Quelle
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Berichterstatter: Abgeordneter Olzem.
Journal II. Nr. 384.
Ueber diese Petition verhandelte die Petitionskommission am 22. April 1887 im Beisein des Geheimen Oberregierungsrathes Braunbehrens als Vertreter des Ministers des Innern, des Landforstmeisters Janisch als Vertreter des des Ministers für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, und des Geheimen Bergrathes Eskens als Vertreter des Ministers der öffentlichen Arbeiten.
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Der Wortlaut der Petition ist folgender:
Von Jahr zu Jahr mehren sich die wohlbegründeten Klagen über die durch den Steinbruchbetrieb immer weiter fortschreitende Verwüstung der vielgepriesenen schönen Berge und Höhenzüge im Rheinthale. Vom Rochusberge oberhalb Bingen bis hinab zum Finkenberge Bonn gegenüber verunzieren bereits zahllose Brüche die schönen landschaftlichen Bilder. Mit der Verunstaltung der Bergeshöhen schwindet der wunderbare Zauber und der unvergleichliche Liebreiz unserer schönen Rheinischen Heimath immer mehr dahin.
Vor Allem ist gegenwärtig das einzig schöne Siebengebirge gefährdet.
Vor mehr als fünfzig Jahren hat der Fiskus den Drachenfels erworben und dadurch ihn und seine sagenberühmte Burgruine vor der drohenden Zertrümmerung gerettet. Die nebenanliegende Wolkenburg ist durch die dortigen Trachytbrüche nach der Südseite hin bereits derart zertrümmert, daß sie, einst ein wunderschöner Berg, von Rolandseck aus geradezu einen grausigen Anblick gewährt.
Von den übrigen Hauptkuppen des Siebengebirges sind der alle anderen Höhen überragende prächtige Oelberg und der im Vordergrund nächst dem Rheine gelegene herrliche Petersberg nun auch in der unmittelbarsten Gefahr, um ihres Basaltgesteins willen zertrümmert und verwüstet zu werden. Bei beiden Bergen ist die höchste Gefahr im Verzuge.
Das Siebengebirge mit seinen wundervollen und eigenartig schönen Bergeshöhen zieht alljährlich viele Tausende von Fremden in diese Gegend des Rheines und zumeist diesem Fremdenverkehr verdanken die zahlreichen umliegenden Ortschaften ihren blühenden Wohlstand. Schon allein aus diesem Grunde erscheint es dringend geboten, die gefährdeten Bergkuppen des Siebengebirges zu schützen, zu retten, bevor es zu spät ist.
Die provinzialständische Verwaltung der Rheinprovinz, sowie der Rheinische Provinziallandtag haben dem allgemeinen Wunsche und unserer besonderen Bitte, ihrerseits die Initiative zum Schutze und zur Rettung des Siebengebirges, dieser Perle der Rheinlande, zu ergreifen, nicht entsprochen. Darum wenden wir uns nunmehr an das Hohe Haus der Abgeordneten mit der Bitte um Hülfe. Zur näheren Information erlauben wir uns, auf die beiden anliegenden Druckschriften hinzuweisen.
Wir enthalten uns, unsere Wünsche und Hoffnungen in besonderen Anträgen zu formuliren, indem wir meinen, daß das Hohe Haus der Abgeordneten besser wie wir im Stande ist zu beurtheilen, welche Mittel und Wege zur Erreichung des erstrebenswerthen Zieles die geeignetsten sind. Wir beschränken uns auf die Bitte:
Es wolle dem Hohen Hause der Abgeordneten gefallen, der Königlichen Staatsregierung sowohl zum Schutze besonders schöner landschaftlicher Punkte im Allgemeinen als insbesondere auch zur Rettung der gefährdeten Bergkuppen im Siebengebirge die geeigneten Anträge zu unterbreiten oder wenigstens derselben unsere Petition zur angemessenen Berücksichtigung zu überweisen.
Der Petition liegen zwei Schriften bei, betitelt die erste: „Zur Rettung des Siebengebirges. Herausgegeben vom Verein zur Rettung des Siebengebirges. Mit fünf lithographirten Tafeln in Tondruck. Bonn 1886. Verlag von A. Henry“, die zweite: „Zur Rettung des Siebengebirges II. Eine Rechtfertigungsschrift. Herausgegeben von dem Vorstande des Vereins zur Rettung des Siebengebirges. Bonn 1887. Verlag von A. Henry.“ Der Inhalt derselben ist nach den Mittheilungen des Berichterstatters im Wesentlichen folgender:
Zuerst wird der landschaftliche Charakter und die Schönheit des Siebengebirges zu schildern versucht. Unter den vielen und vielbesungenen Schönheiten der Ufer des Rheinstromes sei das Siebengebirge in seiner Art unübertroffen und einzig; auf kleinem Raum von weniger als einer Meile im Geviert seien seine Höhen zusammengedrängt, ein Hochgebirge im Kleinen. Der geologischen Entstehung entsprechend alle mannigfaltig geformt, die Basaltkuppen Oelberg, Petersberg, Nonnenstromberg, sowie die stolze Doloritkuppe der Löwenburg in sanft geschwungenen Linien, die Trachytberge Lohrberg, Wolkenberg, Drachenfels, zackig und schroff. So entstehe ein wunderbarer Wechsel der Linien, die sich je nach der Richtung, von der man dem Gebirge sich nähere, in stets neuer fesselnder Weise vereinten oder schnitten. Wie vielfältig verschieden aber auch das Gebirge sich von allen Seiten darstelle, die Ausblicke, die man von seinen Höhen, großen wie kleinen, genieße, seien noch weit mannigfaltiger. Man staune, auf so kleiner Strecke so vielerlei stets wechselnde Bilder, eins fesselnder wie das andere, zu schauen, bald eine großartige Rundschau, bald reizend eingerahmte Blicke in die Waldthäler. Eine solche Fülle landschaftlicher Schönheiten finde sich auf so eng begrenztem Raum im ganzen Rheinstrom, vielleicht im ganzen Deutschen Vaterlande nicht wieder. Die Gesuchsteller behaupten, das Siebengebirge sei eines der heiligsten und theuersten Besitzthümer der Nation und es sei nationale Sache, dasselbe in seinem Waldzauber und in der ungeschmälerten Schönheit seiner Bergformen zu erhalten. Jeder habe ein Anrecht an die Schönheit des Siebengebirges, ein ideales zwar, aber wer wolle leugnen, daß die idealen Besitzthümer unseres Volkes nicht ebenso gut hohen Werth hätten und ebenso sehr des allgemeinen Schutzes bedürften, wie die materiellen. Das Siebengebirge habe auch materiellen Werth durch seine Schönheit für die ganze Umgebung. Es seien die Naturschönheiten der Gegend, welche die zahllosen Fremden herbeilockten, und auf dem Fremdenverkehre beruhe vorzugsweise der blühende Wohlstand der benachbarten Ortschaften. Es seien also gewiß auch ernste wirthschaftliche Interessen, welche die Erhaltung der Naturschönheiten des Siebengebirges forderten. Diesen Naturschönheiten drohten aber große und ernste Gefahren.
Es wird sodann versucht, mit Beihülfe der der Eingabe beigefügten lithographirten Tafeln in Tondruck den Thatbestand der fortschreitenden Verwüstung des Siebengebirges vor Augen zu führen.
Die Steinbruchindustrie drohe die Naturschönheiten des Siebengebirges dauernd zu vernichten. Die Zahl der Steinbruchunternehmer wie der von ihnen beschäftigten Arbeiter sei eine verhältnißmäßig geringe; dazu komme, daß der Steinbruchbetrieb, ein wahrer Raubbau, mit der heute schnell erfolgten Ausbeute eines Bruches rasch ein natürliches Ende finde; es handle sich um einen vorübergehenden Gewinn, dagegen blieben unfruchtbare, werthlose Schutthalden und kahle Felsflächen; ein Berg, der einmal von der Steinbruchindustrie ausgebeutet sei, sei und bleibe immer ein trauriger Trümmerhaufen, eine Wüstenei. Wenn der größere Theil des Siebengebirges dem Steinbruchbetrieb anheimfalle, dann wären seine Schönheiten unwiederbringlich dahin, damit aber auch der Besuch der Berge und der Wohlstand der Gegend. Diese traurige Aussicht liege nicht mehr fern; in beängstigender Weise vermehre sich von Jahr zu Jahr die Anzahl der Steinbrüche.
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Zur Rettung des Siebengebirges verweisen die Gesuchsteller an erster Stelle auf die Staatshülfe. Sowohl nach der idealen wie nach der materiellen Seite scheine für einen großen und den schönsten Theil der schönsten Provinz des ganzen Staates die Erhaltung des Siebengebirges im allgemeinen Interesse geboten. Wie einst der Drachenfels aus Staatsmitteln angekauft worden, so würden auch die andern Hauptkuppen aus Staatsmitteln erworben werden müssen. Der Drachenfels, der Löwenberg und die Nordseite des Oelberges gehörten dem Fiskus, verbleibe also übrig, für den Petersberg und Oelberg zu sorgen. Zu den erforderlichen Erwerbungen reiche das Enteignungsgesetz aus. Sollte das aber nicht der Fall sein, so könne es nicht schwierig sein, zu einer die Erhaltung besonderer Naturschönheiten bezweckenden Novelle die Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren zu erlangen. Geschichtlich und kunstgeschichtlich wichtige Denkmäler seien bereits unter den Schutz des Staates gestellt, ein Gebirge wie das Siebengebirge trage gewiß auch einen geschichtlichen Charakter, indem es der Gegend ein bestimmtes Gepräge verleihe, eine landschaftliche Eigenart, die mit Sitte und Art der Bevölkerung von je in engsten Beziehungen stehe. Solche nicht zu verwischen, sondern zu erhalten, scheine ebenso wichtig wie die Erhaltung alter Denkmale, welche doch der Staat mit Eifer zu schützen und zu erhalten bestrebt sei.
In zweiter Linie hoffen die Gesuchsteller auch auf die Hülfe der Rheinischen Provinzialverwaltung, welche ihren Steinbruchbetrieb im Petersberg vollständig einstellen und zur Rettung des Siebengebirges alle nöthigen Schritte thun müsse.
Die Gesuchsteller hatten im Sommer 1886 zur Bildung eines Vereins zur Rettung des Siebengebirges angeregt und war die Folge, daß zahlreiche Zustimmungen und Beitrittserklärungen erfolgten, so daß der Verein in kurzer Zeit Tausende Mitglieder zählte. Der Verein fand auf vielen Seiten Beifall und wurden sympathische Kundgebungen für die Bestrebungen desselben laut. Mit den Bestrebungen des Vereins erklärten sich einverstanden und beschlossen dieselben zu fördern:
Der Vorstand des Verschönerungsvereins für das Siebengebirge,
der Historische Verein für den Niederrhein,
der Verein von Rheinischen Alterthumsfreunden,
die Stadtverordnetenversammlung von Bonn,
der Gemeinderath von Königswinter,
das Bürgermeistereiamt von Honnef,
die Gemeindebehörde von Godesberg.
Bezeichnend ist die Stellung, welche der Historische Verein für den Niederrhein in Bonn einnahm. Der Vorsitzende des Vereins glaubte die Frage, ob die Angelegenheit des Vereins zur Rettung des Siebengebirges zur Befugniß des Historischen Vereins gehöre, bejahen zu müssen, weil mit dem Siebengebirge inniger als mit irgend einem andern Punkte des Rheinlands Geschichte, Sage und Legende sich verbunden hätten und eine nicht geringe Zahl geschichtlicher Denkmäler in seinem Bereiche zu finden seien. Er sprach die Befürchtung aus, ein Fremder, der die berühmten Stanzen Lord Byrons zum Preise des Siebengebirges in einem Reisehandbuch lese, könne angesichts der fortschreitenden Zerstörung sich zu härteren und vielleicht gerechteren Klagen bewogen fühlen, als jetzt von so vielen Seiten gegen die Zerstörung des mittelalterlichen Roms erhoben würden. Der Verein zur Rettung des Siebengebirges richtete zunächst seine Thätigkeit auf Rettung des Petersberges und des Oelberges und wandte sich zu diesem Zwecke an den Rheinischen Provinziallandtag mit der Bitte: der Landtag wolle:
1. beschließen, daß der der Provinz zugehörige Steinbruch an der Rheinseite des Petersberges sofort und vollständig eingestellt werde;
2. den Verwaltungsrath ermächtigen und veranlassen, wegen Ankaufs der Privatbrüche am Petersberge und Oelberge mit den Eigenthümern sofort in Unterhandlungen zu treten, die Brüche anzukaufen oder deren Enteignung in Antrag zu bringen.
Der Provinziallandtag beschloß mit allen gegen drei Stimmen, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen mit Rücksicht darauf:
daß die Außerbetriebsetzung des in Rede stehenden Steinbruches die Interessen der Provinzialstraßenverwaltung schwer schädigen würde, ohne daß damit ein praktischer Zweck so lange erreicht werden könne, als nicht die übrigen die Schönheit der Gegend weit mehr beeinträchtigenden Steinbrüche im Siebengebirge, namentlich an der Wolkenburg, am Stenzelberge, am Lohrberge und am Oelberge zu gleicher Zeit stille gelegt und der Eröffnung neuer Steinbrüche daselbst vorgebeugt werde, daß die von den Petenten beantragte Erwerbung sämmtlicher Privatsteinbrüche im Siebengebirge, sei es im Wege des freihändigen Ankaufs, sei es im Wege der Expropriation schon aus dem Grunde nicht in Betracht gezogen werden könne, weil die hierzu erforderlichen Geldmittel der Provinz nicht zur Verfügung stehen, indem die der Provinz zugewiesen Dotationsrente für den vorangeführten Zweck nicht verwendet werden dürfe, auch zur Erfüllung der mit dieser Rente überwiesenen Verpflichtungen nicht einmal ausreiche und die Erhebung einer Umlage zur Erwerbung von Steinbrüchen im Siebengebirge behufs Außerbetriebsetzung derselben weder gesetzlich zulässig noch unter den vorliegenden Umständen angebracht erscheine;
endlich, daß es nicht Aufgabe des Provinziallandtages sein könne, dem Verein zur Rettung des Siebengebirges Mittel und Wege zur Erreichung seiner Vereinszwecke an die Hand zu geben.
Nach dieser abweisenden Antwort wandten die Gesuchsteller sich mit der vorliegenden Petition an das Haus der Abgeordneten.
Nachdem der Berichterstatter den Inhalt der Petition, deren wesentliche Begründung und das bisherige Vorgehen der Gesuchsteller, wie vorstehend, vorgetragen, bemerkte er zunächst, daß die Schilderung der Gesuchsteller von dem landschaftlichen Charakter, der Schönheit, dem idealen und materiellen Werthe des Siebengebirges als zutreffend anerkannt werden müsse, und daß Jeder, welcher das Siebengebirge kenne, der Schilderung nur beistimmen könne; das Siebengebirge sei des Rheinlands Stolz und schönste Zierde. Es könne sich somit nur um die Frage handeln, ob die weitere Behauptung der Gesuchsteller, daß durch den Steinbruchbetrieb die Gefahr entstände, daß die Bergkuppen des Siebengebirges zertrümmert und die landschaftliche Schönheit desselben beschädigt würde, begründet sei und sodann im bejahenden Falle, ob das Vorgehen der Petenten berechtigt und die Vorschläge derselben zur Rettung des Siebengebirges geeignete seien?
Was die Frage betrifft, ob durch den Steinbruchbetrieb die Bergkuppen des Siebengebirges zertrümmert und die landschaftliche Schönheit desselben beschädigt werde, so kann es nach Ansicht des Berichterstatters keinem Zweifel unterliegen, daß durch die fortschreitende Ausbeutung des Siebengebirges der landschaftliche Gesammtcharakter desselben beeinträchtigt werden müsse, weil die Gefahr für den Bestand des Siebengebirges groß sei. Ein Fels, welcher sich über einem grünen Wald erhebe, sei keine Verunstaltung der Landschaft, wenn aber Fels an Fels, Steinbruch an Steinbruch sich reihe, dann müsse namentlich durch die trostlosen Halden der Steinbrüche der Eindruck des Oeden und der Verwüstung hervorgerufen und der Charakter der Landschaft verändert werden. Die aschgrauen, lang hingezogenen Halden müßten auf eine lachende Gegend einen häßlichen Schatten werfen und die Landschaft verunstalten. Es seien zwar nur die Steinbrüche, welche von außen die Berge angreifen, gefährlich, die unterirdisch betriebenen Brüche veränderten die Gestalt und Form der Berge nicht. Wohl werde man auch das Siebengebirge nicht völlig abtragen können und die Romantik des Siebengebirges möge immerhin durch die Steinbrüche niemals ganz vernichtet werden, wenn aber die Zerstörung des Siebengebirges so fortgehe wie in den letzten Jahren, dann sei die Verunstaltung des Gebirges nur eine Frage der Zeit. Die Gefahr sei um so größer, da das Siebengebirge nicht aus fortlaufenden Berghöhen, sondern aus einzelnen Kuppen bestehe, deren Veränderung und Entstellung viel schneller eintrete als die der Hauptmasse eines Berges. Deshalb seien gerade die Steinbrüche unterhalb der Kuppen am gefährlichsten, die Steinbrüche im Thal könnten nicht viel schaden. Die drastische Schilderung der Gesuchsteller von der Verwüstung des Siebengebirges werde durch die von denselben angeführten Thatsachen als wohl begründet angesehen werden müssen. Durch die Fortschritte der Technik und unserer heutigen schnellen Beförderungsmittel sei die Ausbeute der Steinbrüche in den letzten Jahren ganz ungeheuer angewachsen, Dynamit und Pulver dehnten ihr Zerstörungswerk immer weiter aus, die Ausbeutung der Berge werde in immer größerem Umfange betrieben. Die fortschreitende Ausbeutung habe immer mehr die bisher verhältnißmäßig noch am meisten verschont gebliebenen Berge ergriffen. Die Thatsache, daß die Steinbrüche in neuester Zeit auch auf dem Petersberg und Oelberg überhand genommen, lasse sich nicht wegleugnen und lege die Befürchtung nahe, daß die unablässig fortgesetzten Zerstörungsarbeiten, deren Wirkungen bereits von Weitem deutlich erkennbar geworden, diesen Bergen das Schicksal der Wolkenburg, welche ihre einstige Gestalt völlig eingebüßt hat, bereiten würden. Jeder, der nach längerer Zeit das Siebengebirge wiedersehe, sei erstaunt über die fortschreitende Verwüstung durch den Steinbruchbetrieb. Auch die Hügelkette vom Siebengebirge bis Basel habe, wie man sich von Bonn aus überzeugen könne, erheblich gelitten. Es könne auch Niemand einfallen, Angesichts der Wirkungen des Steinbruchbetriebes die Gefahr für das Siebengebirge zu bestreiten, auch die Rheinische Provinzialverwaltung habe zugegeben, daß die Steinbrüche entstellend wirkten, sie behaupte nur, daß andere Steinbrüche noch entstellender einwirkten, als der Provinzialsteinbruch am Petersberge. Das Schicksal der Wolkenburg, die völlig zertrümmert sei, das Schicksal des Stephanshügels bei Limburg, von dem gar nichts mehr übrig sei als ein wüster Steinblock, und vor Allem das Schicksal der Sächsischen Schweiz müßten jeden Zweifel an den gefährlichen Wirkungen des Steinbruchbetriebes für das Siebengebirge schwinden lassen.
Bezüglich des bisherigen Vorgehens der Gesuchsteller betont der Berichterstatter, daß anerkannt werden müsse, daß das Bestreben derselben, das Siebengebirge vor Vernichtung zu schützen, ein durchaus edles sei und daß denjenigen, welche in dieser Sache zur Förderung des Gemeinwohls thatkräftig gearbeitet hätten, nur Dank und Anerkennung gebühre. Ob das Bestreben, wie es sich in der Petition an den Rheinischen Provinziallandtag geäußert, geeignet gewesen, das Ziel, das Siebengebirge vor Vernichtung zu schützen, zu erreichen, erscheine zweifelhaft. Insofern das Bestreben ausschließlich oder hauptsächlich gegen den Provinzialsteinbruch an der Rheinseite des Petersberges gerichtet gewesen, mache dasselbe den Eindruck der Einseitigkeit, das Bestreben müsse, dem Ziel entsprechend, von einer breiteren allgemeinen Grundlage ausgehen. Die Bedeutung der Gründe des ablehnenden Beschlusses des Provinziallandtages, welche dahin gingen, daß die Außerbetriebsetzung des der Provinz zugehörigen Steinbruches am Petersberge die Interessen der Provinzialstraßenverwaltung schwer schädige und daß ein praktischer Zweck mit der Einstellung des Bruchbetriebes am Petersberge nicht erreicht werde, wenn nicht die übrigen, die Schönheit der Gegend weit mehr beeinträchtigenden Steinbrüche im Siebengebirge, namentlich an der Wolkenburg, am Stenzelberge, am Lohrberge und am Oelberge zu gleicher Zeit still gelegt würden, läßt sich nicht verkennen. Die Provinzialverwaltung behaupte, daß ein Steinbruch, der etwa eine Meile vom Rhein abliege, der Provinz jährlich etwa 150.000 Mark mehr kosten würde und daß der Bezug des Basalts aus dem günstigst gelegenen Steinbruch in der Eifel jährlich eine Mehrausgabe von 250.000 Mark ausmache, daß auch der Provinzialsteinbruch ein unentbehrlicher Preisregulator sei und daß deshalb die Provinz den Steinbruch am Petersberge für 75.000 Mark erworben habe und daß die Provinzialverwaltung die Interessen der Gesammtheit der Provinz verletzt haben würde, wenn sie die Gelegenheit zum Erwerb eines eigenen Basaltsteinbruches unbenutzt gelassen. Nach Ansicht der Provinzialverwaltung könne es der Provinz nicht zugemuthet werden, allein die zur Rettung des Siebengebirges erforderlichen Geldopfer auf Kosten der Steuerzahler der Provinz aufzuwenden und habe es auch wenig Sinn, wenn die Provinz ihren Steinbruch ruhen lassen solle und statt dessen der Nachbarbesitzer in weit schonungsloserer Weise den Betrieb eines Bruches in derselben Lage aufnehme oder fortsetze. Die Provinzialverwaltung erkläre auch, daß der Provinzialbruch nur einen verschwindend kleinen Theil des Petersberges bilde und so weit vom Gipfel entfernt sei, daß eine Verunstaltung des Berges durch den Betrieb des Bruches ausgeschlossen sei, auch würden die Halden, die sich unter dem Steinbruch befänden, aufgeforstet und die kahlen Gehänge des Bruches hierdurch verdeckt werden, wie auf Veranlassung der Provinzialverwaltung aufgenommene Photographien des Petersberges beweisen sollten. Diese Ausführungen und Behauptungen der Provinzialverwaltung würden nun zwar von den Gesuchstellern mit der Behauptung bestritten daß wenn die Verwaltung beispielsweise aus den Brüchen bei Linz ihren Basalt bezöge und von dort mittelst Rheinschiffes nach dem Niederrhein beförderte, so würde ohne allen Zweifel Jahr für Jahr der Provinz eine große Summe Geldes erspart werden können, daß auch mit der Einstellung des Bruchbetriebes an der Rheinseite des Petersberges wenigstens diese Seite des Petersberges vor weiterer Verwüstung gewahrt wäre, daß der Versuch der Aufforstung der Halden keinen nennenswerthen Erfolg haben könne, daß der neidische Wettbewerb der zahlreichen Steinbrecher im Rheinlande von jeher der beste, sicherste und einzig wirkliche Preisregulator gewesen und in Ewigkeit bleiben werde. Diesen widersprechenden Behauptungen von Gesuchstellern und Provinzialverwaltung gegenüber erscheine es bei dem vorliegenden Material unmöglich, ein endgültiges Urtheil über die ablehnende Haltung des Provinziallandtages zu der Petition des Vereins zur Rettung des Siebengebirges zu fällen. Einerseits sei die wirthschaftliche Seite der Frage für die Rheinprovinz von hoher Bedeutung, andererseits sei aber nicht zu verkennen, daß die Provinzialverwaltung dieser Angelegenheit offenbar anders als ein Privatbesitzer gegenüberstehe und daß die Bewohner der Rheinprovinz mit Recht erwarten dürften, daß die Provinzialverwaltung, welche die gesammten realen und idealen Interessen der Rheinprovinz zu wahren habe, auf die Dauer nicht unthätig und gleichgültig bleiben werde. Der Privatbesitzer brauche nur sein eigenes Interesse zu kennen, die Provinzialverwaltung, als Eigenthümerin der Berggehänge, müßte das Interesse der Provinz im Auge behalten. Es sei selbstverständlich, daß man an einen Privaten nicht das Ersuchen stellen könne, irgendwie auf die landschaftliche Schönheit des Gebirges Rücksicht zu nehmen, wenn die Provinzialverwaltung selbst an einer in die Augen fallenden Stelle des Gebirges aus wirthschaftlichen Gründen dasselbe verunstalte.
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Die Gesuchsteller hätten, wie bereits bemerkt, keine Mittel und Wege zur Rettung des Siebengebirges angegeben, sondern hätten nur ersucht, das Abgeordnetenhaus wolle der königlichen Staatsregierung sowohl zum Schutze besonders schöner landschaftlicher Punkte im Allgemeinen, als insbesondere auch zur Rettung der gefährdeten Bergkuppen im Siebengebirge die geeigneten Anträge unterbreiten, die Kommission habe aber keine Veranlassung, auf den Antrag, soweit er auf den Schutz schöner landschaftlicher Punkte im Allgemeinen gerichtet, einzugehen, da derselbe jeder Begründung entbehre und werde auch nicht in der Lage sein, bei der Königlichen Staatsregierung bestimmte Anträge zur Rettung des Siebengebirges zu stellen, sondern wird sich wohl nur dahin entscheiden können, beim Haus der Abgeordneten zu beantragen, die Petition der Königlichen Staatsregierung zur Erwägung zu überweisen.
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Der Kommissar des Ministers des Innern erklärte: „Die Bestrebungen des Vereins zur Rettung des Siebengebirges verdienten alle Anerkennung.
Daß der Staat, soweit auf seinem eigenen Terrain – allerdings nicht an den für die landschaftliche Schönheit besonders werthvollen Punkten – bisher Steinbruchbetrieb stattgefunden habe, denselben zur Einstellung bringen werde, sei bereits hervor gehoben. Was die Provinz betreffe, so habe dieselbe zwar aus schwer wiegenden wirthschaftlichen Rücksichten die Einstellung ihres Betriebes zum Petersberge abgelehnt, ganz ohne Eindruck seien indessen die von den Petenten vertretenen Wünsche auch bei der Provinz nicht geblieben, indem dieselbe beschlossen habe, beim Betriebe ihres Steinbruches in schonender Weise vorzugehen, namentlich auch die Oede der Halden durch Wiederaufforstung zu beseitigen, und sei hiermit bereits mit gutem Erfolge begonnen; es könne der Provinz von Staatsaufsichts wegen nicht wohl zugemuthet werden, ihren Steinbruchbetrieb ganz einzustellen, dadurch ihren Bedarf an Straßenmaterial zu gefährden, um so weniger als die Privatindustrie dann erst recht zu einer rücksichtslosen Ausbeutung schreiten werde. Gegen die durch den Privatbetrieb ausgehende Beeinträchtigung der landschaftlichen Schönheit des Siebengebirges werde der Staat ein eingreifendes Mittel nur haben, wenn er in der Lage wäre, das ganze Gebiet aufzukaufen; das könne indessen ernstlich schwerlich in Aussicht genommen werden und würde in anderen Landestheilen als eine ungerechtfertigte Bevorzugung der Rheinprovinz empfunden werden, auch Wünsche hervor rufen, zu deren Befriedigung unabsehbare Summen erforderlich seien. Jedenfalls stehe einem solchen Vorgehen die Provinz näher als der Gesammtstaat und die Petenten würden daher sich mehr dahin zu richten haben, das Interesse der Provinzialverwaltung diesem Gedanken näher zu führen; das nächstliegende Feld der von den Petenten betriebenen Agitation werde aber auf privatem Gebiete zu suchen sein. Bei aller Sympathie für die anerkennungswerthen Bestrebungen des betreffenden Vereins werde hiernach der Staat ein Mehreres zu thun nicht im Stande sein. Wenn der Erlaß von Polizeiverordnungen zu dem angegebenen Zweck angeregt sei, so müsse hierauf bemerkt werden, daß die Erhaltung oder Herstellung landschaftlicher Schönheit und anderer ästhetischer Ziele sich schwerlich in irgend einer Weise unter diejenigen Gegenstände einreihen lassen werde, welche der Regelung durch Polizeiverordnung unterliegen.
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Bei der darauf folgenden Erörterung wurde übereinstimmend anerkannt, daß die Bestrebungen der Gesuchsteller durchaus anerkennenswerth seien und Theilnahme und Wohlwollen verdienten. Von mehreren Seiten wurde aber hervorgehoben, daß an erster Stelle die Rheinprovinz selbst die Aufgabe habe, das Siebengebirge vor Beschädigung zu bewahren und zu diesem Zwecke auch Opfer bringen müsse. Ein Mitglied regte den Gedanken an, die Forstverwaltung möge die Aufgabe übernehmen, sämmtliche im Siebengebirge befindlichen verlassenen Steinhalden wieder aufzuforsten. Nachdem noch von mehreren Mitgliedern der Kommission hervorgehoben worden, daß Ueberweisung der Petition zur Erwägung nur bezwecken könne, die Königliche Staatsregierung zu veranlassen, der Angelegenheit des Siebengebirges ihre dauernde Aufmerksamkeit zu widmen, dagegen die Petenten und die Rheinprovinz nicht von der Selbsthülfe durch Aufbringung von Mitteln zum Ankauf gefährdeter Punkte abhalten solle, wurde die Erörterung geschlossen.
Der Berichterstatter betonte in seinem Schlußworte, daß das ideale Bestreben der Gesuchsteller, das Siebengebirge in seiner Schönheit zu erhalten, in der Kommission einstimmige Anerkennung gefunden habe, daß sein Antrag, die Petition der Staatregierung zur Erwägung zu überweisen, nicht bezwecke, die Rheinprovinz von eigenen Anstrengungen für unversehrte Erhaltung des Siebengebirges abzuhalten; es sei selbstverständlich, daß dem Staat nicht zugemuthet werden könne, erhebliche Geldopfer für die Rheinprovinz aufzuwenden, so lange weder die Rheinische Provinzialverwaltung noch die zunächst interessirten Kommunalverbände und die Privaten ihr Interesse zur Sache thatsächlich bekundet hätten. Sein Antrag bezwecke, die Aufmerksamkeit der Königlichen Staatsregierung, welche schon lange wohlwollend auf die Angelegenheit gelenkt gewesen, dauernd derselben zu erhalten und die Staatsregierung zu veranlassen, die Frage ob zum Schutze des Siebengebirges polizeiliche resp. gesetzliche Maßregeln nöthig resp. möglich und welche Maßregeln geeignet seien, der weiteren Verwüstung des Siebengebirges Einhalt zu thun, einer ernstlichen Prüfung zu unterziehen. Nur die Fürsorge der Staats- und Provinzialbehörden vereint mit den Bestrebungen der interessirten Rheinischen Gemeinden und der Freunde des Siebengebirges könne der drohenden Verwüstung noch rechtzeitig vorbeugen und das Siebengebirge in seiner großartigen Schönheit und in seinen wunderbaren Formen erhalten. Durch die Annahme des Antrages werde kein Privatinteresse begünstigt, sondern das Bestreben, das Gemeinwohl zu fördern, anerkannt und ermuthigt. Wenn die Staatsregierung sich der Angelegenheit thatkräftig annehme und behülflich sei, die Bestrebungen zur Rettung des Siebengebirges in die richtige Bahn zu lenken, dann sei Hoffnung vorhanden, daß das Siebengebirge für die Mit- und Nachwelt im Wesentlichen in der Gestalt erhalten bleibe, in der es den Rheinländern und allen Deutschen theuer und werth sei. In diesem Sinne bitte er seinen Antrag annehmen zu wollen.
Die Kommission beschloß darauf mit 12 gegen 9 Stimmen, gemäß dem Antrage des Berichterstatters zu beantragen:
Das Haus der Abgeordneten wolle, indem es seine Uebereinstimmung mit den Bestrebungen der Petenten ausspricht, beschließen: „Die Petition II Nr. 384 der Königlichen Staatsregierung zur Erwägung zu überweisen.“
Berlin, den 22. April 1887.
Die Kommission für Petitionen. v. Gliszczynski (Tost-Gleiwith), Vorsitzender. Olzem, Berichterstatter.
Quelle: Anlagen zu den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten während der 2. Session der 16. Legislaturperiode. 1887. Dritter Band. Berlin, 1887, S. 2122-2128.