Kurzbeschreibung

Im Juni 1990 wurde das so genannte Treuhandgesetz von der Volkskammer der DDR verabschiedet. Das Gesetz regelt den Umbau der Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft und die damit verbundene Privatisierung des volkseigenen Vermögens. Zusammen mit dem Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 und dem Einigungsvertrag vom 31. August 1990 bildete es die Basis für die Arbeit der Treuhandanstalt, die von 1990 bis 1994 tätig war.

Die Privatisierung der DDR-Wirtschaft (17. Juni 1990)

Quelle

Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990

Getragen von der Absicht,

– die unternehmerische Tätigkeit des Staates durch Privatisierung so rasch und so weit wie möglich zurückzuführen,

– die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen,

– Grund und Boden für wirtschaftliche Zwecke bereitzustellen,

– daß nach einer Bestandsaufnahme des volkseigenen Vermögens und seiner Ertragsfähigkeit sowie nach seiner vorrangigen Nutzung für Strukturanpassung der Wirtschaft und die Sanierung des Staatshaushaltes den Sparern zu einem späteren Zeitpunkt für den bei der Währungsumstellung am 2. Juli 1990 reduzierten Betrag ein verbrieftes Anteilsrecht an volkseigenem Vermögen eingeräumt werden kann,

wird folgendes Gesetz erlassen:

§ 1 Vermögensübertragung

(1) Das volkseigene Vermögen ist zu privatisieren. Volkseigenes Vermögen kann auch in durch Gesetz bestimmten Fällen Gemeinden, Städten, Kreisen und Ländern sowie der öffentlichen Hand als Eigentum übertragen werden.

Volkseigenes Vermögen, das kommunalen Aufgaben und kommunalen Dienstleistungen dient, ist durch Gesetz den Gemeinden und Städten zu übertragen.

(2) Der Ministerrat trägt für die Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens die Verantwortung und ist der Volkskammer rechenschaftspflichtig.

(3) Der Ministerrat beauftragt mit der Durchführung der entsprechenden Maßnahmen die Treuhandanstalt.

(4) Die Treuhandanstalt wird nach Maßgabe dieses Gesetzes Inhaber der Anteile der Kapitalgesellschaften, die durch Umwandlung der im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragenen volkseigenen Kombinate, Betriebe, Einrichtungen und sonstigen juristisch selbständigen Wirtschaftseinheiten (nachfolgend Wirtschaftseinheiten genannt) entstehen oder bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits entstanden sind.

(5) Die Vorschriften dieses Paragraphen finden nicht für volkseigenes Vermögen Anwendung, soweit dessen Rechtsträger

– der Staat,

– die Deutsche Post mit ihren Generaldirektionen, die Deutsche Reichsbahn, die Verwaltung von Wasserstraßen, die Verwaltung des öffentlichen Straßennetzes und andere Staatsunternehmen,

– Gemeinden, Städten, Kreisen und Ländern unterstellte Betriebe oder Einrichtungen,

– eine Wirtschaftseinheit, für die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Liquidationsvermerk im Register der volkseigenen Wirtschaft eingetragen wurde, sind.

(6) Für die Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens in der Land- und Forstwirtschaft ist die Treuhandschaft so zu gestalten, daß den ökonomischen, ökologischen, strukturellen und eigentumsrechtlichen Besonderheiten dieses Bereiches Rechnung getragen wird.

§ 2 Stellung und Aufgaben der Treuhandanstalt

(1) Die Treuhandanstalt ist eine Anstalt öffentlichen Rechts. Sie dient der Privatisierung und Verwertung volkseigenen Vermögens nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft.

(2) Die Treuhandanstalt unterliegt der Aufsicht des Ministerpräsidenten.

(3) Die Satzung der Treuhandanstalt ist durch den Ministerpräsidenten der Volkskammer zur Bestätigung vorzulegen.

(4) Die Geschäftsordnung der Treuhandanstalt bedarf der Bestätigung durch den Ministerrat,

(5) Auf die Treuhandanstalt sind die Regelungen gemäß § 96 Absätze 2 und 3 der Haushaltsordnung der Republik über die Verwaltung von Unternehmen in der Rechtsform einer republikunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts und über die Verwaltung ihrer Beteiligungen anzuwenden.

(6) Die Treuhandanstalt hat die Strukturanpassung der Wirtschaft an die Erfordernisse des Marktes zu fördern, indem sie insbesondere auf die Entwicklung sanierungsfähiger Betriebe zu wettbewerbsfähigen Unternehmen und deren Privatisierung Einfluß nimmt. Sie wirkt darauf hin, daß sich durch zweckmäßige Entflechtung von Unternehmensstrukturen marktfähige Unternehmen herausbilden und eine effiziente Wirtschaftsstruktur entsteht.

(7) Im Vorgriff auf künftige Privatisierungserlöse kann die Treuhandanstalt im Rahmen und nach Maßgabe des Artikels 27 des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossenen Staatsvertrages zu Sanierungszwecken Kredite aufnehmen und Schuldverschreibungen begeben.

(8) Der Sitz der Treuhandanstalt ist Berlin.

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§ 8 Aufgaben der Treuhand-Aktiengesellschaften

(1) Die Treuhand-Aktiengesellschaften haben unter Hinzuziehung von Unternehmensberatungs- und Verkaufsgesellschaften sowie Banken und anderen geeigneten Unternehmen zu gewährleisten, daß in ihrem Bereich folgende Aufgaben unternehmerisch und weitestgehend dezentral gelöst werden:

– Privatisierung durch Veräußerung von Geschäftsanteilen oder Vermögensanteilen,
– Sicherung der Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen,
– Stillegung und Verwertung des Vermögens von nicht sanierungsfähigen Unternehmen oder Unternehmensteilen.

(2) Die Treuhand-Aktiengesellschaften haben der Treuhandanstalt über den Fortgang der Privatisierung zu berichten.

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§ 24 Übergangs- und Schlußbestimmungen

(1) Vorschriften dieses Gesetzes berühren nicht etwaige Ansprüche auf Restitution oder Entschädigung wegen unrechtmäßiger Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffen.

(2) Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 1990 in Kraft.

(3) Gleichzeitig treten außer Kraft:

– Beschluß vom 1. März 1990 zur Gründung der Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums (Treuhandanstalt) (GBl. I Nr. 14, S. 107).

– Beschluß des Ministerrates vom 15. März 1990. Statut der Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums (Treuhandanstalt) (GBl. I Nr. 18, S. 167).

(4) Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz erläßt der Ministerrat.

Quelle: „Treuhandgesetz“, Neues Deutschland (29. Juni 1990).