Kurzbeschreibung
Bismarcks Kürzung der ursprünglichen Emser Depesche lieferte den
Franzosen einen Casus Belli, der 1870/71 zum Krieg mit Preußen und den
anderen deutschen Staaten führte. Das Ausmaß von Bismarcks
redaktionellen Änderungen kann man anhand dieses Faksimiles der
gekürzten Fassung ermessen, die für preußische Gesandte in den übrigen
deutschen Bundesstaaten sowie – noch bedeutender – für die
Öffentlichkeit bestimmt war. Der überarbeitete Text lautet: „Nachdem die
Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern der
kaiserlich französischen Regierung von der königlich spanischen amtlich
mitgeteilt worden sind, hat der französische Botschafter [Benedetti] in
Ems an Seine Majestät den König [Wilhelm I.] noch die Forderung
gestellt, ihn zu autorisieren, daß er nach Paris telegraphiere, daß S.M.
der König sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder seine
Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf Ihre Kandidatur wieder
zurückkommen sollten. Seine Majestät hat es darauf abgelehnt, den
französischen Botschafter nochmals zu empfangen, und demselben durch den
Adjutanten vom Dienst sagen lassen, daß Seine Majestät dem Botschafter
nichts weiter mitzuteilen habe.” Wie Bismarck erwartet hatte, überzeugte
diese wesentlich kürzere Version Preußens Verbündete und die deutsche
Öffentlichkeit, dass die Franzosen Wilhelm I. ein erniedrigendes und
inakzeptables Ultimatum präsentiert hatten. Umgekehrt interpretierten
die Franzosen das überarbeitete Telegramm – wie von Bismarck ebenfalls
beabsichtigt – als Beweis, dass Wilhelm eine ehrliche Bemühung
ihrerseits zur Beilegung der diplomatischen Krise grob zurückgewiesen
hatte. Die Ehre beider Seiten war gekränkt, doch Frankreich spielte
bereitwilliger die Rolle des beleidigten Opfers, indem es Preußen wenige
Tage später den Krieg erklärte. Die militärische Kraftprobe zwischen den
deutschen Staaten und ihrem „Erbfeind“ über dem Rhein stand unmittelbar
bevor. Faksimile aus den Akten des Politischen Archivs des deutschen
Auswärtigen Amtes.