Kurzbeschreibung

Dass Hitler die bevorstehende Russlandinvasion nicht als einen gewöhnlichen territorialen Eroberungsfeldzug ansah, geht nicht zuletzt aus dem folgenden „Kommissarbefehl” vom 6. Juni 1941 hervor. Schon in den zwanziger Jahren hatte Hitler die Sowjetunion als bolschewistische Kommandozentrale der angeblichen jüdischen Weltverschwörung identifiziert. Nun plante er, diesen vermeintlich ideologisch-rassischen Erzfeind des deutschen Volkes durch einen Vernichtungskrieg zu bezwingen, zu dem die Ausrottung der Juden sowie die Dezimierung und Versklavung „minderwertiger“ slawischer Völker gehörte. Der folgende sogenannte „Kommissarbefehl“, der die deutsche Militärführung unter klarer Völkerrechtsverletzung zur systematischen Verfolgung und Ermordung sowjetischer Politkommissare anwies, besiegelte die Kooperation der Wehrmacht mit dem Vernichtungsfeldzug der SS. Hitlers formelle Aufhebung des Befehls am 6. März 1942, mit der er zum Teil der Opposition einiger militärischer Befehlshaber entgegenkommen wollte, änderte nichts an der deutschen Kriegführung während des „Unternehmens Barbarossa“.

Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare (Kommissarbefehl) (6. Juni 1941)

  • Wilhelm Keitel

Quelle

F. H. Qu., den 6. 6. 1941

Geheime Kommandosache

Oberkommando der Wehrmacht
WFSt/Abt.L (IV/Qu)
Nr. 44822/41 g. K. Chefs.
Chef-Sache!
Nur durch Offizier!

Im Nachgang zum Führererlaß vom 14. 5. über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet „Barbarossa“ (OKW/WFSt./Abt. L (IV/Qu) Nr. 44718/41 g. Kdos. Chefs.) werden anliegend „Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare“ übersandt.

Es wird gebeten, die Verteilung nur bis zu den Oberbefehlshabern der Armeen bzw. Luftflottenchefs vorzunehmen und die weitere Bekanntgabe an die Befehlshaber und Kommandeure mündlich erfolgen zu lassen.

Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht
I.A.

Gez. Warlimont

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Anlage zu OKW/WFSt/Abt. L IV/Qu
Nr. 44822/41 g. K. Chefs.

Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare

Im Kampf gegen den Bolschewismus ist mit einem Verhalten des Feindes nach den Grundsätzen der Menschlichkeit oder des Völkerrechts nicht zu rechnen. Insbesondere ist von den politischen Kommissaren aller Art als den eigentlichen Trägern des Widerstandes eine haßerfüllte, grausame und unmenschliche Behandlung unserer Gefangenen zu erwarten.

Die Truppe muß sich bewusst sein:

1.) In diesem Kampfe ist schonung (sic) und völkerrechtliche Rücksichtnahme diesen Elementen gegenüber falsch. Sie sind eine Gefahr für die eigene Sicherheit und die schnelle Befriedung der eroberten Gebiete.

2.) Die Urheber barbarisch asiatischer Kampfmethoden sind die politischen Kommissare. Gegen diese muß daher sofort und ohne Weiteres mit aller Schärfe vorgegangen werden.

Sie sind daher, wenn im Kampf oder Widerstand ergriffen, grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen.

Im übrigen gelten folgende Bestimmungen:

I. Operationsgebiet.

1.) Politische Kommissare, die sich gegen unsere Truppe wenden, sind entsprechend dem „Erlaß über Ausübung der Gerichtsbarkeit im Gebiet Barbarossa“ zu behandeln. Dies gilt für Kommissare jeder Art und Stellung, auch wenn sie nur des Widerstandes, der Sabotage oder der Anstiftung hierzu verdächtig sind.

Auf die „Richtlinien über das Verhalten der Truppe in Russland“ wird verwiesen.

2.) Politische Kommissare als Organe der feindlichen Truppe sind kenntlich an besonderen Abzeichen – roter Stern mit goldenem eingewebtem Hammer und Sichel auf den Ärmeln – []. Sie sind aus den Kriegsgefangenen sofort, d.h. noch auf dem Gefechtsfelde, abzusondern. Dies ist notwendig, um ihnen jede Einflussmöglichkeit auf die gefangenen Soldaten zu nehmen. Diese Kommissare werden nicht als Soldaten anerkannt; der für Kriegsgefangene völkerrechtlich geltende Schutz findet auf sie keine Anwendung. Sie sind nach durchgeführter Absonderung zu erledigen.

3.) Politische Kommissare, die sich keiner feindlichen Handlung schuldig machen oder einer solchen verdächtig sind, werden zunächst unbehelligt bleiben. Erst bei der weiteren Durchdringung des Landes wird es möglich sein, zu entscheiden, ob verbliebene Funktionäre an Ort und Stelle belassen werden können oder an die Sonderkommandos abzugeben sind. Es ist anzustreben, daß diese selbst die Überprüfung vornehmen.

Bei der Beurteilung der Frage, ob „schuldig oder nicht schuldig“, hat grundsätzlich der persönliche Eindruck von der Gesinnung und Haltung des Kommissars höher zu gelten, als der vielleicht nicht zu beweisende Tatbestand.

4.) In den Fällen 1.) und 2.) ist eine kurze Meldung (Meldezettel) über den Vorfall zu richten:

a) von den einer Division unterstellten Truppen an die Division (Ic),
b) von den Truppen, die einem Korps-, Armee-, oder Heeresgruppenkommando oder einer Panzergruppe unmittelbar unterstellt sind, an das Korps- usw. Kommando (Ic).

5.) Alle oben genannten Maßnahmen dürfen die Durchführung der Operationen nicht aufhalten. Planmäßige Such- und Säuberungsaktionen durch die Kampftruppe haben daher zu unterbleiben.

II. Im rückwärtigen Heeresgebiet

Kommissare, die im rückwärtigen Heeresgebiete wegen zweifelhaften Verhaltens ergriffen werden, sind in die Einsatzgruppe bezw. Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei (SD) abzugeben.

III. Beschränkung der Kriegs- und Standgerichte

Die Kriegsgerichte und die Standgerichte der Regiments- usw. Kommandeure dürfen mit der Durchführung der Maßnahmen nach I und II nicht betraut werden.

Verteiler:

Abschnittsstab Schlesien

1. Ausfertigung

Heeresgruppe B

2. Ausfertigung

Abschnittsstab Ostpreußen

3. Ausfertigung

AOK 16.

4. Ausfertigung

Unterabschnitt Ostpreußen

5. Ausfertigung

Festungsstab Blaurock

6. Ausfertigung

AOK 4

7. Ausfertigung

Abschnittsstab Staufen

8. Ausfertigung

Arbeitsstab Gotzmann

9. Ausfertigung

AOK 11

10. Ausfertigung

AOK 2

11. Ausfertigung

Oberbaugruppe Süd

12. Ausfertigung

Festungsstab 49

13. Ausfertigung

Festungsstab Wagener

14. Ausfertigung

Panzergruppe 4

15. Ausfertigung

AOK Norwegen

16. Ausfertigung

OKH/Adj. Ob d H

17. Ausfertigung

OKH/Adj. Chef GenStdH

18. Ausfertigung

OKH/Abt. Fremde Heere Ost

19. Ausfertigung

OKH/Op. Abt. (ohne OKW.-Erlaß)

20. Ausfertigung

OKH/Gen Qu. (ohne OKW.-Erlaß)

21. Ausfertigung

Vorrat

22–30. Ausfertigung

Quelle: Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare (Kommissarbefehl) (6. Juni 1941), U.S. National Archives and Records Administration, College Park, MD, Nuremberg Trial, National Archives Record Group 238m, Entry 175, Box 27, NOKW-1076.

Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare (Kommissarbefehl) (6. Juni 1941), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/deutschland-nationalsozialismus-1933-1945/ghdi:document-1548> [24.04.2024].