Kurzbeschreibung

Am 17. August 1956 erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVG) in seinem Urteil die KPD für verfassungswidrig. Das Urteil setzte einen Schlussstrich unter das langwierige Verfahren gegen die KPD, welches fünf Jahre zuvor mit einem Antrag der Bundesregierung beim Verfassungsgericht begonnen hatte, in dem sie forderte, die KPD wegen Verfassungswidrigkeit zu verbieten. Das vorliegende Urteil nimmt Bezug auf das Urteil des BVG vom 23. Oktober 1952, durch welches die neonazistische Sozialistische Reichspartei (SRP) für verfassungswidrig erklärt und verboten worden war.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Verbot der KPD und Abschließende Begründung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum KPD-Verbot (17. August 1956)

Quelle

I. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Verbot der KPD (17. August 1956)

Im Namen des Volkes!

In dem Verfahren über den Antrag der Bundesregierung auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Kommunistischen Partei Deutschlands hat das Bundesverfassungsgericht – Erster Senat – auf Grund der in der Zeit vom 23. November 1954 bis zum 14. Juli 1955 durchgeführten mündlichen Verhandlung durch Urteil für Recht erkannt:

I. 1. Die Kommunistische Partei Deutschlands ist verfassungswidrig.
2. Die Kommunistische Partei Deutschlands wird aufgelöst.
3. Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Kommunistische Partei Deutschlands zu schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen.
4. Das Vermögen der Kommunistischen Partei Deutschlands wird zugunsten der Bundesrepublik Deutschland zu gemeinnützigen Zwecken eingezogen.

II. In den Ländern werden die Minister (Senatoren) des Innern mit der Durchführung der Entscheidung zu Ziffer I. 2. und 3. beauftragt; insoweit stehen ihnen unmittelbare Weisungsbefugnisse gegenüber allen Polizeiorganen zu.
Die Einziehung des Vermögens wird dem Bundesminister des Innern übertragen, der sich der Hilfe der Minister (Senatoren) des Innern der Länder bedienen kann.

III. Vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen diese Entscheidung oder gegen die im Vollzuge dieser Entscheidung getroffenen Maßnahmen werden gemäß §§ 47, 42 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht mit Gefängnis nicht unter 6 Monaten bestraft.

Von Rechts wegen

Die Irrtümer und Missverständnisse, die in der Öffentlichkeit über dieses Verfahren entstanden sind, veranlassen mich, vor Bekanntgabe der wesentlichen Entscheidungsgründe einige Klarstellungen zu treffen:

Das Verfassungsgericht kann ein Verfahren nicht von sich aus einleiten. Es bedarf dazu immer des Begehrens eines Antragstellers. Den Antrag, eine Partei zu verbieten, kann die Bundesregierung stellen. Es steht in ihrem politischen Ermessen und unter ihrer ausschließlichen politischen Verantwortung, ob sie den Antrag stellen will und soll. Ist der Antrag gestellt, dann ist das Gericht verpflichtet, darüber zu entscheiden. Das Gericht hat seine Entscheidung nach rein rechtlichen Gesichtspunkten zu treffen; daher sind ihm politische Zweckmäßigkeitserwägungen versagt.

Nach Art. 21 Abs. 2 GG sind Parteien, die nach ihren Zielen und nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.

Das Gericht hatte also in diesem Verfahren lediglich über die Rechtsfrage zu befinden, ob nach den Zielen und dem Verhalten der KPD der gesetzliche Tatbestand des Art 21. Abs. 2 GG vorliegt. Es hatte zu prüfen, ob diese Ziele mit den Grundvorstellungen unserer Demokratie vereinbar sind. Als Wissenschaftslehre ist die Doktrin des Marxismus-Leninismus nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens.

Dem Gericht und auch den einzelnen Richtern sind außerordentlich zahlreiche Zuschriften zugegangen, in denen die Aufforderung enthalten ist, das Verfahren einzustellen oder die Mitwirkung bei einem Verbotsurteil zu verweigern. Diese Zuschriften sind vielfach mit äußerst massiven Drohungen verbunden. Solche Einwirkungen können möglicherweise anderwärts wirksam sein. Das Bundesverfassungsgericht lässt sich in seiner richterlichen Entscheidung durch keinerlei Einwirkung von außen – von wem auch immer sie kommen möge – beeinflussen. Das Bundesverfassungsgericht ist lediglich dem Gesetz unterworfen und entscheidet nur nach Gesetz und Recht.

Quelle: Gerd Pfeiffer und Hans-Georg Strickert, Hg., KPD-Prozess. Dokumentarwerk zu dem Verfahren über den Antrag der Bundesregierung auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Kommunistischen Partei Deutschlands vor dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts. Karlsruhe 1956. Bd. 3, S. 581-82.

II. Abschließende Begründung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum KPD-Verbot (17. August 1956)

Dritter Abschnitt

[]

II.

Die Verfassungswidrigkeit der KPD ist durch Urteil festzustellen.

Nach § 46 Abs. 3 BVerfGG ist mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei ihre Auflösung und das Verbot von Ersatzorganisationen zu verbinden. Im Urteil vom 23. Oktober 1952 (BVerfGE 2,1 [71]) hat das Gericht diese Bestimmung angewandt, ohne sich mit der Frage ihrer Verfassungsmäßigkeit besonders auseinanderzusetzen. In der Rechtslehre sind Bedenken gegen ihre Vereinbarkeit mit dem Prinzip des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung erhoben worden. Das Gericht vermag diese Bedenken nicht zu teilen. Die Auflösung der Partei ist keine selbständige Exekutivmaßnahme, sondern eine gesetzlich angeordnete, normale, typische und adäquate Folge der Feststellung der Verfassungswidrigkeit. Wenn mit dieser Feststellung die gegenüber anderen Organisationen bevorzugte Rechtsstellung der Partei entfällt, ist es nur sachgerecht, dass daran die gleiche Rechtsfolge geknüpft wird, die im Falle des Art. 9 GG für die Verfassungswidrigkeit einer Vereinigung vorgesehen ist. Die den Exekutivbehörden verbleibende Abwicklung der Organisation der Partei ist nicht Inhalt, sondern Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts.

Die Auflösung der KPD ist im Urteil auszusprechen. Sie erstreckt sich auf alle ihre satzungsmäßigen Organisationen. Mit der Auflösung ist das Verbot zu verbinden, Ersatzorganisationen zu schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen.

Auf nicht zur Partei gehörige, aber von ihr abhängige Organisationen, vor allem die sog. Tarnorganisationen, erstreckt sich hingegen die Auflösung nicht. Diese Organisationen nehmen nicht an dem Parteiprivileg des Art. 21 GG teil und fallen, soweit sie die verfassungsmäßige Ordnung verletzen, unter Art. 9 Abs. 2 GG.

Aus der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei ergibt sich, wie das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil vom 23. Oktober 1952 festgestellt hat, dass die Abgeordneten in den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und der Länder ihre Mandate verlieren [vgl. BVerfGE 2, 1 (72 ff.)]. Eines Ausspruchs über die Folgen dieses Mandatsverlustes durch besondere Vollstreckungsanordnung bedarf es nicht, da die KPD nur in den Parlamenten von Bremen und Niedersachsen durch Abgeordnete vertreten ist und diese Länder die Folgen des Mandatsverlustes gesetzlich geregelt haben.

Die Entscheidung über die Einziehung des Vermögens einer aufgelösten Partei ist nach § 46 Abs. 3 BVerfGG in das pflichtgemäße Ermessen des Bundesverfassungsgerichts gestellt. Dabei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass eine Vermögenseinziehung nicht erforderlich ist, wenn entweder offensichtlich keine nennenswerten Vermögenswerte der aufgelösten Partei vorhanden sind oder ihre vermögensrechtlichen Verhältnisse so klar liegen, dass eine Auseinandersetzung in kürzester Frist möglich erscheint. In allen anderen Fällen dagegen, insbesondere wenn die Vermögensverhältnisse nicht übersichtlich sind, muss das Vermögen eingezogen werden, um zu verhindern, dass Organe der aufgelösten Partei unter dem Vorwand der Vermögensauseinandersetzung den Zusammenhalt der Partei aufrechterhalten. Aus diesen Erwägungen konnte auch die Rücksicht auf eine bei der Vorbereitung der Wiedervereinigung Deutschlands mögliche Neuzulassung einer kommunistischen Partei das Gericht nicht veranlassen, von der Einziehung des Vermögens abzusehen. Welche Maßnahmen in diesem Falle getroffen werden müssten, um zu verhindern, dass die Chancengleichheit der wiederzugelassenen Partei durch die Folgen der Vermögenseinziehung ernstlich geschmälert würden, muss zu gegebener Zeit von den zuständigen Organen geklärt werden.

Die Wirkung des Urteils tritt mit seiner Verkündung ein. Die Polizeibehörden haben alle dem Vollzug des Urteils dienenden Maßnahmen zu treffen, ohne durch andere als allgemein gültige rechtsstaatliche Regeln gehindert zu sein. Um die Durchführung zu vereinheitlichen, sind die Innenminister der Länder auf Grund des § 35 BVerfGG mit der Vollstreckung der Entscheidungen dieses Urteils zu Ziffer I. 2. und 3. zu beauftragen.

Quelle: Gerd Pfeiffer und Hans-Georg Strickert, Hg., KPD-Prozess. Dokumentarwerk zu dem Verfahren über den Antrag der Bundesregierung auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Kommunistischen Partei Deutschlands vor dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts. Karlsruhe 1956. Bd. 3, S. 745-46.