Zwecken der Wehrmacht,

der wichtigen öffentlichen Verkehrsstraßen,
der See- und Binnenschiffahrt oder
lebenswichtiger Wirtschaftsbetriebe

dienen, in ihrer Benutzung nicht beeinträchtigt werden.

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Quelle: Reichsgesetzblatt Nr. 68, Berlin, 1. Juli 1935, S. 821–22. Online verfügbar unter: http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=dra&datum=19350004&seite=00000821

Reichsnaturschutzgesetz (26. Juni 1935), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/deutschland-nationalsozialismus-1933-1945/ghdi:document-5157> [05.11.2024].