Kurzbeschreibung

Eine gute Chemie zwischen den Staats- und Regierungschefs wird oft als wichtige Komponente für gute Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern angesehen. Barack Obama und Angela Merkel hatten viele Gemeinsamkeiten in ihren politischen Ansätzen und Inhalten, auch wenn sich ihre rhetorischen Stile deutlich unterschieden.

Merkel und Obama (17. November 2016)

Quelle

Späte Liebe

Angela Merkel und Barack Obama: Das ist die Geschichte einer Annäherung zwischen zwei gegensätzlichen Politikern. Warum sie am Ende doch miteinander konnten.

Kurz bevor Barack Obama zu seinem letzten Deutschlandbesuch als US-Präsident aufbricht, hat er Angela Merkel (CDU) schnell noch ein denkwürdiges Kompliment gemacht. Die Kanzlerin sei seine „engste internationale Verbündete“ während seiner achtjährigen Amtszeit gewesen, sagte er. Damit dürfte eine harmonische Atmosphäre bei der Begegnung zwischen den beiden an diesem Donnerstag und Freitag sichergestellt sein. Mehr Wertschätzung und Hochachtung geht schließlich kaum.

Dabei hatte die Bekanntschaft von Merkel und Obama einst nicht gerade glücklich begonnen. 2008 verweigerte Merkel dem damaligen Präsidentschaftskandidaten eine Rede vor der Kulisse des Brandenburger Tores. Er musste mit der weniger attraktiven Siegessäule vorliebnehmen.

Aber auch charakterliche Verschiedenheiten ließen es damals eher unwahrscheinlich erscheinen, dass diese beiden sich gut verstehen würden: Hier die nüchterne Politikverwalterin, dort der glänzende Rhetoriker mit den großen Ideen, das schien schlecht zusammenzupassen. Anders als Merkel sei Obama in der Lage, Politik nicht nur rational zu begründen, sondern auch emotional zu kommunizieren, beschreibt der damalige Koordinator der Bundesregierung für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Karsten Voigt (SPD), einen der wesentlichen Unterschiede.

Für Merkel mag die Begeisterung, die Obama 2008 in Deutschland auslöste, auch deshalb schwer zu ertragen gewesen sein, weil in manchem Lob für den Präsidentschaftskandidaten auch Kritik an ihrem eigenen Politikstil mitzuklingen schien. „Er hat eine Stimmung erzeugt, die den Glauben an Politik ermöglicht“, rühmte etwa der damalige Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen (CDU), Obama. Damit konnte Merkel in der Tat nicht dienen.

Nach Obamas Wahl war bei offiziellen Anlässen von Verstimmung oder Distanz dennoch wenig zu merken. Der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat noch den Nato-Gipfel 2009 in Baden-Baden vor Augen, Obamas ersten Besuch als Präsident in Deutschland. Bereits damals sei das Verhältnis zwischen Merkel und Obama sehr freundlich und von Vertrauen geprägt gewesen, sagt er.

Mehr Verbindendes als Trennendes

Überhaupt sieht Jung durchaus mehr Verbindendes als Trennendes zwischen Merkel und Obama. Jenseits aller rhetorischen Unterschiede pflege auch Obama einen durchaus nüchternen und pragmatischen Politikstil, sagt Jung. Entscheidend sei aber die von beiden geteilte liberale Sicht auf die Welt. Eine gemeinsame Wertebasis, das ist auch für Voigt die wichtigste Erklärung dafür, warum Merkel und Obama letztlich doch zueinander fanden.

Der heutige Regierungskoordinator für die transatlantische Zusammenarbeit, Jürgen Hardt (CDU), spricht gar von einer Wesensverwandtschaft der beiden Spitzenpolitiker. Beide seien bereit, einmal gefasste Meinungen zu überdenken und lieber noch mal zu ändern, bevor sie eine Entscheidung träfen, die dann vielleicht falsch oder suboptimal sei.

Obama selbst hatte bereits bei einem Besuch Merkels in Washington 2009 klargemacht, was er an Merkel besonders schätzt: Sie sei „smart“, denke praktisch und man könne ihr vertrauen, wenn sie etwas sage, sagte er damals. Bei anderer Gelegenheit rühmte er ihren Humor. Auch an offiziellen Auszeichnungen fehlte es nicht. 2011 erhielt Merkel als zweite Deutsche den höchsten zivilen Orden der USA, die Medal of Freedom.

„Merkel steht auf der richtigen Seite der Geschichte“

Trotzdem gab es anfangs auch viele Verstimmungen. Streitpunkte während Obamas erster Amtszeit waren etwa die amerikanischen Forderungen, Deutschland solle Guantanamo-Häftlinge aufnehmen oder mehr Soldaten nach Afghanistan schicken. Das Verhältnis belastet hat 2011 Deutschlands Enthaltung im Weltsicherheitsrat bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution. Aber auch ganz allgemein fühlte sich Merkel während Obamas ersten Regierungsjahren von Washington oft zu wenig beachtet.

Das dürfte allerdings weniger an der Person der Kanzlerin gelegen haben als daran, dass für Obama andere Weltgegenden schlicht wichtiger waren. So registrierte man in Deutschland genau, dass Obama sich bei einem Nukleargipfel in den USA 90 Minuten für den chinesischen Präsidenten Zeit nahm, aber nur 45 Minuten für die deutsche Regierungschefin. Obama habe erst lernen müssen, dass Europa nach wie vor der wichtigste und verlässlichste Partner der USA sei, sagt der Ex-USA-Koordinator Voigt.

Konflikte gab es auch während Obamas zweiter Amtszeit. Auf deutscher Seite war man empört darüber, dass deutsche Regierungsmitglieder und selbst die Kanzlerin von der NSA abgehört wurden. Obama wiederum missfiel, dass Merkel auf die europäische Schuldenkrise mit einem harten Spar- und Reformprogramm reagierte statt mit Schuldenstreichungen und Konjunkturprogrammen. Sehr einig agierte man dagegen während der Ukraine-Krise, als Obama weithin auf das Krisenmanagement der Kanzlerin vertraute.

Merkels „yes, we can“

Während der Flüchtlingskrise schien Merkel sich dann plötzlich noch mal ganz neu an Obama zu orientieren. Manche Beobachter in Deutschland erinnerte ihr berühmtes „Wir schaffen das“ jedenfalls an den Schlachtruf des US-Präsidenten von 2008: „Yes, we can“. Auch wenn die USA selbst kaum syrische Kriegsflüchtlinge aufnahmen, erhielt Merkel von Obama in dieser Hinsicht – anders als von seinem designierten Nachfolger – höchstes Lob. Merkel stehe „auf der richtigen Seite der Geschichte“, sagte der US-Präsident während seines Besuchs auf der Hannover-Messe in diesem Frühjahr.

Vergleichbare Elogen von Merkel über Obama sind allerdings nicht bekannt. „Es macht Spaß, mit dem amerikanischen Präsidenten zusammenarbeiten“, sagte sie einmal, das musste reichen.

Im Gegensatz zu Obama hat Merkel die Chance, das Weltgeschehen auch in den kommenden Jahren mitzubestimmen. Obama jedenfalls fände das wünschenswert: „Die Welt profitiert von ihrer steten Präsenz.“

Quelle: Katharina Schuler, „Späte Liebe“, Die Zeit Online, 17. November 2016. Online verfügbar unter: http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-11/angela-merkel-barack-obama-usa-deutschland/komplettansicht