Kurzbeschreibung

Obwohl die Beziehungen zwischen Kuba und der DDR nicht annähernd so stark waren wie die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Kuba (vor allem wegen der relativ viel größeren Wirtschaftsmacht der UdSSR und der wirtschaftlichen Abhängigkeit Kubas von der Sowjetunion), bestand dennoch eine positive Beziehung zwischen den beiden Ländern. Wie Blas Roca, Generalsekretär der Sozialistischen Volkspartei Kubas, in diesem Interview sagt, leistete die DDR Kuba „moralische Unterstützung“, und die Beziehungen zwischen den beiden Ländern waren allein aufgrund der Tatsache, dass sie sich beide im sowjetischen Einflussbereich befanden, recht eng. In den 1960er Jahren begann der akademische Austausch zwischen ostdeutschen und kubanischen Universitäten, und viele Kubaner kamen bis zum Ende der DDR zum Studium nach Ostdeutschland. Fidel Castro schenkte der DDR 1972 auch eine kleine kubanische Insel, die nach dem deutschen kommunistischen Politiker und Aktivisten Ernst-Thälmann-Insel genannt wurde. 1975 wurde Frank Schöbel, einer der größten Schlagerstars der DDR, nach Kuba geschickt, um unter anderem auf der Insel Aufnahmen für Musikvideos zu machen, die später in einen Dokumentarfilm als Symbol für die Freundschaft zwischen der DDR und Kuba integriert wurden.

„Kubas Revolution wird siegreich bleiben“: Interview mit Blas Roca (14. April 1960)

Quelle

„ND“-Exklusivinterview mit dem Generalsekretär der Sozialistischen Volkspartei Kubas, Genosse Blas Roca

Der Generalsekretär der Sozialistischen Volkspartei Kubas, Genosse Blas Roca, war dieser Tage in der DDR zu Gast. Er gewährte unserem Redaktionsmitglied Peter Lorf ein Interview über die aktuelle Lage auf der Antilleninsel, die seit dem Sturz des Diktators Batista eine revolutionäre soziale und ökonomische Entwicklung erfahren hat.

Frage: Wie sehen Sie die außenpolitische Lage Kubas?

Antwort: Der nordamerikanische Imperialismus ist der Feind Nr. 1 der kubanischen Revolution. Die Monopole der USA wollen unsere Revolution aufhalten, sabotieren und zunichte machen. Sie betreiben eine zügellose Hetzkampagne, forcieren die wirtschaftliche Aggression und fördern Angriffe von Luftpiraten auf unsere friedlichen Städte. Praktisch verstärken sie jeden Tag ihre Angriffe gegen unser Land, und es besteht durchaus die Gefahr einer bewaffneten Intervention von seiten der USA in der einen oder anderen Form.

USA bewaffnen ihre Agenten

Frage: Ist es möglich, daß die USA direkt militärisch intervenieren, wie sie es 1954 in Guatemala getan haben?

Antwort: Die USA betreiben ihre Vorbereitungen der Intervention auf zwei Wegen. Der eine Weg besteht darin, Konterrevolutionäre und Abenteurer zu bewaffnen, sie zu ermutigen und zu unterstützen, damit sie gegen die kubanische Revolution vorgehen. Sie fördern den Diktator der Dominikanischen Republik, Trujillo, den kubanischen Ex-Diktator Batista und andere volksfeindlich Abenteurer, geben ihnen Waffen, Geld und jede andere Unterstützung. Sogar ehemalige Angehörige der Hitler-Wehrmacht werden in der Dominikanischen Republik für einen Angriff auf Kuba ausgebildet.

Man kann aber sagen, daß alle diese Versuche zum Scheitern verurteilt sein werden, weil Kuba wie ein Mann zur Sache seiner Revolution steht und weil die Sache der kubanischen Revolution in Lateinamerika und in der ganzen Welt die tiefe Sympathie der Völker genießt.

Provokation in der Gauntanamo-Bai?

Außerdem besteht die Möglichkeit der direkten militärischen Intervention, etwa mit Hilfe amerikanischer Marine-Infanterie. Angesichts der Stimmung der Völker in Lateinamerika wird das sehr schwierig sein; dennoch lassen die USA diese Möglichkeit nicht außer acht. Sie haben die Zahl ihrer Soldaten in dem Marinestützpunkt Guantanamo auf Kuba verdoppelt, und das doch sicher nicht, um Basketball zu spielen. Sie bauen Schützengräben in der Guantanamo-Bai, Unterstände usw.

Amerikanische Marine-Infanteristen haben unseren Soldaten erklärt, daß sie jeden Augenblick auf einen Angriff von kubanischer Seite gefaßt seien. Natürlich ist das Unsinn, wir denken gar nicht daran, die mächtigen USA zu überfallen. Aber das zeigt, daß eine Provokation durchaus möglich ist, die dann den Vorwand für einen bewaffneten Überfall liefern soll.

Alle diese Gefahren sind durchaus real und existent. Wir sind aber davon überzeugt, daß wir jede Intervention mit Hilfe aller befreundeten Völker unmöglich machen können. Kubas Revolution wird siegreich sein.

Das Beispiel fur Lateinamerika

Frage: Warum stehen die USA der Entwicklung in Kuba so feindselig gegenüber?

Antwort: Vor allem deshalb, weil die Revolution in Kuba eine wirklich souveräne Regierung hervorgebracht hat, die nicht nach dem Willen Washingtons, sondern nach dem Willen des Volkes regiert. Die revolutionäre Regierung dient den Interessen des Volkes, und das gefährdet natürlich auch die Interessen der in Kuba tätigen amerikanischen Monopole. Deshalb sind die USA interessiert daran, die Revolution zu vernichten.

Außerdem befürchten sie das große Beispiel für Lateinamerika, das Kuba darstellt. Wenn die kubanische Revolution triumphiert, wenn eine souveräne, von Washington unabhängige Regierung existieren, die Wirtschaft des Landes entwickeln, die Bodenreform vorantreiben kann, so ist dies von außerordentlich großer Bedeutung für die soziale Entwicklung in allen lateinamerikanischen Ländern.

In dieser Situation hat Fidel Castro, der Führer der kubanischen revolutionären Regierung, die kühne Losung ausgegeben: Das Vaterland oder den Tod.

Verteidigung und Weiterführung der Revolution

Frage: Welche Haltung nimmt die Sozialistische Volkspartei Kubas zur Entwicklung der Revolution und zu den von nordamerikanischer Seite gesteuerten Angriffen gegen die Revolution ein?

Antwort: Die grundlegenden Kräfte der kubanischen Revolution sind die Arbeiterklasse, die Bauern und das städtische Kleinbürgertum. Sie haben ein Bündnis mit der nationalen Bourgeoisie geschlossen. Die Hauptorganisation der Revolution ist die „Bewegung des 26. Juli“. Andere bedeutende Kräfte bei der Entwicklung der Revolution sind die Sozialistische Volkspartei und die Revolutionäre Studentenorganisation. Die kubanische revolutionäre Regierung, geführt von Fidel Castro, verwirklicht eine Politik im Interesse der Arbeiter, der Bauern, der Kleinbourgeoisie und der nationalen Bourgeoisie, und die Regierung hat die volle Unterstützung des gesamten kubanischen Volkes.

Die Sozialistische Volkspartei ist Teil der revolutionären Bewegung und unterstützt mit allen ihren Kräften die von Fidel Castro geführte Regierung. Ihre zentrale Losung heißt: Verteidigung und Weiterführung der Revolution.

Frage: Was würden Sie als die wesentlichsten Errungenschaften der Revolution bezeichnen?

Antwort: Erstens hat die kubanische Revolution mit der blutigen Batista-Diktatur, der Filiale des USA-Imperialismus, Schluß gemacht. Damit wurde die Möglichkeit zur Entfaltung der bürgerlichen Freiheiten und der demokratischen Rechte des kubanischen Volkes gegeben. Im Einklang damit wurden die Henker und Mörder des Batista Regimes ihrer gerechten Strafe zugeführt.

Zweitens ist im Verlauf der revolutionären Entwicklung eine revolutionäre, souveräne Volksregierung entstanden, die nicht im Sinne der USA, sondern im Interesse des kubanischen Volkes regiert.

Drittens sind im Verlauf der Revolution Maßnahmen getroffen worden, um die Preise für Lebensmittel, für Dienstleistungen, die Mieten und anderes zu verbilligen. Der Lebensstandard des kubanischen Volkes in seiner Gesamtheit wurde gehoben.

Viertens wurde eine radikale Agrarreform eingeleitet. Das ist der bedeutendste Schritt bei der Umwandlung der Wirtschaft. Damit wird die Herrschaft des Großgrundbesitzes beendet, den armen Bauern wird unentgeltlich Land gegeben, Genossenschaften werden gegründet und anderes mehr.

Fünftens hat die revolutionäre Regierung schon die ersten Schritte getan, um Kuba zu industrialisieren und die ökonomische Unabhängigkeit des Landes herzustellen.

Sechstens schließlich hat sich Kuba im Verlauf der revolutionären Entwicklung von der einseitigen Bindung an die USA befreit. Kuba ist bereit, seine Beziehungen mit allen Ländern der Welt, auch mit den Ländern des sozialistischen Lagers, mit der Sowjetunion, mit China, mit der ČSR und der DDR, zu verbessern.

Zerbrechne der Fesseln

Frage: Wie bewerten Sie die Entwicklung der Beziehungen zwischen Kuba und den sozialistischen Ländern?

Antwort: Der Handelsvertrag zwischen Kuba und der Sowjetunion, der kürzlich abgeschlossen wurde, ist für die Entwicklung der kubanischen Wirtschaft und für die Festigung der Revolution außerordentlich bedeutungsvoll. Durch den 100-Millionen-Dollar-Kredit, den die Sowjetunion gewährt, durch die Abmachung über den Verkauf von fünf Millionen Tonnen Zucker an die Sowjetunion zu günstigen Bedingungen ist Kuba in die Lage versetzt worden, seine Industrialisierung schneller voranzutreiben. Unser Land hat damit die ersten Schritte getan, um sich von der wirtschaftlichen Abhängigkeit von den USA zu befreien. In dem gemeinsamen Kommuniqué, das nach dem Besuch des stellvertretenden Ministerpräsidenten Mikojan in Havanna unterzeichnet wurde, erklären beide Seiten, daß sie im Geiste der Koexistenz, der Festigung des Friedens und der Vertiefung der Freundschaft zusammenarbeiten wollen. Das ist ein Beispiel für eine wirklich unabhängige Außenpolitik, die schließlich im Interesse ganz Lateinamerikas liegt.

Die Beziehungen zwischen Kuba und der DDR verstärken sich zum Nutzen beider Völker. Wir hoffen, daß die DDR und das deutsche Volk fortfahren werden, der kubanischen Revolution moralische Unterstützung zu geben. Wir hoffen, daß unsere gemeinsamen Anstrengungen dazu beitragen, die ökonomischen, kulturellen, wissenschaftlichen und anderen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern zu verstärken. Kuba braucht und erstrebt solche engen Beziehungen, und wir sind davon überzeugt, daß sie auch für die DDR nützlich sein werden.

Quelle: „Kubas Revolution wird siegreich bleiben“, Neues Deutschland, Nr. 105, 14. April 1960, S. 7.