Quelle
Rund 85 Prozent aller Frauen waren im Haushalt beschäftigt. Diese Tätigkeit wurde in den Nachkriegsverfassungen als vollgültiger Beruf anerkannt. Die Arbeitsämter hatten aber Schwierigkeiten, genügend Frauen und Mädchen für Arbeit als Hausgehilfinnen zu finden. In Stuttgart allein fehlten Anfang 1948 rund 4000 Hausgehilfinnen, wobei nur kinderreiche und sonstige wichtige Haushaltungen (Ärzte) berücksichtigt waren. Für die Tätigkeit als Hausgehilfinnen im Ausland meldeten sich dagegen zahlreiche Frauen; die MilReg. erteilte jedoch keine Ausreisegenehmigung. Schneiderinnen, Putzmacherinnen, Modistinnen waren sehr gesucht. Während des Krieges waren in diesen Berufszweigen kaum Mädchen ausgebildet worden, da diese in kriegswichtigen Betrieben benötigt wurden. Gelernte Kräfte zogen es nach 1945 meistens vor, sich selbständig zu machen und für Kunden zu arbeiten, die in der Lage waren, wenigstens teilweise in Naturalien zu bezahlen. Der Andrang zu Lehrstellen im Handwerk war größer als in der Vorkriegszeit; wohl in der Annahme, daß das Handwerk auch nach der Währungsreform eine einigermaßen gesicherte Existenz gewährleisten würde. Nur ein kleiner Teil der Stellungsuchenden konnte jedoch unterkommen. Einige der früheren Ausbildungsstätten für soziale Berufe (Fürsorgerin, Kindergärtnerin usw.) wurden in den ersten Jahren nach dem Kriege wiedereröffnet. Während viele Schülerinnen abgewiesen werden mußten, herrschte gleichzeitig in diesen Berufen Mangel an ausgelernten und berufserfahrenen Kräften. Bessere Ausbildungsmöglichkeiten bestanden für Pflegerinnen (Kranken-, Kinder-, Säuglingsschwestern), da hier der Andrang jüngerer Kräfte zur Ausbildung geringer war.
Die Zahl der in geistigen Berufen tätigen Frauen war klein. Es gab in den Westzonen nur sehr wenige Professorinnen, Bürgermeisterinnen, Senatorinnen usw., obwohl keinerlei rechtliche oder verfassungsmäßige Hindernisse für die Besetzung derartiger Ämter durch Frauen bestanden. Zwar gelangte nach 1945 eine Reihe von Frauen auch hier in führende Stellungen, übernahm Ministerposten und sonstige Staatsstellungen. Doch wirkte sich die nach 1933 erfolgte Zurückdrängung der Frau aus dem öffentlichen Leben noch immer aus. In der Sow. Z. und in Berlin trat die Frau im öffentlichen und staatlichen Leben stärker hervor. Es sei die stellv. Bürgermeisterin von Berlin, Frau Luise Schröder, erwähnt, aber auch an den Hochschulen und in anderen leitenden Stellen war der Anteil der Frauen ein höherer als im Westen.
Die Wiedereinführung eines Pflichtjahres, das junge Mädchen vor Antritt eines Berufes in einem fremden Haushalt oder in einer Fabrik ableisten sollten, wurde wieder diskutiert. Manche Arbeitsämter würden die Wiedereinführung des Pflichtjahres begrüßen, da hierdurch junge Mädchen zugunsten älterer Arbeitssuchender, z. B. Kriegswitwen, um ein Jahr zurückgestellt würden. Von anderer Seite wurde eine solche Maßnahme als unbillige Ausbeutung bekämpft.
Der in den neuen Verfassungen niedergelegte Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Leistungen“ war in den meisten Berufen, auch in der Industrie, eingeführt worden; zuerst in der Sow. Z., obwohl er dort nicht in der Verfassung verankert war. Verhältnismäßig wenige Frauen waren Mitglieder von Gewerkschaften. Sie beanstandeten, daß Gewerkschaften, mit wenigen Ausnahmen, durchweg von Männern geleitet wurden, eine Tatsache, die freilich die Frauen durch stärkere Beteiligung an der Arbeit der Gewerkschaft beseitigen könnten. Die Gewerkschaften zeigten zunehmendes Interesse an weiblichen Mitgliedern. U. a. hatten sie in vielen Industriezweigen die Gewährung eines freien Nachmittags in der Woche für verheiratete Frauen erreicht.
Infolge der frühzeitigen Sperrung aller Bankkonten in der Sow. Z. waren dort viele Frauen gezwungen, neben ihrem Haushalt noch einem Gelderwerb nachzugehen. Durch die Übernahme von Schwerarbeit erhielten sie bessere Lebensmittelkarten, während Hausfrauen in die niedrigste Gruppe der Kartenempfänger fielen. Daher konnte man vielfach Frauen finden, die schwere körperliche Arbeit leisteten. In Berlin arbeiteten 70 000 Frauen in ausgesprochenen Männerberufen, davon 12 000 im Baugewerbe. In Thüringen meldeten sich 1946 1793 weibliche Handwerker zur Meisterprüfung, von denen 1498 die Prüfung bestanden.
Quelle: K. Mehnert, H. Schulte, Hrsg., Deutschland-Jahrbuch 1949. Essen: West-Verlag, 1949, S. 272; abgedruckt in Christoph Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945–1955. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1986, S. 366–67.