Kurzbeschreibung

Sonja Ziemann wurde mit ihrer Rolle in Schwarzwaldmädel, für die sie einen „Bambi“ erhielt, berühmt, doch der Erfolg des Films hatte seinen Preis, denn sie bekam nur noch ähnliche Rollen. Wie in diesem Artikel erwähnt wird, neigte sie dazu, jede Rolle gleich zu spielen, eben auch deshalb, weil sie Figuren spielte, die einander sehr ähnlich waren. Obwohl sie in diesem Artikel betonte, dass sie mit diesen Rollen zufrieden war und lieber mit europäischen Studios arbeiten wollte, als nach Hollywood zu gehen, begann sie Anfang der 1960er Jahre, Filme in Hollywood und England zu drehen. In einem 1961 gegebenen Interview (vor der Veröffentlichung ihres ersten amerikanischen Films), sagte sie zudem, dass alle ihre Rollen in Deutschland Kitsch gewesen seien, stets habe sie das nette Landmädchen im Dirndlrock vor einer Kulisse aus Blumen, Bergen und Wäldern gespielt. Spätere Entwicklungen in Ziemanns Karriere legen zudem den Schluss nahe, dass die Persönlichkeit, die sie in diesem Artikel von 1952 präsentierte, ein sorgfältig konstruiertes Image war, das dazu diente, ihr Rollen zu verschaffen und vom lukrativen Genre des Heimatfilms zu profitieren (eine Tatsache, die ebenfalls in diesem Artikel angesprochen wird). Alles, von ihrem Privatleben und der Konzentration auf die Familie bis hin zu ihrem Aussehen und ihrer Persönlichkeit, war darauf ausgerichtet, der westdeutschen Regierung und Öffentlichkeit zu gefallen.

Sonja Ziemann, Star zahlreicher Heimatfilme (3. September 1952)

Quelle

Das deutsche Gemüt

[]

Ursprünglich hatte Regisseur Wolff den Ehrgeiz, „eine ganz neue Sonja Ziemann als Große Dame“ zu kreieren. Aber dann ließ er es: „Am Ende kommt bei ihr doch immer das kleine Mädchen durch."

„Das kleine Mädchen“ aber ist gerade der Typ, der ihr das Publikum sichert. Nicht von ungefähr ist ihre Popularität in dem Maße gewachsen, in dem die Nachfrage des Kinogängers nach deutschem Gemüt anstieg. So kultivieren denn auch geschäftstüchtige Manager, Produzenten, Verleiher, Drehbuch-Autoren und Pressechefs die Standardeigenschaft der Ziemann, mit einem Lied auf den Lippen das kleine Alltagsglück zu finden.

Daß „Sonnie“ – so nennen sie ihre Kollegen – mit jener Mischung aus Naivität, Unkompliziertheit und guter Laune im deutschen Nachkriegsfilm genau richtig liegt, hat man ihr bereits 1950 offiziell bestätigt. Nach einer Umfrage der „Film und Mode-Revue“, Baden-Baden, wurde ihr als der beliebtesten deutschen Filmschauspielerin der „Bambi“, eine Art deutscher „Oscar“, verliehen. (Den „Bambi“ für Männer bekam Rudolf Prack.)

Für viele Filmkundige war die Wahl von Sonja Ziemann eine Überraschung, hatte sie doch in den mehr oder (meistens) weniger amüsanten deutschen Unterhaltungsfilmen „Die Freunde meiner Frau“, „Nichts als Zufälle“, „Nächte am Nil“, „Um eine Nasenlänge“, „Nacht im Séparée“ kaum Gelegenheit gehabt, sich mit einer echten Hauptrolle in den Vordergrund zu spielen.

Immerhin waren im Gefolge der Hildegard Knef und Maria Schell neue Talente nach oben gekommen, gegen deren Schönheit, künstlerisches Format oder Sex-Appeal die Ziemann nicht aufkommt. Deshalb die Überraschung vieler Filmleute, als sich das Publikum trotzdem mit überwältigender Mehrheit für die beruhigende Mittelmäßigkeit ihres Lieschen-Müller-Typs entschied.

Für den „Bambi“-Erfolg bleibt nur eine Erklärung: Es gefällt dem kleinen Mann im Parkett, daß sie als „eine von uns“ weder seelisch unergründlich noch erotisch verwirrend ist. In allen ihren Rollen ist sie munter und frisch gelüftet; alle ihre Filme sind aufs Happy - End abonniert: Sonja stirbt nicht, sie holt sich höchstens einmal einen Schnupfen.

Ohne die Eigenschaft der Ziemann, immer ein bißchen vor der imaginären Kulisse der deutschen Wohnküche zu spielen, wäre es kaum zu verstehen, warum sie

* heute mit rund 50 000 DM pro Film als einer der bestbezahlten deutschen Stars gilt;
* mit ihren 27 Jahren bereits 27 Filme gedreht hat und wegen Überbeschäftigung Angebote ablehnen muß;
* als erste deutsche Filmschauspielerin von J. Arthur Rank nach London geholt wurde;
* als Kassenmagnet selbst altbewährte Publikumskanonen wie Marika Rökk und Zarah Leander in den Schatten stellt.

[]

„Am Brunnen vor dem Tore“ hieß also der Titel zu dem Farbfilm, den Sonja Ziemann im Februar 1952 bei der Freiwilligen Selbstkontrolle anmeldete. Dort gingen innerhalb von 14 Tagen allein acht Volkslied-Anfänge zur Eintragung als Filmtitel ein, was die Sachbearbeiterin Dr. Wassum zu der Feststellung veranlaßte: „Die Volksliederitis ist ausgebrochen!“

Als Handlungsort zu „Am Brunnen vor dem Tore“ hatte Sonja Ziemann, die als Hauptdarstellerin und Mitproduzentin genannt wurde, Rothenburg ob der Tauber angegeben, was im Gegensatz zu Altheidelberg, Schwarzwald, Rhein und Lüneburger Heide volksliedmäßig noch nicht erfaßt war.

„Wir sind so ziemlich alle Volkslieder durchgegangen“, erzählt Sonjas Gatte, Rudolf Hambach, 27, Strumpffabrikant in Wiesbaden, „aber ‚Am Brunnen vor dem Tore‘ war das Beste. Zuerst dachten wir ja mal an ‚Sah' ein Knab ein Röslein steh‘n‘. Aber das gibt nicht viel her. Beim ‚Brunnen‘ dagegen fallen einem mit Leichtigkeit vier Stories ein. Man kann a) anknüpfen an die Dorflinde, um die sich nach Feierabend das Leben abspielt, oder b) an das Haus am Bergeshang, in dem ein alter Mann, meinetwegen der Dorfschulmeister, sitzt und beim Anblick des Brunnens an frühere Zeiten denkt.“

Nach Rudolf Hambachs Meinung müßte die Geschichte natürlich auch ein paar moderne Akzente kriegen: „Es kommen Amerikaner ins Dorf, und da haben die Einwohner die Idee, daß sie zur Belebung des Fremdenverkehrs den alten Brunnen wieder in Betrieb setzen könnten. Arbeiter graben den Schacht aus, finden plötzlich Taschentuch mit Ring eingeknotet. Frage: Wie kommt Ring in Brunnen? Der alte Mann weiß Bescheid, er kennt die Frau, die ihn einst trug, das Taschentuch gehört ihm.“

Mit der oft glossierten „Träne im Augenwinkel“ und dem „Luxor-Lächeln“ allein hat es Sonja Ziemann jedoch nicht geschafft, sieben Nachkriegsjahre ohne Unterbrechung im Filmgeschäft zu bleiben und sich dabei noch langsam in den Vordergrund zu spielen. Wenn es ums Geschäft geht, zeigt sich das „liebe naive Filmkind“ Sonja Ziemann nämlich als durchaus nüchtern kalkulierende Frau. „Ich habe keine Idealrolle, sondern spiele so, wie es dem Publikum gefällt. Wer das nicht kann, sollte heute gar nicht erst beim Film einsteigen.“

Ihr eigentlicher Erfolg liegt aber darin, daß sie die „eine von uns“ nicht nur darstellt, sondern auch wirklich ist. „Ein süßes dummes kleines Mädchen“ charakterisiert sie Gatte Rudolf Hambach. Immerhin ist es ihr gelungen, trotz einiger Dutzend Filme normal und bürgerlich zu bleiben.

Das von unten erleuchtete Schwimmbassin im Garten der Wiesbadener Villa und die Sonderkonstruktion eines schwarzroten 3,5 Liter BMW-Kabrioletts sind die einzigen Attribute, die die wohlhabende Familie Hambach dem Filmstar Sonja Ziemann schuldig zu sein glaubte.

Ihr ausgeprägter Familiensinn ist in Filmkreisen bekannt. So weiß man, daß sie ohne ihren Vater und ihren Mann keinen Vertrag abschließt. Der alte Otto Ziemann, Buchprüfer in Berlin, ist gleichzeitig ihr Manager und bekommt dreißig Prozent Provision per Film. Auch Mutter Alice Ziemann ist in den Ateliers keine Unbekannte mehr. Von Zeit zu Zeit erscheint sie in den Kulissen, billigt wohlwollend die Dreharbeiten und sagt unvermittelt: „Nun ist es genug, Sonja, du mußt jetzt ein halbe Stunde ausruhen.“

Die rührend konservative Tugend Sonja Ziemanns, an der Familie zu hängen und zum angetrauten Mann aufzublicken, wie sich‘s gehört, kommt glänzend an in einer Zeit, in der so ziemlich alle Werte bürgerlicher Gesellschaftsordnung dahinrotten. Die Familie Hambach-Ziemann tut denn auch das Ihre, diesem Phänomen solider Häuslichkeit die nötige Publicity zu verschaffen.

Unter diesem Aspekt läuft beispielsweise eine dreiseitige Bildreportage in der „Film- und Moderevue“ Nummer 17. Im Text – betitelt „Sonnige Ziemann – Bei ihr zu Haus“ – hat der Leser u. a. auch Einblick in eheliche Neckereien: „ ... mit zärtlichen Verhandlungen: ‚Spatz, gib Küßchen!‘ leistet er (Rudi Hambach) bescheidene Abbitte. Sonnie aber wirft die dunklen Locken mit Schwung herum und blitzt ihn an: ‚Spatz gibt Küßchen, aber nicht auf Befehl!‘ Vergnügter Beifall der Versammlung am Kaffeetisch, der sich steigert, als Mutti Hambach einen frischen Apfelkuchen hereinträgt, von dem Sonnie unter Ableistung mehrerer heiliger Eide schwört, ihn selbst gebacken zu haben.“

Und: „Fünf Wochen, drei Tage und sieben Stunden nach der Verlobung begaben sich die beiden zu Standesamt und Kirche, um sich die Hand fürs Leben zu geben. ‚Es war einfach, aber ergreifend‘, sagt mit leise zuckendem Näschen Sonnie.“

So oft er kann, läßt Sonjas gleichaltriger Gatte seine „Ruham“-Strümpfe (Herrensocken und Perlon-Damenstrümpfe, Monatsproduktion 84 000 Paar) im Stich, um ihr ins Atelier nachzureisen, wo er sie ungern aus den Augen läßt.

„Ich könnte direkt schon selbst einen Film machen“, sagt Rudi Hambach stolz. „Schließlich muß ich mich doch für den Beruf meiner Frau interessieren. In einer guten Ehe muß man sich doch abends über was unterhalten können. Sie interessiert sich ja auch für meine Strümpfe.“ Philosophisch fügt er hinzu: „Wenn auch wohl mehr für die Perlons.“

Regisseure, die mit Sonja Ziemann einen Film drehen, sind jedenfalls vor Liebesaffären, Intrigen und hysterischen Zusammenbrüchen sicher. „Sie hat eine unglaubliche Routine“, sagt Regisseur Wolff, „sie weiß von allein, wo das Licht am günstigsten ist und wie hoch sie die Augenbraue ziehen muß, damit es beim Publikum ankommt.“ (Wobei Hans Wolff mit seinen Filmen allerdings noch den Beweis schuldig geblieben ist, daß er selber weiß, worauf es beim Publikum ankommt.)

Gänzlich frei von Lampenfieber weiß Sonja Ziemann ihr schauspielerisches Kapital – das sind ihre graugrünen Kinderaugen, ihre dunklen Locken und ihr Kirschenmund – so exakt einzusetzen, daß selbst nach acht Stunden konzentrierter Dreharbeit Augenaufschlag und Schluchzen auf den Millimeter genau sitzen.

[]

Es war die immer gleichbleibend gutgelaunte, kollegiale Art der Ziemann, die ihr in ihren Atelieranfängen die Freundschaft der Beleuchter, Bühnenarbeiter, Tontechniker und Cutter eintrug, lange bevor Produzenten und Regisseure ihr Beachtung schenkten. Die Ziemanns in Eichwalde bei Berlin waren einfache Leute; Vater Otto machte als Buchprüfer bis in die Nacht hinein Überstunden, damit sein Sohn Werner Mathematik studieren und Sonja die Ballettschule besuchen konnte.

Als sie nach bestandener Abschlußprüfung bei Tatjana Gsovsky zum erstenmal in der Berliner „Plaza“ auftrat, war sie gerade 18 Jahre alt. Ihr Vater brachte sie abends hin und holte sie nach der Vorstellung wieder ab – eine Vorsichtsmaßnahme übrigens, die sich bald als überflüssig erwies. Denn Sonja hielt ihre männlichen Kollegen und Verehrer in freundlicher Distanz, um sich ehrgeizig vom Chorgirl zur Soubrette hochzutanzen.

Die ersten Probeaufnahmen für den Film waren nicht überwältigend. Auch nach einem ganz netten Anfangserfolg in „Die Jungfern vom Bischofsberg“ sagte der 18jährigen niemand voraus, daß sie es einmal auf der Leinwand zu etwas bringen würde. Trotzdem, Sonja spielte geduldig eine kleine Rolle nach der anderen, war freundlich zu jedermann und gehörte bald zum lebenden Inventar der Berliner Ateliers.

Das Kriegsende zerstörte die Hoffnung auf eine größere Rolle. In der neuen Film-Metropole Hamburg war sie unbekannt. So saß sie an drehfreien Abenden ihres ersten Films „Die Freunde meiner Frau“ frierend in ihrem Hotelzimmer, und es wurde ihr klar, daß sie wiederum von vorne anfangen mußte.

Die aus der Not gewonnene Tugend, sich künstlerisch und geschäftlich von kleiner Basis langsam zu verbreitern, beachtet Sonja Ziemann selbst heute noch, wenn sich die Agenten nach ihr den Hörer aus der Hand reißen. „Hollywood? Nee! Warum soll ich riskieren drüben erstmal zwei Jahre auf Eis gelegt zu werden, wenn ich hier noch genug zu tun habe?“

Vorläufig möchte sie erst einmal die europäischen Ateliers kennenlernen, am liebsten jedes Jahr ein anderes. Deshalb sitzt sie abends in ihrer Wiesbadener Wohnung aufmerksam am Lingnaphon, um französische Sätze nachzusprechen. Ihr Englisch ist schon so abgeschliffen, daß sie ihre erste Rolle bei J. Arthur Rank selbst sprechen konnte.

Die Popularität, die sie sich drüben in bemerkenswert kurzer Zeit verschaffte, verdankt sie eigentlich dem Unterhaus-Abgeordneten Captain Fields. Seine Anfrage beim britischen Arbeitsminister, warum man ausgerechnet eine deutsche Schauspielerin nach England hole, löste eine Presse-Kampagne aus, die Sonja Ziemann mit einem Schlage bekannt machte.

Die Rolle des ungarischen Dienstmädchens in seinem Farbfilm „Made in Heaven“ (deutscher Titel: „Muß das sein, Fräulein?“) hatte Produzent George Brown eigentlich erst an Margot Hielscher oder Angelika Hauff vergeben wollen. Aber dann entdeckte er beim Besuch von „Die Frauen des Herrn S“ das Ungarische in Sonja Ziemann. Dieser Sieg Sonjas über die Ungar-Wienerin Hauff machte in Fachkreisen Furore.

In den Pinewood-Studios lernte Sonja Ziemann, daß sich der private Aktionsradius eines Filmstars drüben im wesentlichen darauf beschränkt, mit korrektem Lächeln „How are you“ zu sagen. Alles andere erledigt der Publicity-Manager.

Obwohl Sonja Ziemann sehr pressefreundlich ist (Rudolf Hambach: „Wenn Reporter kommen, läßt sie das Essen stehen“), wissen die Journalisten in Deutschland recht wenig mit ihr anzufangen. Bereits nach den ersten Fragen bleiben die Interviews in freundlichen Gemeinplätzen stecken. „Sie hat ein Repertoire von zehn Standardantworten“, stöhnte ein Kölner Filmjournalist, „aber ich wußte die Reihenfolge nicht, und so redeten wir immer aneinander vorbei.“

So war es durchaus ernsthaft gemeint, als sie den Vertreter der Düsseldorfer „Film-Illustrierten“ auf die Frage nach ihrer bevorstehenden Heirat mit Rudolf Hambach bat: „Aber schreiben Sie bitte erst, daß ich mich verlobt habe, damit sich das Publikum langsam daran gewöhnt.“

Oder aber: „Welche Filmrolle war eigentlich Ihre liebste?“ Antwort: „Alle Filmrollen waren mir lieb, sonst hätte ich sie nicht angenommen.“

[]

In geschäftlichen Dingen clever wie ein Kaufmann, weiß Sonja Ziemann auch dann, was man tun muß, wenn die Erfolgskurve plötzlich absinkt. Als nach dem großen Schlager „Grün ist die Heide“ das Publikum auf die von den Hamburger Filmjournalisten zum „mißlungensten Film des Monats“ erklärte „Diebin von Bagdad“ wesentlich kühler reagierte, setzte sich Sonja von dem um 20 Jahre älteren Rudolf Prack ab, um sich gleich mit drei jugendlicheren Partnern in „Alle kann ich nicht heiraten“ neuen Auftrieb zu holen.

Aber Sonja kennt auch die Taktik tüchtiger Film-Geschäftsfrauen, nach einer Serie von Rollen im richtigen Moment alle Angebote kategorisch abzulehnen, um sich wieder einmal rar zu machen. Diese Taktik wendet sie zur Zeit an. Ihr in Kürze anlaufender Film „Made in Heaven“ reicht ohnehin für mindestens sechs Monate Renommee.

Quelle: „Das deutsche Gemüt“, Der Spiegel, 3. September 1952, S. 30-33. Online verfügbar unter: https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-21977609.html