Quelle
Auszug aus Das Buch der Zeit (1885)
Die Zeit verliebter Abenteuer,
Für mich ist sie schon
längst vorbei!
Nein mitten nur im Volksgewühl,
Beim Ausblick auf die
großen Städte,
Beim Klang der Telegraphendrähte
Ergießt
ins Wort sich mein Gefühl.
Dann glaubt mein Ohr, es hört den Tritt
Von vorwärts
rückenden Kolonnen
Und eine Schlacht seh ich
gewonnen,
Wie sie kein Feldherr noch erstritt.
Doch gilt sie keiner Dynastie,
Auch kämpft sie nicht mit
Schwert und Keule –
Galvanis Draht und Voltas
Säule
Lenkt funkensprühend das Genie.
Drum, dir, die schmerzvoll mich gebar,
Dir, jung Zeit aus
Blut und Eisen,
Leg ich mein Herz und seine Weisen
Nun
stumm auf deinen Hochaltar!
Schaust du doch auch ins Morgenroth
Und träumst von
unentdeckten Welten;
Wirst du die Liebe mir
vergelten,
Die tief für dich mein Herz durchloht?
Doch ob auch Dampf und Kohlendunst
Die Züge dieser Schrift
verwaschen;
Kein flüchtig Glück will ich erhaschen,
Ich
liebe dich, nicht deine Gunst!
Mir schwillt die Brust, mir schlägt das Herz
Und mir ins
Auge schießt der Tropfen,
Hör ich dein Hämmern und dein
Klopfen
Auf Stahl und Eisen, Stein und Erz.
Denn süß klingt mir die Melodie
Aus diesen
zukunftsschwangern Tönen;
Die Hämmer senken sich und
dröhnen:
Schau her, auch dies ist Poesie!
Sie kehrt nicht nur auf ihrem Gang
In Wälder ein und
Wirtshausstuben,
Sie steigt auch in die Kohlengruben
Und
setzt sich auf die Hobelbank.
Auch harft sie nicht als Abendwind
Nur in zerbröckelten
Ruinen,
Sie treibt auch singend die Maschinen
Und pocht
und hämmert, näht und spinnt.
Sie schaukelt sich als schwanker Kahn
Im blauen
schilfumkränzten Weiher,
Sie schlingt den Dampf ums Haupt als
Schleier
Und saust dahin als Eisenbahn.
Von nie geahnter Kraft geschwellt,
Verwarf sie ihre alten
Krücken,
Sie mauert Tunnels, zimmert Brücken
Und pfeift
als Dampfschiff um die Welt.
Drum ihr, ihr Männer, die ihr’s seid,
Zertrümmert eure
Trugidole
Und gebt sie weiter, die Parole:
Glückauf,
Glückauf, die junge Zeit!
Quelle: Arno Holz, Werke, Hrsg. Wilhelm Emrich und Anita Holz, 7 Bde. Neuwied, 1961–1964, Bd. 5, Das Buch der Zeit (1885), S. 21–28; abgedruckt in Gerhard A. Ritter und Jürgen Kocka, Hrsg., Deutsche Sozialgeschichte 1870–1914. Dokumente und Skizzen. 3. Aufl. München: Beck, 1982, S. 24–26.