Quelle
Reichsnaturschutzgesetz.
Vom 26. Juni 1935.
Heute wie einst ist die Natur in Wald und Feld des deutschen Volkes Sehnsucht, Freude und Erholung.
Die heimatliche Landschaft ist gegen frühere Zeiten grundlegend verändert, ihr Pflanzenkleid durch intensive Land- und Forstwirtschaft, einseitige Flurbereinigung und Nadelholzkultur vielfach ein anderes geworden. Mit ihren natürlichen Lebensräumen schwand eine artenreiche, Wald und Feld belebende Tierwelt dahin.
Diese Entwicklung war häufig wirtschaftliche Notwendigkeit; heute liegen die ideellen, aber auch wirtschaftlichen Schäden solcher Umgestaltung der deutschen Landschaft klar zutage.
Der um die Jahrhundertwende entstandenen „Naturdenkmalpflege“ konnten nur Teilerfolge beschieden sein, weil wesentliche politische und weltanschauliche Voraussetzungen fehlten; erst die Umgestaltung des deutschen Menschen schuf die Vorbedingungen für wirksamen Naturschutz.
Die deutsche Reichsregierung sieht es als ihre Pflicht an, auch dem ärmsten Volksgenossen seinen Anteil an deutscher Naturschönheit zu sichern. Sie hat daher das folgende
Reichsnaturschutzgesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird:
I. Abschnitt
Anwendungsbereich des Gesetzes
§ 1 Gegenstand des Naturschutzes
Das Reichsnaturschutzgesetz
dient dem Schutze und der Pflege der heimatlichen Natur in allen
ihren Erscheinungen. Der Naturschutz im Sinne dieses Gesetzes
erstreckt sich auf:
a) Pflanzen und nichtjagdbare
Tiere,
b) Naturdenkmale und ihre Umgebung,
c)
Naturschutzgebiete,
d) sonstige Landschaftsteile in der freien
Natur,
deren Erhaltung wegen ihrer Seltenheit, Schönheit,
Eigenart oder wegen ihrer wissenschaftlichen, heimatlichen, forst-
oder jagdlichen Bedeutung im allgemeinen Interesse liegt.
§ 2 Pflanzen und Tiere
Der Schutz von Pflanzen und
nichtjagdbaren Tieren erstreckt sich auf die Erhaltung seltener oder
in ihrem Bestande bedrohter Pflanzenarten und Tierarten und auf die
Verhütung mißbräuchlicher Aneignung und Verwertung von Pflanzen und
Pflanzenteilen oder Tieren (z.B. durch Handel mit Schmuckreisig,
Handel oder Tausch mit Trockenpflanzen, Massenfänge und industrielle
Verwertung von Schmetterlingen oder anderen Schmuckformen der
Tierwelt).
§ 3 Naturdenkmale
Naturdenkmale im Sinne dieses Gesetzes
sind Einzelschöpfungen der Natur, deren Erhaltung wegen ihrer
wissenschaftlichen, geschichtlichen, heimat- und volkskundlichen
Bedeutung oder wegen ihrer sonstigen Eigenart im öffentlichen
Interesse liegt (z.B. Felsen, erdgeschichtliche Aufschlüsse,
Wanderblöcke, Gletscherspuren, Quellen, Wasserläufe, Wasserfälle,
alte oder seltene Bäume).
§ 4 Naturschutzgebiete
(1) Naturschutzgebiete im Sinne
dieses Gesetzes sind bestimmt abgegrenzte Bezirke, in denen ein
besonderer Schutz der Natur in ihrer Ganzheit (erdgeschichtlich
bedeutsame Formen der Landschaft, natürliche Pflanzenvereine,
natürliche Lebensgemeinschaften der Tierwelt) oder in einzelnen
ihrer Teile (Vogelfreistätten, Vogelschutzgehölze,
Pflanzenschonbezirke u. dgl.) aus wissenschaftlichen,
geschichtlichen, heimat- und volkskundlichen Gründen oder wegen
ihrer landschaftlichen Schönheit oder Eigenart im öffentlichen
Interesse liegt.
(2) Reichs- oder staatseigene Bezirke von
überragender Größe und Bedeutung (Reichsnaturschutzgebiete – § 18)
können ganz oder teilweise ausschließlich für Zwecke des
Naturschutzes in Anspruch genommen werden.
§ 5 Sonstige Landschaftsteile
Dem Schutze dieses Gesetzes
können ferner unterstellt werden sonstige Landschaftsteile in der
freien Natur, die den Voraussetzungen der §§ 3 und 4 nicht
entsprechen, jedoch zur Zierde und zur Belebung des
Landschaftsbildes beitragen oder im Interesse der Tierwelt,
besonders der Singvögel und der Niederjagd, Erhaltung verdienen (z.
B. Bäume, Baum- und Gebüschgruppen, Raine, Alleen, Landwehren,
Wallhecken und sonstige Hecken, sowie auch Parke und Friedhöfe). Der
Schutz kann sich auch darauf erstrecken, das Landschaftsbild vor
verunstaltenden Eingriffen zu bewahren.
§ 6 Beschränkungen
Durch den Naturschutz dürfen Flächen, die
ausschließlich oder vorwiegend Zwecken der Wehrmacht,
der wichtigen öffentlichen Verkehrsstraßen,
der See- und
Binnenschiffahrt oder
lebenswichtiger Wirtschaftsbetriebe
dienen, in ihrer Benutzung nicht beeinträchtigt werden.
[…]
Quelle: Reichsgesetzblatt Nr. 68, Berlin, 1. Juli 1935, S. 821–22. Online verfügbar unter: http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=dra&datum=19350004&seite=00000821