Kurzbeschreibung

Nach dem Krieg begannen sich traditionelle konfessionelle Bindungen in Deutschland langsam aufzulösen. Durch die Neuansiedlung von Flüchtlingen und Vertriebenen änderte sich in vielen Gebieten das proportionale Verhältnis von Katholiken und Protestanten. Die Umfrage in der amerikanischen Zone vom März 1946 zeigt, dass die Deutschen ein direktes Engagement der Kirchen in politischen Fragen und Wahlempfehlungen, wie sie früher üblich waren, ablehnten. Unter den regelmäßigen Kirchgängern lässt sich bei den Katholiken eine deutliche Präferenz für die neugegründete CDU/CSU erkennen, während Protestanten zu ungefähr gleichen Teilen SPD und CDU/CSU unterstützten.

OMGUS-Umfragen: Einstellung zu Religion und Kirche (8. März 1946)

Quelle

Einstellungen zu Religion und Kirche als politische Faktoren im Leben der Deutschen.

Befragte: 996 Personen in der amerikanischen Zone.

Untersuchungszeitraum: 8. März 1946 (11 Seiten).

Die Untersuchung konzentriert sich auf vier größere Gruppen in der Bevölkerung der amerikanischen Zone (AMZON): regelmäßige und unregelmäßige katholische und protestantische Kirchgänger. Manche Merkmale dieser Gruppen sind relevant, weil sie Aussagen über die Einstellungsmuster der Betreffenden ermöglichen. 65 Prozent der Katholiken waren nach eigener Aussage regelmäßige Kirchgänger. Unter den Protestanten waren es fünzig Prozent. 71 Prozent der Katholiken, die regelmäßig in die Kirche gingen, bevorzugten die CDU oder die CSU. Unter den regelmäßigen protestantischen Kirchgängern unterstützten 38 Prozent die SPD, 40 Prozent die beiden christlichen Parteien (CDU und CSU). Die unregelmäßigen Kirchgänger beider Glaubensrichtungen unterstützten überwiegend die SPD. 63 Prozent der LPD-Unterstützer besuchten die Kirche nur unregelmäßig. Mehr regelmäßige Kirchgänger (74%) nahmen an den vergangenen Wahlen teil als unregelmäßige Kirchgänger (59%).

Ehemalige Nazis gingen eher nicht zur Kirche. Von den befragten regelmäßigen Kirchgängern gehörten 12 Prozent früher der NSDAP an; 17 Prozent derjenigen, die keine Kirche besuchten, waren ehemalige Mitglieder. So trugen die ehemaligen NSDAP-Mitglieder, die nicht wählen durften, unverhältnismäßig stark zur Vergrößerung der Gruppen bei, die nicht zur Wahl gingen. 49 Prozent der regelmäßigen katholischen Kirchgänger hatten eine Schulbildung von sieben und weniger Jahren. Etwa ein Viertel der anderen Gruppen hatte eine ähnliche Schulbildung. 20 Prozent der regelmäßigen Kirchgänger beider Glaubensrichtungen waren neun und mehr Jahre zur Schule gegangen, während 28 Prozent der unregelmäßigen Kirchgänger eine ähnliche Schulbildung hatten.

Mitglieder der beiden großen christlichen Glaubensrichtungen enthielten sich im Allgemeinen der Kritik an der mangelnden Gegnerschaft gegen die Nazis in der jeweils anderen Kirche. Wenn sich Kritik zeigte, dann kam sie überwiegend von den unregelmäßigen Kirchgängern beider Glaubensrichtungen. Während 70 Prozent der regelmäßigen katholischen Kirchgänger der Meinung waren, die Kirche habe ihr Möglichstes getan, um gegen das nationalsozialistische Regime Widerstand zu leisten, kam eine ähnliche Behauptung nur von 47 Prozent der regelmäßigen protestantischen Kirchgänger. Nur unter den regelmäßigen katholischen Kirchgängern war eine Mehrheit davon überzeugt, dass der Klerus sie davor gewarnt hatte, die Nationalsozialisten zu wählen. Von den unregelmäßigen katholischen Kirchgängern sagte eine Mehrzahl (35%), es gebe immer noch Nazis im Klerus. Die meisten Mitglieder der anderen drei Gruppen leugneten dies. Es scheint, dass die Antworten einer großen Prozentzahl der Befragten voreingenommen waren, um Kritik an der eigenen Kirche abzuwehren.

Wichtige gesellschaftliche Gruppen hielten die Religion für eine reale Kraft beim Wiederaufbau Deutschlands. Doch wurde eine Unterscheidung getroffen zwischen der Unterstützung der Religion als einer moralischen Kraft im Leben und der Unterstützung der Kirche, wenn sie eine politische Rolle spielte. Ein großer Anteil der Gesamtbevölkerung (43%) war der Meinung, die Kirche mische zum damaligen Zeitpunkt in politischen Angelegenheiten mit. 70 Prozent waren allerdings der Ansicht, die Kirche solle sich weniger für politische Angelegenheiten interessieren. Starke Opposition wurde auch gegen Belehrungen des Klerus über das Wählen ausgedrückt, sowie gegen dessen Unterstützung bestimmter politischer Parteien. 32 Prozent der regelmäßigen katholischen Kirchgänger unterstützten die erneute Gründung einer Zentrumspartei. Dieser Vorschlag wurde von katholischen Frauen ebenso stark befürwortet wie abgelehnt. Alle anderen wesentlichen Gruppen aber lehnten dies entschieden ab. Mehr Mitglieder aller untersuchten Gruppen fanden, Katholiken und Protestanten würden in einer „christlichen“ politischen Partei erfolgreich zusammenarbeiten, als jene, die eine solche Möglichkeit ausschlossen, was auf die geringe Rivalität zwischen den beiden Kirchen hinweist.

Eine große Mehrheit der allgemeinen Bevölkerung war davon überzeugt, dass die Militärregierung der Kirche ausreichende und angemessene Unterstützung zukommen ließ.

Quelle: A. J. und R. L. Merritt, Public Opinion in Occupied Germany, The OMGUS Surveys. Urbana, IL, 1970, ff. S. 81–83.

Übersetzung: Erica Fisher