Kurzbeschreibung

Der Kolonialist Carl Peters (1856–1918) gründete die Gesellschaft für deutsche Kolonisation im März 1884. Nachdem er eine Expedition nach Sansibar organisiert hatte, überredete er im November einige Stammeshäuptlinge, auf Deutsch verfasste Verträge einzugehen, indem er sie mit einem Kreuz unterschreiben ließ. Anschließend verlangte er staatlichen Schutz für „sein“ Territorium, das als Deutsch-Ostafrika bekannt wurde und das heutige Ruanda, Burundi, den kontinentalen Teil Tansanias sowie einen kleinen Teil Mosambiks umfasste. Bismarck lehnte diese Forderung zunächst ab, gab jedoch schließlich nach, und Kaiser Wilhelm I. unterzeichnete im Februar 1885 einen kaiserlichen Schutzbrief—eine Art Geleitschreiben. In derartigen Dokumenten war die Definition des kaiserlichen Schutzes häufig eher vage gehalten und bestand manchmal aus kaum mehr als der Ernennung eines Konsuls, mit oder ohne Stationierung eines deutschen Kanonenbootes vor der Küste.

Kaiserlicher Schutzbrief für Carl Peters Gesellschaft für deutsche Kolonisation (27. Februar 1885)

Quelle

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden deutscher Kaiser und König von Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wissen:

Nachdem die derzeitigen Vorsitzenden der Gesellschaft für deutsche Kolonisation, Dr. Carl Peters und Unser Kammerherr Felix, Graf Behr-Bandelin, Unsern Schutz für die Gebietserwerbungen der Gesellschaft in Ostafrika, westlich von dem Reiche des Sultans von Zanzibar, außerhalb der Oberhoheit anderer Mächte, nachgesucht und Uns die von besagtem Dr. Carl Peters zunächst mit den Herrschern von Usagara, Nguru, Useguba und Ukami im November und Dezember vorigen Jahres abgeschlossenen Verträge, durch welche ihm diese Gebiete für die deutsche Kolonisations-Gesellschaft mit den Rechten der Landeshoheit abgetreten worden sind, mit dem Ansuchen vorgelegt haben, diese Gebiete unter Unsere Oberhoheit zu stellen, so bestätigen Wir hiermit, daß Wir diese Oberhoheit angenommen und die betr. Gebiete [] unter Unseren Kaiserlichen Schutz gestellt haben.

Wir verleihen der besagten Gesellschaft unter der Bedingung, daß sie eine deutsche Gesellschaft bleibt und daß die Mitglieder des Direktoriums oder der sonst mit der Leitung betrauten Personen Angehörige des Deutschen Reiches sind, sowie den Rechtsnachfolgern dieser Gesellschaft, unter der gleichen Voraussetzung, die Befugnis zur Ausübung aller aus den Uns vorgelegten Verträgen fließenden Rechte, einschließlich der Gerichtsbarkeit gegenüber den Eingeborenen und den in diesen Gebieten sich niederlassenden oder zu Handels- und anderen Zwecken sich aufhaltenden Angehörigen des Reiches und anderer Nationen, unter der Aufsicht Unserer Regierung und vorbehaltlich weiterer von Uns zu erlassender Anordnungen und Ergänzungen dieses Unseres Schutzbriefes.

Zur Urkunde dessen haben Wir diesen Schutzbrief Höchsteigenhändig vollzogen und mit Unserem Kaiserlichen Insiegel versehen lassen.

Gegeben Berlin, den 27. Februar 1885.

Wilhelm
von Bismarck

Quelle: Johannes Hohlfeld, Deutsche Reichsgeschichte in Dokumenten 1849–1926, Bd. 1. Berlin: Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte, 1927, S. 186–87.