Kurzbeschreibung

Die Einsatzgruppen waren paramilitärische Todesschwadronen, die der Wehrmacht und der SS auf ihrem Vormarsch in feindliche Gebiete in Osteuropa folgten. Sie wurden erstmals beim Überfall auf Polen im September1939 und während der Operation Barbarossa im Juni 1941 eingesetzt, als die deutsche Armee in die Sowjetunion vorrückte. Die Aufgabe der mobilen Tötungseinheiten war von vornherein klar: Sie sollten die Unruhen unter der besetzten Bevölkerung im Osten unterdrücken und die ethnische Säuberung der neuen deutschen Gebiete durchführen, indem sie Intelligenzler, politische Gegner (hauptsächlich Mitglieder der Kommunistischen Partei und Sozialdemokraten) und Juden aufspürten und tötete. Die meisten Menschen, die von den Einsatzgruppen ermordet wurden, waren Zivilisten, von denen die meisten durch Massenerschießungen starben.

Der folgende Auszug aus dem Tagebuch eines freiwilligen Mitglieds einer Einsatzgruppe, Felix Landau, schildert, wie die Aufgaben der Tötungseinheit ausgeführt wurden. Landau, dem sechs Männer für die 23 Opfer zugeteilt wurden, beschreibt den überraschend methodischen Prozess, mit dem er und seine Mitstreiter diese Männer und Frauen töteten. Man merkt ihm an, dass er keine Gewissensbisse hat und über das Verhalten der Opfer erstaunt ist. Schilderungen wie diese sind typisch für andere Tagebücher und Zeugenaussagen aus Kriegsverbrecherprozessen der Nachkriegszeit, wenn es darum geht, die Motive derjenigen zu erklären, welche die „Endlösung“ im Osten durchführten. Landau wurde nach dem Krieg verhaftet, floh jedoch und lebte unter falschem Namen in Deutschland, bevor er enttarnt und 1963 zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde.

Tagebucheintrag von Felix Landau, Mitglied einer Einsatzgruppe (12. Juli 1941)

Quelle

[] 23 sollten erschossen werden, darunter befinden sich die schon erwähnten Frauen. Sie sind zu bestaunen. Sie verweigern von uns auch nur ein Glas Wasser anzunehmen. Ich werde als Schütze eingeteilt und habe eventuell Flüchtende zu erschießen. Wir fahren der Landstraße einen Kilometer entlang und gehen dann rechtsseitig in einen Wald. Wir sind nur 6 Mann augenblicklich und suchen nach einem geeigneten Ort zum Erschießen und Vergraben. Nach wenigen Minuten haben wir so etwas gefunden. Die Todeskandidaten treten mit Schaufeln an, um ihr eigenes Grab zu schaufeln. Zwei weinen von allen. Die anderen haben bestimmt erstaunlichen Mut. Was wohl jetzt in diesem Augenblicke in den Gehirnen vorgehen mag. Ich glaube, jeder hat eine kleine Hoffnung, irgendwie doch nicht erschossen zu werden. Die Todeskandidaten werden in 3 Schichten angestellt, da nicht soviel Schaufeln hier sind. Eigentümlich, in mir rührt sich gar nichts. Kein Mitleid, nichts. [] Langsam wird das Loch immer größer, 2 weinen ununterbrochen. Ich lasse sie immer länger graben, da denken sie nicht soviel. Während der Arbeit sind sie auch tatsächlich ruhiger. Die Wertgegenstände, Uhr und Geld, werden auf einen Haufen zusammengelegt. Nachdem alle auf einem freien Platz nebeneinander gebracht werden, werden die zwei Frauen als Erste zum Erschießen auf das eine Ende des Grabes aufgestellt. Zwei Männer wurden bereits von unserem K. K. [Kriminalkommisar; d.Hrsg.] [] im Gebüsch erschossen. Ich habe dies nicht gesehen, da ich auf die anderen zu achten hatte. Die Frauen traten riesig gefaßt an die Grube, drehten sich

um, 6 Mann hatten von uns diese zu erschießen. Die Einteilung wurde getroffen, 3 Mann auf das Herz, 3 Mann auf den Schädel. Ich nehme das Herz. Die Schüsse fallen, und die Gehirnmassen schwirren durch die Luft. Zwei auf den Schädel ist zuviel. Sie reißen fast den Kopf weg. Fast alle sinken lautlos zusammen, nur bei 2 klappt es nicht, sie heulen und winseln noch lange. Die Revolverschüsse taugen nichts. Bei uns beiden, die wir zusammen schießen, ist kein Versagen. Die vorletzte Gruppe muß nun die bereits Erschossenen in das Massengrab werfen, dann müssen sie sich aufstellen und fallen auch, und zwar von selbst, hinein. Die letzten Zwei müssen sich auf den vordem Rand des Grabes setzen, damit sie gleich richtig hineinfallen. Nun werden noch einige Leichen mit einer Spitzhacke umgeschichtet, und dann beginnen wir mit der Totengräberarbeit. []

Quelle: Ernst Klee, Willi Dreßen, Volker Rieß, Hrsg., „Schöne Zeiten“. Judenmord aus der Sicht der Täter und Gaffer. Frankfurt a.M.: Fischer, 1988, S. 95–96.