Quelle
Befehl Nr. 234 der SMAD
vom 9. Oktober 1947
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Die weitere Wiederherstellung und Entwicklung der Industrie und des Verkehrswesens erfordert vor allem eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität und eine Festigung der Arbeitsdisziplin. In vielen Werken und Fabriken, Gruben und Eisenbahnen befinden sich die Arbeitsdisziplin und die Arbeitsproduktivität noch auf einem niedrigen Niveau.
Diese Lage steht nicht nur mit den schweren Folgen des aggressiven Hitlerkrieges im Zusammenhang. Sie ist auch eine Folge der ungenügenden Aufmerksamkeit einiger Verwaltungsorgane, Betriebsdirektoren und demokratischer Organisationen in bezug auf die restlose Ausnutzung aller Möglichkeiten für die Verbesserung der Lage der Arbeiter, welche die Hauptkraft der Demokratisierung und des wirtschaftlichen Aufschwunges in der Sowjetischen Besatzungszone sowie für die Entwicklung der Wirtschaft darstellen.
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Die Steigerung der Arbeitsproduktivität und die Entfaltung der bewußten eigenen Initiative der Werktätigen für den wirtschaftlichen Aufschwung der Sowjetischen Besatzungszone stellt gegenwärtig das Hauptbindeglied in dem System der Volkswirtschaft und den Schlüssel zur Lösung aller anderen wirtschaftlichen Probleme dar.
Ich befehle:
1. Den Länderregierungen und den deutschen Verwaltungsorganen, den Betriebs- und Fabrikleitern, den Direktoren der Gruben, der Eisenbahn und anderer Betriebe, ihrer Tätigkeit Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeit der Produktionsbetriebe und des Transportwesens, zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zum Kampf gegen die Bummelanten sowie zur Verbesserung der Lebenslage der Arbeiter und Angestellten der Industrie und des Transportwesens zugrunde zu legen, wobei insbesondere alle lokalen Hilfsquellen und Möglichkeiten für diesen Zweck festzustellen und auszunutzen sind.
Ich rufe alle antifaschistischen Parteien, Gewerkschaften und Betriebsräte sowie alle anderen öffentlichen Organisationen und die demokratische Presse auf, die Verwaltungsorgane und Betriebsleitungen bei der Durchführung dieser überaus wichtigen Aufgaben zu unterstützen, damit ein allgemeiner Arbeitsaufschwung in der Sowjetischen Besatzungszone zur Beschleunigung des Wiederaufbaus, zur Entwicklung der Friedenswirtschaft und zur Steigerung des Lebensstandards der Bevölkerung erreicht wird.
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4. Die Anwendung von Stück- und Akkordlohn als Mittel zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur Erhöhung des Lohnes für die Arbeiter ist zu erweitern, vor allem im Erzbergbau, in der Kohlen- und Metallindustrie, im Maschinenbau, in der elektrotechnischen Industrie und im Eisenbahntransportwesen. Bei der Berechnung der Akkordlöhne sind die in Tarifverträgen garantierten Mindestlöhne zugrunde zu legen.
5. Die Lohnsätze in der Textil- und Bekleidungsindustrie sind zu überprüfen und alle niedrigeren Sätze für Frauenarbeit entsprechend dem in der Sowjetischen Besatzungszone festgelegten Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ abzuschaffen.
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9. Zur Verbesserung der Ernährung von Arbeitern und Angestellten der Betriebe der führenden Industriezweige und des Transportwesens ist ab 1. November 1947 täglich eine warme Mahlzeit über die auf die Hauptkarten erhaltenen Rationen hinaus einzuführen, für hochqualifizierte Arbeiter der führenden Betriebe, für Arbeiter in körperlich schwerer und gesundheitsschädlicher Arbeit sowie für Ingenieure und Techniker nach den Normen für warmes Essen der ersten Gruppe, für die übrigen Arbeiter und Angestellten dieser Betriebe nach den Normen für warmes Essen zweiter Gruppe.
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Es ist vorzusehen, daß Betriebe, die durch eigene Schuld ihren Produktionsplan systematisch nicht erfüllen und sich um eine Verbesserung ihrer Arbeit nicht bemühen, auf Vorschlag der Länderregierungen und nach Bestätigung durch die zuständigen Organe der SMA zeitweilig von der zusätzlichen warmen Verpflegung ausgeschlossen werden können.
10. Die Arbeiter und Angestellten der führenden Betriebe der Sowjetischen Besatzungszone sollen bevorzugt mit Industriewaren versorgt werden, wobei die Qualitätsleistungen dieser Betriebe zu berücksichtigen sind.
Die Landesregierungen haben vom vierten Quartal 1947 ab aus den Fonds des Landesbedarfs Stoffe, Kleider, Schuhe und Kohle zum Verkauf auf Bezugscheine, die in den Betrieben ausgestellt werden, freizustellen. Die Betriebsräte und die Gewerkschaftsorganisationen geben im Einvernehmen mit den Betriebsleitern die Bezugscheine für Industriewaren in erster Linie für gute Produktionsleistungen aus.
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Quelle: Dokumente aus den Jahren 1945–1949. Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland. Berlin (O), S. 504 ff; abgedruckt in Christoph Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945–1955. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1986, S. 509–10.