Quelle
Eurer Königlichen Majestät in der Anlage enthaltener huldreicher Ermächtigung gemäß schickte ich zu General Graf Moltke, um das fragliche Schreiben an General Trochu[1] anzuhalten; dasselbe war indes bereits zu den Vorposten abgesandt.
Eure Majestät hatten auf meinen alleruntertänigsten Antrag zu genehmigen geruht, daß von unserer Seite keinerlei Initiative zu Unterhandlungen mit dem Feinde zu ergreifen wären, damit zu dem Eindrucke, daß wir des baldigen Friedens bedürftig wären, und zu den Entstellungen, welche Fälschung und Leichtgläubigkeit daran knüpfen, kein Anlaß gegeben werde. In diesem Sinne deutete ich dem Oberstleutnant von Bronsart[2] heute morgen an, daß der beabsichtigte Schritt mir nicht unbedenklich schiene, glaubte aber ohne jede nähere Kenntnis der Situation einen Widerspruch gegen den beabsichtigten Schritt nicht vorweg erheben zu sollen, indem ich voraussetzte, daß mir die Gelegenheit nicht fehlen würde, Eurer Majestät über eine mein Ressort berührende Angelegenheit selbst Vortrag zu halten, bevor die allerhöchste Entscheidung erfolgte. Ich hielt letztere um so weniger für unmittelbar bevorstehend, als die Nachricht von der Einnahme von Orleans vor Abgang des Schreibens abgewartet werden sollte, eine Nachricht, die mir bis heute nachmittag nicht zugegangen ist. Ich war nicht in Zweifel, daß über Verhandlungen mit der französischen Regierung Eure Majestät mir zuvor mündlichen Vortrag gestatten würden, und hatte deshalb auf meine Diskussion mit dem Oberstleutnant von Bronsart kein entscheidendes Gewicht gelegt, mir vielmehr vorbehalten, meine prinzipiellen und formellen Bedenken nicht bei dem Generalstabe, sondern bei Eurer Majestät geltend zu machen. Prinzipiell war ich mit dem Schritte überhaupt nicht einverstanden, weil jede deutsche Initiative für Verhandlungen in Paris falsch verstanden und gemißbraucht wird, und weil ich glaube, daß der jetzigen französischen Regierung entgegenkommende Eröffnungen von militärischer Seite so lange nicht gemacht werden sollten, als sie sich über ihre Stellung zu den mit Bruch des Ehrenworts desertierten Offizieren nicht erklärt hat. Formell hatte ich eine andere Fassung, namentlich aber den Gebrauch der deutschen Sprache bei Eurer Majestät beantragen wollen. Ich werde mir bei anderem Anlasse gestatten, dies generell alleruntertänigst in Anregung zu bringen, da die deutschen Offiziere und Beamten sich stets im Nachteile befinden, wenn sie bei Korrespondenzen mit dem Feinde, der seine eigene Sprache notwendig besser beherrschen muß, sich der letzteren amtlich bedienen sollen.
Eure Königliche Majestät wollen mir huldreichst gestatten, an diesen Vorgang im allgemeinen ehrfurchtsvoll die Bitte anzuknüpfen:
Daß Eure Majestät die Gnade haben wollen, bei militärischen Vorträgen, welche politische Fragen berühren und beeinflussen, meine Zuziehung zu befehlen und mich zu ermächtigen, daß ich nach Bedürfniß an den Generalstab diejenigen Fragen über die militärische Situation richte, über welche ich einer Information als auswärtiger Minister oder als Präsident des Staatsministeriums zu bedürfen glaube.
Anmerkungen
Quelle: Otto von Bismarck, Die gesammelten Werke, herausgegeben von Gerhard Ritter und Rudolf Stadelmann, Friedrichsruher Auflage, 15 Bde. Berlin, 1924–1932, Bd. 6b, Nr. 1950; abgedruckt in Ernst Rudolf Huber, Hrsg., Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, 3. neubearb. Aufl. Stuttgart: W. Kohlhammer, 1978, Bd. 2, S. 359–60.