Kurzbeschreibung

Während der Euro-Krise tauchte das Bild des „hässlichen Deutschlands“ in vielen europäischen Ländern wieder auf. Die Renationalisierung des Diskurses brachte die deutsche Regierung in eine schwierige Lage, da sie bei der Bewältigung der Krise auch auf innenpolitische Forderungen reagieren musste.

Deutschlands Image leidet während der Euro-Krise (27. März 2013)

Quelle

Deutschlands Image, Merkels Beitrag

Für den spanischen Fernsehjournalisten Jordi Évole benimmt sich Angela Merkel wie eine Domina: Sie peitscht die Staaten der Euro-Zone aus, die sich schlecht benehmen. Es ist ein drastisches Bild, das Évole zeichnet. Er nutzte es schon im vergangenen Herbst. Damals gingen die Spanier gegen den Sparkurs ihrer Regierung auf die Straße; sie protestierten gegen Arbeitsmarktreformen nach deutschem Vorbild und gegen Steuererhöhungen. Heute, nach der Rettung Zyperns, ist das Domina-Image aktueller denn je.

Dabei haben alle Euro-Staaten gemeinsam das Hilfspaket für Zypern beschlossen. Und dem Vernehmen nach war es gar nicht Angela Merkel, sondern der zyprische Regierungschef Nikos Anastasiades selbst, der im gescheiterten ersten Anlauf zur Rettung durchsetzte, auch die Kleinsparer zu belasten. Doch die Demonstranten in Nikosia interessiert das wenig. Ihre Wut richtet sich gegen die Bundeskanzlerin, die auf Transparenten erneut mit Hitler-Bärtchen und Hakenkreuz dargestellt wird. „Merkel, Du stiehlst unsere Ersparnisse“, riefen sie auf den Straßen.

Selbst seriöse Medien greifen in der Euro-Debatte gern zu Nazi-Vergleichen, seit griechische Zeitungen Angela Merkel vor einem Jahr als Nazifrau darstellten. Vor wenigen Tagen erst schrieb der spanische Ökonomieprofessor Juan Torres López in der Tageszeitung El País: „Wie Hitler hat Angela Merkel dem Rest des Kontinents den Krieg erklärt, diesmal, um sich wirtschaftlichen Lebensraum zu sichern.“ Online ist der Text inzwischen nicht mehr zu finden.

Das Dilemma der Deutschen

Für die deutsche Regierung ist das ein kaum aufzulösendes Dilemma: Zu Hause kritisierten die Wähler die Kanzlerin lange dafür, dass sie gegen anfänglichen Widerstand am Ende doch jedem Rettungspaket zustimmte. Im Ausland hingegen gilt sie als Eiserne Lady, die Europa mit viel zu harter Hand regiert. Viele Deutsche glauben, dass die Bundesregierung zu viel Steuergeld für riskante Rettungsmaßnahmen aufs Spiel setzt. In den Krisenländern finden dagegen viele, dass Deutschland großzügiger helfen sollte – schließlich hätten seine Exporteure in guten Zeiten auch vom schuldenfinanzierten Konsum des Südens profitiert. Dass beides nötig ist, Sparen und Hilfe, und dass es vor allem darum gehen sollte, die richtige Balance zwischen beidem zu finden, gerät zwischen den Fronten aus dem Blick.

Durch seine Krisenpolitik zerstöre Deutschland gerade den guten Ruf, den es nach dem Zweiten Weltkrieg berechtigterweise erlangt habe, sagt Rafael Poch, Korrespondent der spanischen Zeitung La Vanguardia in Berlin. Schon vor Jahren habe er Außenminister Guido Westerwelle darauf angesprochen. „Er schaute mich an, als hätte ich etwas völlig Verrücktes gesagt.“

Möglicherweise lässt es sich in einem Bündnis souveräner Staaten wie der Europäischen Union gar nicht vermeiden, dass es in Krisenzeiten zu harschen Konflikten kommt. Letztlich tue Deutschland nichts, was die anderen nicht auch täten, sagt Rafael Poch. „In der EU denkt jeder nur an sich, Deutschland auch.“ Aber es sei nun einmal das Land mit der stärksten Wirtschaft, „das den Laden zusammenhält“, und müsse deshalb auch mehr Verantwortung als die anderen übernehmen. Am Ende aber folge auch Deutschland nur seinen eigenen Interessen.

Der Duisburger Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte hält das für logisch. „Unsere Regierung wird nicht im Ausland gewählt. Gerade in einem Bundestagswahljahr ist ihr deshalb weniger wichtig, welches Bild das Ausland von den Deutschen hat.“ Zumal nationale Stereotype wie das Bild vom harten Deutschen sich nicht leicht verändern lassen: „Das dauert lange“, sagt Korte, „oder es brauchte ein kollektives Großereignis wie die Fußball-WM vor einigen Jahren.“

„Der Große muss nicht immer zeigen, dass er groß ist“

Hat die Bundesregierung also alles richtig gemacht? War es eine zwangsläufige Folge der Krisenpolitik, dass sich das Bild der Deutschen im Ausland stetig verschlechterte? Korte glaubt, dass Merkel durchaus Handlungsspielraum hätte.

Beispielsweise könnten sich die Deutschen Partner unter den kleinen Mitgliedsstaaten suchen. Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl habe das früher sehr geschickt getan. „In den Verhandlungen ging Kohl immer zuerst auf die Vertreter der Kleinen zu und setzte sich neben sie. Das könnte ein Ansatzpunkt sein“, sagt Korte. „Macht zu teilen, um Vertrauen zu gewinnen, ist gerade für große Staaten eine kluge Option.“ Deutschland dürfe seine Wirkung auf andere nicht ignorieren, sagt er. „Wir sind abhängig davon, wie andere uns sehen.“

Elmar Brok sieht das ähnlich. Deutschland müsse sich stärker mit denen verbünden, die ähnliche Ziele verträten, sagt der CDU-Europaparlamentarier und Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten: „Eigentlich müssten sich die Benelux-Länder, Finnland und andere bis hin zur EU-Kommission stärker mit an die Spitze stellen.“ Bislang versteckten sie sich aber häufig hinter Deutschland, dessen Verhandlungsführer zu oft nach vorne preschten. Ein Fehler, glaubt Brok: „Der Große muss nicht immer zeigen, dass er groß ist.“ In anderen Worten: Die Bundesregierung könnte durchaus anders agieren, als sie es derzeit tut.

Der Europa-Abgeordnete fordert, den Bürgern die Krisenpolitik besser zu erklären und differenzierter darüber zu diskutieren. „Es kann nicht sein, dass jeder in seinem Land immer nur die halbe Geschichte erzählt.“ In Griechenland oder Zypern müsse klar werden, welchen Beitrag Deutschland und andere Länder für die Rettungsaktionen leisteten und wie die innenpolitischen Beschränkungen seien. Genauso aber müsse hierzulande noch deutlicher gesagt werden, welche erheblichen Anstrengungen die Krisenländer selbst unternähmen.

Es geht um gegenseitigen Respekt

Klar, sagt auch Brok: Deutschland könne seine Hilfe nicht verschenken. „Wir dürfen aber nicht hochnäsig sein und den Krisenländern Vorwürfe machen. Wir müssen einfach sachlich zeigen, wie die Lage ist“, sagt Brok. „Keine Seite sollte behaupten, alles allein leisten zu müssen, während die anderen gar nichts tun.“

Wie aber vermittelt man Krisenpolitik am besten? Der Politikwissenschaftler Korte findet, dass die reinen Zahlen dabei kaum helfen. „Die Größenordnungen, um die es in den Rettungspaketen für die Krisenländer geht, sind für die Bürger gar nicht mehr vorstellbar. Nur mit den Zahlen zu argumentieren oder Experten zu befragen, ist wenig sinnvoll.“ Viel wichtiger wäre eine symbolische Kommunikationsstrategie, sagt Korte. „Es geht auch um die Bilder, die in der Krise an die Öffentlichkeit kommen.“ Gerade Angela Merkel habe dafür ein feines Gespür. Die Kanzlerin, die stets nüchtern auftritt, hätte also durchaus Potenzial, in Europa anzukommen. Allein, sie nutzt die Stärke nicht.

Eine intensive Reisediplomatie könnte helfen, die EU-Partner wieder stärker zusammenzubringen, sagt Korte. „Angela Merkel könnte dann auch private Treffen mit den anderen Regierungschefs öffentlich dokumentieren.“

Letztlich geht es wohl darum, einander öffentlich den angemessenen Respekt zu erweisen – ob durch Zurückhaltung, wie Brok sie fordert, durch Kooperation in den Verhandlungen oder symbolische Zusammenkünfte. Korte jedenfalls glaubt, dass die Bundeskanzlerin ganz entgegen ihrem Domina-Image genau die richtige Politikerin dafür wäre. „Durch ihre Biographie ist sie unter den anderen Regierungschefs gut angesehen. Niemand verkörpert so authentisch wie sie, dass Krisen und drastische Veränderungen auch das Profil stärken können und viele neue Chancen enthalten.“ Nur müsste Angela Merkel dieses Pfund gezielter einsetzen.

Quelle: Carsten Luther und Alexandra Endres, „Deutschlands Image, Merkels Beitrag“, Die Zeit Online, 27. März 2013. Online verfügbar unter: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-03/deutschland-image-europa